Hartz IV: Vorlage von Kontoauszügen

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Hartz IV & Kontoauszüge? ARGE darf nur die aktuellen verlangen!

Viele Fragen löst seit einigen Wochen ein Formular der Celler Agentur für Arbeit, mit dem in "Ergänzung zum Folgeantrag" Daten erghoben werden. Unter anderem verlangt die Agentur dabei die lückenlose Vorlage der Kontoauszüge der letzten beiden Monate. Dies ist nach einemBeschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen unzulässig (L 6 AS 378/07 ER vom 12.07.2007).
In Braunschweig hatte ein Erwerbsloser sich geweigert, der dortigen Agentur für Arbeit in Ergänzung zu seinem Folgeantrag die dort geforderten Kontoauszüge der letzten 12 Monate einzureichen. Die Agentur sperrte daraufhin die Leistungen. Das LSG Niedersachsen-Bremen gab dem Erwerbslosen in einem Einstweiligen Anordnungsverfahren allerdings recht. Es muss der Agentur genügen, wenn die aktuellen Kontoauszüge vorgelegt werden. Hier Auszüge aus dem Beschluss:

"Die Pflicht, Tatsachen anzugeben und Beweisurkunden vorzulegen, ist beschränkt auf ihre Erheblichkeit für die Leistung (§ 7, 60 SGB 1). Zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit über [das Datum der Folgeantragstellung] hinaus ist die Kenntnis von Kontoaus-zügen über den zurückliegenden Jahreszeitraum indes grundsätzlich nicht erheblich. Das behauptet auch die Antragsgegnerin nicht. Vielmehr soll die Prüfung ‘zur Vermeidung und Aufdeckung ungerechtfertigter und/oder zu hoher Leistungszahlungen beitragen’. Damit stellt die Antragsgegnerin die Behauptung eines (unerkannten) Leistungsbetruges in erheblichem Umfang, der indes empirisch nicht belegt ist, auf und verdächtigt Hilfesuchende, die über einen längeren Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, pauschal, bislang nicht wahrheitsgemäße Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht zu haben. Allein dass die Antragsteller über einen längeren Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen rechtfertigt nicht, ihre Angaben im schriftlichen Antrag vom … nicht zu glauben. Ein pauschaler Allgemeinverdacht gegenüber Hilfesuchenden, die über einen längeren Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, ist nicht ausreichend, um die Offenlegung von Kontenbewegungen über einen Zeitraum von 1 Jahr zu verlangen […].

Um die Anforderungen des Datenschutzrechts (§ 7, 35 SGB 1) zu erfüllen, ist die Mitwirkung auf ihre Leistungserheblichkeit beschränkt (Mrozynski, SGB I Komm 3. Aufl 2003, § 7 60 Rn 19). Ohne das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für nicht wahr-heitsgemäße Angaben von Hilfesuchenden ist das Verlangen, Einsicht in die Kontoaus-züge des zurück liegenden Jahres zu nehmen, eine durch § 7 60 SGB I nicht gedeckte Ermitt-lungstätigkeit (so auch Hess LSG Beschluss vom 22. August 2005 – L 7 AS 32/05 ER). Eine gegenteilige Auffassung wird – soweit für den Senat ersichtlich – in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten. […] Jedenfalls bei einem ‘Fortzahlungs-antrag’ ohne jeden Anhaltspunkt für nicht wahrheitsgemäße Angaben der Antragsteller genügt die Vorlage aktueller Konto-auszüge, die hier erfolgt ist."

Mit dem Verweis auf diesen Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen dürfte es auch gegenüber der Celler Agentur für Arbeit ausreichend sein, einen aktuellen Kontoauszug vorzulegen und nicht – wie im Formular gefordert – die der letzten zwei Monate.

Formular stiftet weitere Verwirrung
Das Formular "Ergänzung zum Fortzahlungsantrag vom …" stiftet übrigens auch in einigen anderen Punkten Verwirrung. So wird in Frage 5, 6, 10 und 12 nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen von "Familienangehörigen" gefragt. Dabei kennt das SGB II den Begriff "Familienangehörige" im prinzip nicht; und das hat seinen guten Grund, denn es geht eben nie um "Familienangehörige", sondern immer nur um "Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft" leben. Es ist also unerheblich, ob z.B. der Bruder ein Vermögen hat oder nicht; jedenfalls nicht, wenn er nicht mit dem Antragsteller in einer Wohnung lebt.

Die Agentur für Arbeit sollte dieses missverständliche Formular zurückziehen.
Dass dieses Formular mit heißer Nadel gestrickt ist und den Anforderungen an Datenschutz und Erfordernissen des SGB II unserer Ansicht nach nicht gerecht wird, zeigt ein weiterer Punkt: Unter 10 wird gefragt, ob man in den letzten zehn Jahren Vermögen verschenkt oder gespendet habe und auch "oder haben Sie Schenkungen erhalten". Letzteres ist unerheblich – jedenfalls für den Zehnjahreszeitraum, der nur für den ersten Teil der Frage Geltung beanspruchen kann. – Um es an einem Beispiel zu sagen: Ob man vor fünf Jahren, als man noch gearbeitet hat, eine Schenkung von der Großmutter erhalten hat, spielt keine Rolle. (Selbstverständlich ist ein Hilfeempfänger verpflichtet, eine Schenkung oder Erbschaft während des Leistungsbezugs zu melden.) (Erwerbslosen-Ini Celle, 29.12.07)