Verlust der Vertraulichkeit des Wortes. Ein Leser Artikel über Gerichtsverfahren ARGE vs. Hartz IV Betroffenen
Herr Dr. B. hat sich als ARGE-Kunde wiederholt über seine Fallmanagerin beschwert, weil diese die Vertraulichkeit des Wortes nicht gewahrt hatte. Zum einen sprach sie mit zumindest einer anderen Kundin über seinen Fall, durch die Herr Dr. B. dies erfuhr.
Zum anderen musste er wiederholt Kontoauszüge vorlegen, so auch am prozessgegenständlichen Tag. Da der Gesetzgeber über die wiederholte Vorlage von Kontoauszügen in der ARGE keine klare Regelung getroffen hat, fühlte sich Dr. B. verständlicherweise schikaniert.
Insgesamt lässt sich die Beschwerdebegründung von Herrn Dr. B. nachvollziehen. Da er mit seinen Beschwerden und der Bitte um Zuteilung einer/s verschwiegenen Kundenbetreuers/in erfolglos blieb, kam er im Februar mit einer Aktentasche, an die deutlich sichtbar ein Mikrofon angeklemmt war und einem in Folie eingewickelten defektem Tonbandgerät zur ARGE um weisungsgemäß Kontoauszüge vorzuzeigen. Dort wurde er von seiner Kundenbetreuerin aufgefordert, das Gerät auszuschalten. Die Kundenbetreuerin und der Oberbürgermeister der Stadt München beantragten wegen dieses Vorfalls einen Strafbefehl wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Dem folgte die Staatsanwaltschaft und erließ einen Strafbefehl über 30
Tagessätze a 20,- Euro.
Am 6.11.07 wurde Dr. B.’s Einspruch gegen den Strafbefehl vor dem nicht mehr königlichen, aber bayerischen Amtsgericht verhandelt. Dr. B. musste zuerst seine Personalien angeben, sein Doktortitel war aus den Akten nicht ersichtlich. Auf die Frage des Richters, wie es denn zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf gekommen sei, erklärte Dr. B.: Er habe mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen seine "Fallmanagerin" angestrengt, er habe auch beim Leiter der ARGE um Zuteilung einer/s
anderen Fallmanagers/in gebeten; ohne Erfolg! Daher habe er versucht durch Provokation eine größere Öffentlichkeit und Hilfe zu erreichen. Sein Recorder habe überhaupt nicht funktioniert. Er sei kaputt.
Jetzt hätte der Richter erfragen können, welche Vorwürfe Herr Dr. B. gegen seine Betreuerin erhebt. Stattdessen beschäftigte er sich lieber mit dem Gerät, das zuerst überhaupt nicht funktionierte. Der Richter vermutete Batterieschwäche, Dr. B.’s Verteidiger hielt dem entgegen Vor- und Rücklauf funktioniere — Überprüfung — dann versuchte der Herr Richter die Tasten mit mehr Kraft zu drücken, freute sich: "Es funktioniert doch!" ; dann: "aber schlecht!", "man hört kaum was." Und plötzlich hatte er Bandsalat in den Fingern. Dem folgte das Eingeständnis: "Ich glaub’, jetzt hab’ ich’s ganz kaputt gemacht!" Dann wandte er sich an den Angeklagten: " Und Sie sagen, dass Sie der Frau D. (Herrn Dr. B.’s Kundenbetreuerin) gesagt haben, dass das Gerät "nicht an
war". Großes Kopfschütteln!
Es folgte die Zeugenvernehmung der drei Damen vom Amt, von denen eine die Strafanzeige erstattet hatte. Es fiel auf, dass sie ihren Wohnsitz im Gegensatz zu Herrn Dr. B. nicht nennen mussten. Sie bestätigten, dass der Angeklagte gesagt hätte: "Das Gerät ist nicht an." Dass sie seinem Wort nicht vertraut hatten, beweist die Strafanzeige. Das Gerät sei in Folie gewickelt und eine Taste gedrückt gewesen. Merkwürdigerweise befragte der Richter die Hauptzeugin nicht, ob überhaupt ein von ihr gesprochenes Wort hätte aufgezeichnet werden können. Dafür befragte er sie, warum sie sich die Kassette nicht herausgenommen hätte, bzw. sie nicht herausgeben hätte lassen, um die Vertraulichkeit ihres Wortes zu wahren, was sie mit der Gegenfrage beantwortete: "Hätte ich das denn tun können?" Erstaunlich war jedoch die fehlende Frage nach der Verhältnismässigeit ihrer Strafanzeige.
Alle drei Damen machten Fahrtkosten geltend. Der Staatsanwalt bestand darauf, dass der 63-jährige Hartz IV-Empfänger
Dr. B. nach §153a Abs.2 (wohl StPO) seine Anwaltskosten selber tragen müsse und das war’s dann. (16.11.07, Roberta R.)
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