Ein Jahr und Schluss? Wer heute seinen Job verliert, kann je nach Alter und Versicherungszeit bis zu zwei Jahre Arbeitslosengeld I beziehen. Doch genau diese Absicherung steht zur Disposition.
Der ALG-I-Bezug soll auf maximal 12 Monate für alle begrenzt werden – unabhängig von Lebensleistung, Beitragsdauer oder Vermittlungschancen. Was wie ein simpler Verwaltungsschritt klingt, hat tiefgreifende Folgen für Millionen Menschen. Ein System auf der Kippe – mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Sprengsätzen.
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Bisherige Rechtslage: Mehr Anspruch bei mehr Lebensarbeitszeit
Das Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung. Wer einzahlt, soll im Fall der Arbeitslosigkeit eine Zeit lang abgesichert sein. Heute gilt: Wer unter 50 ist und mindestens zwei Jahre versicherungspflichtig gearbeitet hat, erhält bis zu 12 Monate ALG I.
Ab dem 50. Lebensjahr steigt die Bezugsdauer stufenweise: Bis zu 15 Monate ab 50, bis zu 18 Monate ab 55, bis zu 24 Monate ab 58 Jahren – vorausgesetzt, es wurden mindestens vier Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Dieses System berücksichtigt sowohl das Alter als auch die Wahrscheinlichkeit einer längeren Vermittlungsdauer.
Der neue Vorschlag: Ein Jahr für alle – ohne Rücksicht auf Verluste
Einige Wirtschaftsvertreter und neoliberale Denkfabriken schlagen nun vor, diese Staffelung zu streichen. Maximal 12 Monate ALG I für alle – Punkt. Ihre Argumente: Effizienz, Sparpotenzial und angeblich mehr Motivation zur schnellen Rückkehr in den Arbeitsmarkt.
Die Bundesagentur könnte jährlich über zwei Milliarden Euro sparen. Doch was passiert mit jenen, die länger brauchen, um wieder Arbeit zu finden? Welche Botschaft sendet ein solcher Kahlschlag an ältere Erwerbslose, die jahrzehntelang Beiträge gezahlt haben?
Wer wäre betroffen – und wie drastisch?
| Betroffene Gruppe | Mögliche Folgen |
| Jüngere Erwerbslose (< 50 Jahre) | Keine Veränderung gegenüber heute. Anspruch bleibt bei 12 Monaten. |
| Ältere Erwerbslose (50–57 Jahre) | Verlust von bis zu 6 Monaten ALG I. Kürzere Absicherung trotz hoher Einzahlungsdauer. |
| Erwerbslose ab 58 Jahren | Anspruch halbiert: Statt 24 nur noch 12 Monate ALG I. Erheblicher sozialer Abstieg droht. |
Die geplante Vereinheitlichung würde also ausgerechnet jene treffen, die am meisten verloren haben: ältere, langjährig Versicherte, oft mit gesundheitlichen Einschränkungen oder gebrochenen Erwerbsbiografien. Statt Anerkennung für Lebensleistung erwartet sie: ein Jahr Schonfrist, dann ab in die Grundsicherung.
ALG I kürzen heißt Perspektiven kappen
Für die Betroffenen bedeutet die Kürzung: Mehr Druck, weniger Zeit, geringere Planungssicherheit. Wer heute zwei Jahre Zeit hat, sich beruflich neu zu orientieren, umzuschulen oder gezielt nach einer passenden Stelle zu suchen, steht künftig schon nach einem Jahr mit dem Rücken zur Wand.
Die Folge: Schnellschuss-Vermittlungen in prekäre Jobs, fachfremde Stellen oder Minijobs. Von nachhaltiger Integration in den Arbeitsmarkt keine Spur. Der Verlust stabiler Arbeitsverhältnisse ist damit vorprogrammiert.
Gleichzeitig verlieren viele Betroffene Rentenansprüche, da ALG I-Zeiten rentenversichert sind – das gilt nicht mehr für das Bürgergeld. Wer früher in die Grundsicherung fällt, sammelt also weniger Rentenpunkte. Die Kürzung heute führt zur Altersarmut von morgen.
Arbeitsmarkt-Realität ignoriert
Wer glaubt, Erwerbslose würden schneller Arbeit finden, wenn man ihnen die Leistungen kürzt, verkennt die Realität am Arbeitsmarkt. Viele Stellen sind entweder nicht vorhanden, unpassend oder schlicht nicht zumutbar.
Gerade ältere Menschen, chronisch Kranke oder Alleinerziehende haben es schwer, einen passenden Job zu finden. Sie mit Zeitdruck zu überziehen, hilft niemandem – im Gegenteil: Der Stress steigt, das Selbstwertgefühl sinkt, psychische Belastungen nehmen zu.
Statt also an der Anspruchsdauer zu drehen, wären Investitionen in gute Vermittlungsarbeit, Qualifizierung und gezielte Unterstützung viel zielführender. Doch das kostet Geld – und genau das will man offenbar sparen.
Arbeitslosenversicherung verliert seine Glaubwürdigkeit
Das Arbeitslosengeld I war lange ein Versprechen: Wer einzahlt, wird im Fall der Fälle aufgefangen. Mit der geplanten Kürzung bräche der Staat dieses Versprechen. Warum überhaupt noch lange arbeiten, wenn am Ende alle gleich wenig bekommen?
Das Versicherungsprinzip würde ausgehöhlt, die Solidarität untergraben. Eine Vereinheitlichung auf 12 Monate wäre nicht nur unsozial, sondern auch systemgefährdend.
Wie geht es weiter?
Noch ist die Kürzung kein Gesetz – doch die Debatte zeigt, wohin die Reise gehen könnte. Eine arbeitgeberfreundliche Politik drängt auf Sparprogramme, während die Belange von Erwerbslosen und langjährig Beschäftigten zunehmend unter die Räder kommen.
Wer verhindert, dass Menschen in Ruhe und mit Unterstützung neue Perspektiven finden, riskiert soziale Verwerfungen und politischen Vertrauensverlust.
Fazit: Kürzung ist keine Lösung
Die geplante Verkürzung des Arbeitslosengeldes auf 12 Monate für alle ist kein Beitrag zu mehr Fairness oder Effizienz, sondern eine Gefahr für den sozialen Frieden. Wer lange gearbeitet hat, verdient mehr als ein Jahr Schonfrist.
Statt zu kürzen, braucht es gezielte Unterstützung, echte Perspektiven und eine solidarische Arbeitsmarktpolitik. Alles andere ist ein Rückschritt – für Betroffene, für das System, für die Gesellschaft.




