Kommunen protestieren gegen Bürgergeld-Verschärfungen – der Grund ist ein anderer

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Gewerkschaften und Sozialverbände haben Alarm geschlagen wegen der geplanten Härten, die die Bundesregierung gegenüber Leistungsbeziehern in der „Neuen Grundsicherung“ einführen will.

Jetzt protestieren auch Kommunen in Deutschland gegen die geplante Reform der Grundsicherung, die das derzeitige Bürgergeld ersetzen soll.

Sozialrechtler, Sozialverbände und Gewerkschaften kündigen an, vor Gericht zu gehen, wenn Jobcenter die geplanten Sanktionen umsetzen und / oder Leistungsbezieher in unzumutbare Beschäftigung zwingen sollten.

Kommunen erwarten höheren Verwaltungsaufwand

Die Kommunen nehmen diese Ankündigung ernst. Sie befürchten, dass die strengeren Regeln und die Wiedereinführung von Sanktionen den Verwaltungsaufwand massiv erhöhen und zu einer Welle von Widersprüchen und Klagen führen werden.

Über Leistungen im Bürgergeld im Einzelfall zu entscheiden, liegt im Bereich der Kommunen. Diese sehen jetzt in den geplanten scharfen Sanktionen ein Übermaß an Bürokratie und damit einen extremen zusätzlichen Arbeitsaufwand. Sie befürchten, dass auf die Verwaltung unnötig viel Arbeit zukommt durch die zu erwartenden Verfahren und Gerichtsprozesse.

Überforderung von Jobcentern und Sozialgerichten

Die Kommunen rechnen damit, dass Leistungsempfänger verstärkt rechtlich gegen verhängte Sanktionen vorgehen werden. Dies würde nicht nur die Jobcenter über die Maßen in Anspruch nehmen, sondern auch die Sozialgerichte überfordern.

Die Kommunen zweifeln daran, dass die verschärften Regeln das eigentliche Ziel erreichen, nämlich den Anreiz zur Arbeitsaufnahme zu steigern. Sie sehen in der Reform hauptsächlich einen Mehraufwand, der kaum nennenswerte positive Effekte erzielt.

So sagte der Vorsitzende des Landkreistags Brandenburg und Landrat im Oberspreewald-Lausitz-Kreis, Siegurd Heinze, gegenüber der BILD: „Wir haben schon jetzt Kooperationsvereinbarungen, wenn Bürgergeld-Empfänger Sanktionen erhalten sollen.“

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Sinnloser Aufwand für ein Bürokratie-Monster

Heinze erkennt in den Änderungen durch die Neue Grundsicherung nur „mehr sinnlosen Aufwand“. Die Neuregelungen sieht er als Bedrohung durch ein „Bürokratie-Monster“. Er erläutert: „Wenn auch noch Gerichte einbezogen werden, die ohnehin kaum aus der Verfahrensflut herauskommen, führt das zu noch mehr Verfahrensverzögerungen und Frust.“

Landrat sieht Befürchtungen als berechtigt an

Der Landrat des Landkreises Minden-Lübbecke, Ali Doğan hät die Befürchtung für berechtigt, dass die geplante Reform zu mehr Bürokratie führen könnte. Er nennt folgende Punkte, die diese Befürchtung rechtfertigten: Differenzierte Regelungen bei Vermögen, vermehrte Sanktionsverfahren, aufsuchende Beratung, Eigenbemühungen und Nachweispflichten.

Dies alles bedeute mehr Aufwand für die Verwaltung.

Warum entsteht mehr Verwaltungsaufwand?

Die Neue Grundsicherung sieht vor, dass alle Leistungsbezieher eine Kooperationsvereinbarung mit dem Jobcenter schließen. Wenn die Leistungsberechtigten gegen diese Vereinbarung verstoßen, kann die Behörde die Leistungen um bis zu 30 Prozent kürzen – im Erstfall.

Mehr Klagen bedeutet mehr Aufwand

Gegen den entsprechenden Bescheid der Behörde können die Betroffenen zuerst Widerspruch innerhalb des Jobcenters einlegen, und wenn dieser scheitert, vor dem Sozialgericht klagen. Deshalb rechnen Städte und Landkreise mit einer erhöhten Menge an Klagen der Leistungsbezieher, die sich diese Kürzungen nicht bieten lassen. Mehr Klagen bedeuten höhere Kosten, höheren Personalaufwand und zusätzliche Arbeit für die Verwaltung.

Es geht nicht um die Rechte der Leistungsbezieher

Gewerkschaften und Sozialverbänden geht es in ihrer Kritik an den Härten der Neuen Grundsicherung um die Rechte der Leistungsbezieher auf ein soziokulturelles menschenwürdiges Existenzminimum und um die Aushöhlung der Rechte Hilfebedürftiger, Arbeitssuchender und Erwrbsbeschäftigter.

Die Kommunen protestieren hingegen nicht, um die Rechte der Leistungsbezieher zu schützen, sondern weil sie mehr Arbeit und mehr Kosten für die Kommunen befürchten, wenn Leistungsbezieher für diese Rechte eintreten.