Für viele Schwerbehinderte ist Mobilität eine Voraussetzung dafür, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen: Arzttermine, Reha, Besuche bei Familie, Arbeit oder Ausbildung – oft führt der Weg über die Schiene. Die BahnCard der Deutschen Bahn spielt dabei eine wichtige Rolle, weil sie Fahrten im Fern- und Nahverkehr spürbar vergünstigen kann.
Gleichzeitig greifen hier unterschiedliche Regelwerke ineinander: gesetzliche Nachteilsausgleiche nach dem Sozialgesetzbuch, Angebote der Deutschen Bahn, vergünstigte oder kostenlose Fahrten im Nahverkehr und Rabatte im Fernverkehr. Wer den Überblick behalten möchte, braucht etwas Hintergrundwissen – und genau das liefert dieser Beitrag.
Nachteilsausgleiche und Schwerbehindertenausweis
Schwerbehindert ist im sozialrechtlichen Sinn, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat. Die Feststellung erfolgt durch das Versorgungsamt oder die zuständige Behörde; als Nachweis dient der grüne Schwerbehindertenausweis mit orangefarbener Flächenprägung.
Mit diesem Ausweis sind verschiedene Nachteilsausgleiche verbunden. Für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ermöglicht ein Beiblatt mit Wertmarke häufig die unentgeltliche Nutzung von Bussen, Straßenbahnen und Nahverkehrszügen.
Besonders relevant sind die Merkzeichen G, aG, H, Bl und Gl: Wer diese Kennzeichnungen im Ausweis hat und eine Wertmarke erwirbt, kann vielerorts kostenlos im Nahverkehr fahren. Bestimmte Personengruppen – etwa Blinde, Hilflose oder Empfänger bestimmter Sozialleistungen – erhalten die Wertmarke sogar ohne zusätzliche Zahlung.
Wichtig ist allerdings diese Abgrenzung: Diese gesetzlich geregelten Nachteilsausgleiche betreffen vor allem den Nahverkehr. Im Fernverkehr (ICE, IC, EC, Nightjet) gilt grundsätzlich Ticketpflicht – dort ist der Schwerbehindertenausweis allein in der Regel kein Fahrschein. Hier kommt die BahnCard ins Spiel.
Was die BahnCard leistet – und was sie nicht ist
Die BahnCard ist ein Rabattprodukt der Deutschen Bahn. Sie ersetzt keine Fahrkarte, sondern reduziert den Preis von Tickets.
Die ermäßigte BahnCard 25 gewährt 25 Prozent Rabatt auf Flexpreis und Sparangebote im Fernverkehr, die ermäßigte BahnCard 50 halbiert den Flexpreis und reduziert Sparpreise um 25 Prozent. Das gilt jeweils innerhalb Deutschlands und in der gebuchten Wagenklasse.
Die ermäßigte BahnCard für schwerbehinderte Menschen ist kein gesetzlicher Anspruch, sondern ein freiwilliges Angebot der Deutschen Bahn, das an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Die Bahn definiert selbst, wer diese Karte vergünstigt erwerben darf und zu welchen Konditionen.
Wer die ermäßigte BahnCard bekommt: Voraussetzungen im Detail
Die Deutsche Bahn gewährt eine vergünstigte BahnCard 25 oder 50 zwei Personengruppen:
Zum einen Menschen, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen. Zum anderen schwerbehinderte Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70. Für diese Gruppe reicht ein GdB von 50 nicht aus; erst ab GdB 70 wird die ermäßigte BahnCard angeboten.
Deutsche Bahn
Der Nachweis erfolgt in der Praxis über eine Kopie des Schwerbehindertenausweises oder über einen Rentenbescheid für die volle Erwerbsminderungsrente. Beim Online-Kauf können diese Dokumente als Datei hochgeladen werden, beim Erwerb im Reisezentrum werden sie vor Ort vorgelegt.
Damit ergibt sich eine Besonderheit. Die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch beginnt bereits bei GdB 50, viele Mobilitätsvorteile der BahnCard sind jedoch an GdB 70 geknüpft.
Wer zwischen 50 und 60 oder 60 und 70 Prozent GdB liegt, profitiert zwar von anderen Nachteilsausgleichen (etwa Wertmarke im Nahverkehr), kann die BahnCard aber nicht ermäßigt erwerben.
Preise und Rabatte: Wie viel lässt sich mit der ermäßigten BahnCard sparen?
Für schwerbehinderte Kundinnen und Kunden mit GdB ab 70 sowie für Personen mit voller Erwerbsminderungsrente gelten deutlich reduzierte Preise. Stand 2025 kosten die ermäßigten BahnCards:
Die ermäßigte BahnCard 25 in der zweiten Klasse liegt bei 40,90 Euro im Jahr, in der ersten Klasse bei 81,90 Euro. Die ermäßigte BahnCard 50 kostet 122 Euro in der zweiten und 241 Euro in der ersten Klasse.
Regulär würden diese Produkte etwa das Doppelte kosten. Damit ergibt sich – neben den Rabatten auf die Tickets – bereits bei Anschaffung der Karte selbst eine deutliche Entlastung. Für Vielreisende mit regelmäßigem Fernverkehrsbedarf können auf diese Weise mehrere Hundert Euro pro Jahr eingespart werden.
Der Rabatt wirkt: Die BahnCard 25 reduziert Flex- und Sparpreis um ein Viertel. Die BahnCard 50 halbiert den Flexpreis und senkt Sparangebote um ein Viertel.
Für Schwerbehinderte, die häufig kurzfristig buchen oder flexibel reisen müssen, kann die BahnCard 50 besonders interessant sein; wer dagegen konsequent frühzeitig Sparangebote nutzt, fährt oft mit der BahnCard 25 kombiniert mit günstigen Tickets sehr wirtschaftlich.
Laufzeit, Verlängerung und Kündigung: Was schwerbehinderte Reisende wissen sollten
Die ermäßigte BahnCard 25 oder 50 gilt jeweils zwölf Monate ab dem ersten Geltungstag. Sie verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn sie nicht bis vier Wochen vor Ablauf gekündigt wird. Das gilt auch für die ermäßigte Variante: Wer nicht rechtzeitig reagiert, bekommt automatisch eine Folgekarte.
Die Kündigung ist in Textform möglich, zum Beispiel online über das DB-Kundenkonto im Bereich „BahnCard“. Dort lässt sich üblicherweise auch erkennen, bis wann eine Kündigung möglich ist. Wird rechtzeitig gekündigt, endet die Gültigkeit nach Ablauf der zwölf Monate automatisch.
Auch die ermäßigte BahnCard gibt es zunehmend als digitale Karte in der App „DB Navigator“. Eine physische Plastikkarte wird nicht unbedingt benötigt, kann aber – je nach Angebotsstand – weiterhin verfügbar sein. Wer unsicher im Umgang mit der App ist, sollte sich im Reisezentrum unterstützen lassen oder gezielt nach analogen Alternativen fragen.
Ergänzung zu gesetzlichen Freifahrten: Wie Wertmarke und BahnCard zusammenspielen
Viele schwerbehinderte Menschen fragen sich, ob die BahnCard überhaupt sinnvoll ist, wenn sie bereits mit Wertmarke im Nahverkehr kostenlos fahren können. Die Antwort hängt stark vom individuellen Reiseverhalten ab.
Die Wertmarke berechtigt in Kombination mit dem Schwerbehindertenausweis zu kostenlosen Fahrten im Nahverkehr: in Regionalzügen (IRE, RE, RB, S-Bahn), vielen Bussen und Straßenbahnen sowie in zahlreichen Verbundsystemen.
Im Fernverkehr gilt hingegen Ticketpflicht; der Schwerbehindertenausweis alleine reicht dort nur in wenigen, speziellen Konstellationen aus, etwa auf bestimmten freigegebenen Strecken oder wenn Fernverkehrszüge vorübergehend für Verbundtickets geöffnet werden.
Wer regelmäßig ICE, IC oder Nachtzüge nutzt, braucht daher grundsätzlich ein ganz normales Ticket – mit oder ohne BahnCard-Rabatt.
Die praktische Konsequenz lautet: Wertmarke und BahnCard schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.
Die Wertmarke entlastet im Nahverkehr, die BahnCard reduziert vor allem Kosten im Fernverkehr sowie auf vielen Verbindungen, bei denen die BahnCard auch in Verbund- oder Landestarifen anerkannt wird.
Begleitperson, Assistenzhund und Reservierungen: Welche Sonderrechte zusätzlich gelten
Neben den Ticket- und BahnCard-Regelungen gibt es für schwerbehinderte Menschen weitere Vorteile, die die Deutsche Bahn zum Teil direkt aus den gesetzlichen Vorgaben ableitet.
Wer im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen B eingetragen hat, darf eine Begleitperson in der Regel kostenlos mitnehmen. Diese Begleitperson erhält eine sogenannte Nullpreis-Fahrkarte, die wie ein Ticket ausgestellt, aber nicht berechnet wird. Auch Assistenz- und Blindenführhunde fahren in den Zügen der Deutschen Bahn kostenfrei mit, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.
Zusätzlich haben schwerbehinderte Reisende mit Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson Anspruch auf kostenlose Sitzplatz- oder Rollstuhlstellplatz-Reservierungen – bis zu zwei pro Fahrt im Fernverkehr. Diese Reservierungen werden über die Mobilitätsservice-Zentrale oder in DB-Reisezentren ausgegeben.
Orthopädische Hilfsmittel wie Rollstuhl, Rollator oder Gehhilfe werden ebenfalls kostenfrei transportiert. Beim Gepäckservice der Bahn gibt es zudem eine kleine Preisreduktion; für Menschen mit Merkzeichen G oder aG kann ein rollstuhlgerechtes Hilfsmittel bis zu einem bestimmten Gewicht sogar kostenlos verschickt werden.
Für viele schwerbehinderte Reisende besonders wichtig ist die Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn. Sie koordiniert Einstiegshilfen, Umstiege und Ausstiege, unterstützt bei Reservierungen und kann Nullpreis-Fahrkarten oder Begleitkarten organisieren. Eine frühzeitige Anmeldung, meist 24 Stunden vor Abfahrt, wird dringend empfohlen.
Typische Alltagssituationen: Wann die ermäßigte BahnCard besonders sinnvoll ist
Wie sehr sich die ermäßigte BahnCard lohnt, hängt stark vom persönlichen Alltag ab. Einige typische Konstellationen zeigen die Unterschiede:
Eine berufstätige Person mit schwerer Behinderung, die wöchentlich mit dem ICE zur Arbeit pendelt, zahlt selbst mit Wertmarke reguläre Fernverkehrstarife. Hier kann schon eine ermäßigte BahnCard 50 schnell mehrere Hundert Euro pro Jahr einsparen, vor allem wenn die Fahrten häufig spontan gebucht werden.
Eine Rentnerin mit GdB 80, die im Umland lebt und ihre Enkel in einer weiter entfernten Stadt nur einige Male im Jahr besucht, könnte mit einer ermäßigten BahnCard 25 gut fahren.
Die Wertmarke deckt den Nahverkehr ab, für gelegentliche Fernreisen senkt die BahnCard 25 die Kosten merklich, ohne dass sich die höhere Jahresgebühr der BahnCard 50 aufdrängt.
Ein junger Erwachsener mit GdB 70, der studiert und regelmäßig zwischen Studienort und Heimat pendelt, kann von einer ermäßigten My BahnCard 25 oder 50 profitieren. Hier greifen gleich mehrere Angebote: ermäßigter BahnCard-Preis, zusätzliche Vorteile für junge Leute und eventuell Landes- oder Semestertickets, die Nahverkehrsanteile ohnehin abdecken.
Diese Beispiele machen deutlich: Die BahnCard für schwerbehinderte Menschen ist kein Automatismus, sondern ein Instrument, das sich im Einzelfall genau durchrechnen lässt.
Entscheidungshilfe: Wann lohnt sich die ermäßigte BahnCard wirklich?
Verbraucherportale empfehlen seit Jahren, vor dem Kauf einer BahnCard das eigene Reiseverhalten nüchtern zu analysieren. Wer nur ein- oder zweimal im Jahr mit dem ICE fährt, fährt häufig mit einzelnen Sparpreis-Tickets günstiger, während Vielfahrer mit BahnCard klar im Vorteil sind.
Für schwerbehinderte Menschen kommen einige zusätzliche Fragen hinzu.
Wie oft nutze ich Fernverkehrszüge im Jahr, und welche Strecken liegen typischerweise an?
Kann ich Fahrten früh planen, um Sparpreise mit BahnCard-Rabatt zu kombinieren, oder bin ich auf flexible Buchung angewiesen?
Nutze ich bereits die Wertmarke und fahre im Nahverkehr überwiegend kostenlos, sodass die BahnCard fast ausschließlich für Fernreisen relevant ist?
Gibt es in meinen Regionen Verbund- oder Landestarife, die die BahnCard akzeptieren und so auch im Nahbereich zusätzliche Rabatte eröffnen?
Als grober Maßstab gilt: Wer im Laufe eines Jahres Ticketkosten von einigen Hundert Euro im Fernverkehr erreicht, sollte immer prüfen, ob sich die ermäßigte BahnCard rechnet. Wenn dazu noch Flexibilität erforderlich ist – etwa wegen gesundheitlich bedingter Terminverschiebungen – steigt der Nutzen einer BahnCard 50 deutlich.




