Keine Hartz IV Trendwende

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Wenn die Bundesagentur fรผr Arbeit von einer Trendwende spricht, sollte Obacht erste Bรผrgerpflicht sein

29.10.2013

Die Bundesagentur fรผr Arbeit (BA) hatte sich vermutlich bewusst die Bildzeitung als Multiplikator ausgesucht, um die sogenannte โ€žTrendwende bei Hartz IVโ€œ aus allen PR-Rohren hinaus zu senden. So seien laut โ€žBildโ€œ die Zahlen von Widersprรผchen und Klagen an den Sozialgerichten gesunken. Die Zeitung berief sich in ihrem Bericht auf eine โ€žSonderauswertungโ€œ der BA. Laut diesem Bericht seien bis zur Jahresmitte 279.990 neue Widersprรผche und 55.070 Klagen registriert worden. Das seien etwa 23.000 weniger Widersprรผche und gut 5000 weniger Klagen als Vorjahreszeitraum 2012.

Im Vergleich zu 2010 sei die Zahl der Widersprรผche sogar um 107.000 sowie die Zahl der Klagen um rund 15.000 zurรผckgegangen. Sogleich bemรผhte sich die Deutsche Presseagentur dpa eine Anfrage bei dem BA-Vorstandsmitglied, Heinrich Altโ€œ zu unternehmen. Dieser sprach von einer โ€žTrendwendeโ€œ und behauptet gar, dass dies am โ€žwachsendem Vertrauenโ€œ der Jobcenter liegen wรผrde. Und am Montag jubelte Alt in der Bild โ€žDie Trendwende ist geschafftโ€œ, nun gehe es aufwรคrts.

Doch das Jubeln hat vor allem fรผr Betroffene einen fahlen Beigeschmack. Denn nicht etwa sinkende Zahlen bei der Kinder- oder Altersarmut lieรŸ den obersten Behรถrdenchef entzรผcken, nein es waren die angeblich geringeren Hartz IV Klagen, die bei den Gerichten eingingen. Bei genauem Hinsehen ist der โ€žErfolgโ€œ jedoch eher dรผrftig. Nur 5000 weniger Klagen sind bei insgesamt 120.000 neu eingereichten Klagen im Vorjahr doch ein etwas dรผrftiges Ergebnis. Seit November 2012 warten nรคmlich etwa 204 000 Menschen auf eine Entscheidung bei einem Sozialgericht. Die meisten Sozialgerichte in Deutschland kommen nach wie vor nach eigenem Bekunden kaum hinterher, alle Klageerhebungen zeitnah zu bearbeiten.

So ist es auch kein Wunder, wenn Richter darauf hinweisen, dass vier von fรผnf Verfahren ohne Urteil beendet werden. รœbersetzt bedeutet diese, dass die Verfahrensgegner nรคmlich schon auf Hinweis des Gerichtes eine Einigung ohne Urteil erreichen, weil eine Seite (meistens die Leistungsbehรถrde) einlenken. Demnach hรคtten beispielsweise die Jobcenter eine Klage schon im Vorfeld vermeiden kรถnnen, wenn sie denn z.b. dem Antrag auf Mehrbedarf bei Diabetes stattgegeben hรคtten. Aber nein, um jeden Cent zu sparen, werden die Menschen geradezu dazu angehalten, sich mit Widersprรผchen und Klagen zu wehren.

Auch auffรคllig: Im Jahre 2010 waren nach Zรคhlungen der BA genau 4.894.285 Menschen auf das Arbeitslosengeld II angewiesen. Im Jahre 2013 sind es laut BA durchschnittlich 4.445.355 Personen in Deutschland, die Hartz IV beziehen mรผssen. Somit erscheint es nur logisch, dass bei sinkenden Bezugszahlen auch signifikant weniger Klagen eingereicht werden. Eine Trendwende, liebe Bundesagentur fรผr Arbeit, sieht daher anders aus. (sb)

Bild: berwis / pixelio.de