Während in modernen Unternehmen Supervision und Coaching Standard sind, um Teamarbeit zu verbessern, Konflikte am Arbeitsplatz zu erkennen und zu lösen, muss man derlei Selbstkritik in Jobcentern mit der Lupe suchen.
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Jobcenter ignorieren eigene Fehlleistungen
“Schuld” in den Augen der Mitarbeiter sind erst einmal die Bürgergeld-Leistungsberechtigten. Fehlleistungen innerhalb der Behörde werden hingegen ignoriert – von Versäumnissen über sachliche Unkenntnis bis hin zu Rechtsbrüchen gegenüber den Bürgergeld-Beziehern.
Mitarbeiter wollen mehr Sanktionen
So begrüßten, lauf der Zeitung Merkur, Mitarbeiter in Jobcentern die im Bundeshaushalt 2025 geplanten Verschärfungen der Bürgergeld-Regeln statt belegte eigene Probleme zu benennen, die dazu führen, dass Arbeitswillige nicht vermittelt werden oder Termine nicht eingehalten werden können.
Das verwundert nicht. Eine Studie in sieben Jobcentern in Nordrhein-Westfalen ergab ein klares Stimmungsbild: Mitarbeiter lehnten die relativen Erleichterungen ab, die das Bürgergeld für Leistungsberechtigte ursprünglich bot, und stellten sich gegen die Milderung von Sanktionen.
Die am Existenzminimum orientierten Regelsätze empfanden sie als zu hoch und forderten härtere Strafen gegen Leistungsberechtigte. Dies ergab eine Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Universität Bochum.
Mitarbeit der Jobcenter gegen Erleichterungen für Leistungsberechtigte
Beim Bürgergeld sollte anfangs die nachhaltige Qualifizierung für den regulären Arbeitsmarkt Vorrang haben vor der Vermittlung um jeden Preis, wie es bei Hartz IV der Fall war. 51 Prozent der befragten Beschäftigten der Jobcenter lehnten dies ab.
Befragte sind für Zwangsmaßnahmen
Deutlich bejahten die Befragten “Workfare”, also Maßnahmen, mit denen Leistungsberechtigte durch Zwang und angedrohte Sanktionen in Stellen gepresst werden. Die im Bürgergeld nach wie vor festgelegten Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen reichten den Befragten nicht aus.
Selbstbild der Jobcenter entspricht nicht der Realität
Klar wurde auch, dass die Befragten meinten, die Bürgergeld-Regelungen gut zu kennen, was im Widerspruch steht zu Urteilen von Sozialgerichten. Diese korrigieren nämlich regelmäßig Fehler wie Rechtsbrüche der Jobcenter zugunsten der Bürgergeld-Bezieher.
Für das Jobcenter sind die Leistungsberechtigten schuld
Die Befragten machten hingegen für Probleme vor allem die Leistungsberechtigten verantwortlich. Das sabotiert wiederum, was das Bürgergeld ursprünglich leisten sollte. Angekündigt war nämlich, dass diese Reform (im Gegensatz zum alten Hartz IV System), eine “Jobvermittlung auf Augenhöhe” anstrebte.
Strafen statt zusammen zu arbeiten
Die Bürgergeld-Idee war: Jobcenter-Mitarbeiter und Leistungsberechtigte sollten gemeinsam eine nachhaltige Integration in Erwerbstätigkeit erarbeiten. Ein Personal, das Bürgergeld-Bezieher nicht als Partner bei der Jobsuche ansieht, sondern als zu bestrafende “Problemfälle”, ist jedoch ungeeignet für eine solche Kooperation.
Jürgen Schupp, der Leiter der Studie, schließt: “Der Kulturwandel, den das Bürgergeld hätte einleiten sollen, scheint in den Jobcentern nicht angekommen zu sein.”
“Mitarbeiter sind überfordert”
Helena Steinhaus, die Gründerin der Initiative Sanktionsfrei e.V., sieht das Problem der Jobcenter nicht bei den einzelnen Mitarbeitern, sondern bei der fehlenden Finanzierung. Sie sagt, laut der Zeitung Neues Deutschland: “Mir erzählen viele, es bräuchte mehr Wärme, mehr Personal und mehr Zeit für das Personal.”
Das ND zitiert die soziale Aktivistin: “Wenn Mitarbeitende Sanktionen befürworten würden, dann weil mit der Einführung des Bürgergelds auch die Mittel der Behörden gekürzt worden und sie deswegen überlastet seien.”
Strukturelle Probleme werden auf Leistungsberechtigte abgewälzt
Für die Leistungsberechtigten spielt es letztlich keine Rolle, ob Mitarbeiter der Jobcenter schärfere Sanktonen befürworten, weil “Kooperation auf Augenhöhe” in ihrem Denken nicht existiert, oder wegen Personalmangels, fehlenden Mitteln und Überforderung.
Statt die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu organisieren, und statt die Strukturen zu verbessern, um dies zu ermöglichen, werden die Leistungsberechtigten bestraft.