Klage gegen Studiengebühren beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Urteil des hessischen Staatsgerichtshofes politisch motiviert
Politische Urteile gehören auf den Prüfstand. Mit diesen Worten wurde am heutigen Tag von zwei Vertrauensleuten der hessischen Verfassungsklage gegen Studiengebühren eine Verfassungsbeschwerde gegen die Mehrheitsentscheidung des hessischen Staatsgerichtshofes beim Bundesverfassungsgericht erhoben.
Am 11. Juni diesen Jahres hatte die Mehrheit der Richter des höchsten hessischen Gerichtes, die noch von der alten CDU-Regierung ins Amt gewählt worden war, Studiengebühren entgegen zahlreicher juristischer Zweifel als vereinbar mit der hessischen Landesverfassung erklärt. Demgegenüber machten fünf der insgesamt elf Richter in einem Sondervotum deutlich, dass das Studienbeitragsgesetz nicht mit Artikel 59 Absatz 1 Satz 1 und 4 vereinbar sei. Wirtschaftlich leistungsfähig im Sinne der hessischen Verfassung, so die Minderheit, seien diejenigen, die sich ein Schulgeld während des Studiums leisten könnten. Die Herstellung nachträglicher Leistungsfähigkeit durch Studienbeitragsdarlehen sei deshalb nicht zulässig. Auch bedeute die Garantie der Unentgeltlichkeit des Unterrichtes, dass es nichts kostet, nicht aber dass man erst später zahlen muss.
Den zwei Vertrauensleuten schloss sich auch eine studierende Mutter aus Marburg und eine weitere Studentin, die die Landes-Asten-Konferenz repräsentiert, an. Unterstützt werden alle vier KlägerInnen vom bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren und dem hessischen DGB. Vor dem Bundesverfassungsgericht werden sie durch den Marburger Rechtsanwalt Dr. Peter Hauck-Scholz vertreten.
Die Verfassungsbeschwerde wird darauf gestützt, dass auch der Hessische Staatsgerichtshof an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden und daher verpflichtet ist, die hessische Verfassung „im Lichte“ des Grundgesetzes und der für ihn verbindlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszulegen, was im konkreten Fall nicht geschehen ist.
Zur Motivation der KlägerInnen erklärte Mike Josef, selbst einer der KlägerInnen und Student an der Universität Frankfurt: „Studiengebühren verstoßen aus unserer Sicht weiterhin gegen die hessische Landesverfassung. Daran ändert auch das politisch motivierte Urteil des hessischen Staatsgerichtshofes nichts. Wortlaut und Sinn der hessischen Verfassung wurden von der richterlichen Mehrheit eindeutig mit Füßen getreten. Die Entscheidung verkennt vor allen Dingen die finanziellen Belastungen, die Studierenden durch Studiengebühren während oder nach ihrem Studium entstehen. Insbesondere die Situation von Studierenden mit Kind und die Folgen für die Gleichstellung von Frauen und Männern werden nicht annähernd berücksichtigt.“
Julia Flechtner von der Landes-Asten-Konferenz Hessen und ebenfalls Klägerin ergänzte: „Das Urteil wird der Prüfung des Bundesverfassungsgerichts nicht Stand halten. Denn die Widersprüche zwischen der Meinung des Staatsgerichtshofes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sind unverkennbar. So steht etwa der Ansicht der richterlichen Mehrheit, Studiengebühren seien auch für bereits immatrikulierte Studierende zulässig, da sie aufgrund der politischen Debatte mit der Einführung selbiger hätten rechnen können, die Auffassung der Bundesrichter entgegen, dass erst die Verabschiedung eines Gesetzesentwurf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage entfallen lasse.“
Diese Ansicht teilt auch André Schnepper, Sprecher des bundesweiten Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren: „Auch wenn Studiengebühren auf politischem Wege mittlerweile wieder abgeschafft worden sind, darf ein solches Urteil nicht einfach im Raum stehen bleiben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Hessische Verfassung zukünftig nach eigenem Gutdünken ausgelegt und ihr Sinn immer mehr verwässert wird“, so Schnepper und fügte hinzu: „Natürlich geht es aber auch um die Frage, ob die Studierenden die bereits gezahlten Gebühren zurückerstattet bekommen oder nicht.“ (PM, ABM, 10.07.2008)
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