Keine Rechte beim Amt: Wenn die Eingliederungsvereinbarung erzwungen werden soll
Ein "Kunde" des Jobcenters Köln sollte eine Eingliederungsvereinbarung unterschreiben. Dieser wollte die Eingliederungsvereinbarung jedoch erst nach eingehender, rechtlicher Prüfung unterschreiben oder sich für einen Gegenvorschlag entscheiden. Auch das Nichtunterschreiben der EGV, Eingliederungsvereinbarung, war für ihn eine Option. Immerhin kann eine EGV auch einen Eingriff in die Vertragsfreiheit bedeuten.
Obwohl der "Kunde" drei Mal darauf hingewiesen hat, dass er sich Bedenkzeit erbeten möchte, forderte ihn die Sachbearbeitung auf, den Vertrag zu unterzeichnen, da der Steuerzahler, der dem Kunden das Geld zum Überleben gibt, ein Recht darauf hätte.
Erst nach dem dritten Hinweis auf sein Recht der Bedenkzeit wurde dem Kunden die EGV mitgegeben. Nach dem der "Kunde" sich vom Druck und der Unverschämtheit der Sachbearbeitung gelöst hatte formulierte er eine Feststellungsklage für das Sozialgericht. Neben den üblichen Bedingungen, die das Jobcenter in einer EGV hineinschreibt, welche aber dort gar nicht stehen dürfen, da sie ohnehin schon im SGBII enthalten sind, wehrt sich der "Kunde" vor allem gegen die der EGV zugehörigen Sanktionsandrohung. So soll das Sozialgericht nicht nur feststellen, ob es sich um ein sanktionsfähiges Rechtsverhältnis handelt oder nicht, sondern auch, ob die Sanktionen verfassungswidrig sind oder nicht. So heißt es zu diesem Punkt in der Klageschrift:
"Ich halte die EGV auch insofern für Rechtswidrig, da sie mich mit dem Entzug meiner Existenzgrundlage bedroht. In der der EGV zugehörigen Rechtsfolgenbelehrung wird mit Sanktionen von bis zu 100% gedroht. Unabhängig der Urteile des BVerfG zu den Regelsätzen, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, vom 09. Februar 2010 und vom 18. Juli 2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz, BVerfG v. 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, Abs-Nr. 89, in denen das Existenzminimum als Grund- und Menschenrecht anerkannt wurde und stets verfügbar sein muss, ergibt sich die Verfassungswidrigkeit schon daraus, dass die Kürzungsnormen im SGB II ganz offensichtlich keine auf einer Bedarfberechnung beruhenden, das Grundrecht in diesem Sinne ausgestaltende Normen sind. Eine Sanktion führt immer zum Schwinden des „unverfügbaren“ Existenzminimums, einzig zum Zwecke der Bestrafung. Es fehlt jeder Zusammenhang der nach einer Kürzung verbleibenden Leistungshöhe mit dem existenznotwendigen Bedarf der Betroffenen. Schon deswegen sind diese Regelungen verfassungswidrig. Die Voraussetzung für die Gewährung des Existenzminimums kann nämlich nur die gegenwärtige Bedürftigkeit, bzw. die objektive Notwendigkeit sein. Der Gesetzgeber hat mit den Sanktionsnormen die volle Erbringung der Leistungen zur Deckung des Existenzminimums stattdessen an ein regelkonformes Verhalten der Betroffenen geknüpft. Im Moment der Kürzung spielt es überhaupt keine Rolle, was zum Überleben benötigt wird."
Vermutlich wird ein Sozialgericht eine Verfassungswidrigkeit nicht feststellen können. Aber möglicherweise geht, was diesen Punkt betrifft, die Klage ihren Instanzenweg.
Interessant an diesem Punkt ist, dass hier nicht speziell auf das Existenzminimum eingegangen wird, sondern die Sanktionsnormen an sich in Frage gestellt werden. Viele Widersprüche, die auch in Klagen münden, verweisen, -wahrscheinlich auch zu Recht-, auf die Verfassungswidrigkeit der Absenkung des Existenzminimums. Dies ist aber vermutlich nicht nur der einzige Punkt an denen Sanktionen verfassungswidrig sein könnten.
Mit dem o.g. Klagepunkt hat der "Kunde" auch teilweise eine Formulierung übernommen, die der Bundesrichter a.D., Wolfgang Nescovic, in einem Aufsatz verwendete. Dieser stellt Sanktionen in Frage, da sie aus seiner Sicht aus eben diesem Punkt verfassungswidrig sind. (LEO)
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