Hartz IV: Vergessener Meldetermin ohne Sanktion

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Ein vergessener Meldetermin beim Jobcenter ist noch kein Grund fรผr eine Leistungskรผrzung

02.10.2012

Geplatzte Termine werden von Seiten der Jobcenter ausnahmslos mit Sanktionen belegt. Das bedeutet, dass die Hartz IV Regelleistungen um 10, 20, 30 oder sogar um 100 Prozent fรผr drei Monate gekรผrzt werden. Das Sozialgericht Chemnitz (AZ: S 21 AS 2853/11) zeigte jedoch Erbarmen und setzte der โ€žSanktionswutโ€œ des Jobcenters eine deutliche Grenze. In der Urteilsbegrรผndung hieรŸ es, dass ein โ€žvergessener Termin nicht eine Sanktion zur Folge haben muss.โ€œ Denn in dem verhandelten Fall konnte die Klรคgerin glaubhaft machen, dass keine Absicht sondern ein Versagen vorlag. Das kann jedem Menschen, trotz entsprechender Vorkehrungen, einmal passieren.

Etwas vergessen liegt in der Natur des Menschen. Jeder hat schon einmal einen wichtigen Termin vergessen, obwohl diese zum Beispiel deutlich im Kalender eingetragen war. Das sah im Fall einer jungen Mutter das Jobcenter Vogtland jedoch gรคnzlich anders und veranlasste eine Leistungskรผrzung um 10 Prozent. Geld, dass der Mutter fehlte, um die eigene Familien ausreichend zu versorgen.

Junge Mutter merkte sich das falsche Datum
Im konkreten Fall hatte das Jobcenter die Klรคgerin wรคhrend ihrer Elternzeit zu einem Termin in die Behรถrde geladen. Dort sollte geklรคrt werden, wann die Elternzeit der Hartz IV Betroffenen wieder endet. Doch obwohl die Betroffene die Einladung gelesen hatte und mit einem Magneten an den Kรผhlschrank heftete, erschien sie erst einen Tag spรคter in der Behรถrde. Dort gab sie an, dass sie sich einen falschen Termin gemerkt hatte. Ihrem zustรคndigen Sachbearbeiter konnte sie dennoch die geforderte Auskunft erteilen.

Menschliches aber entschuldbares Versagen kannte die Behรถrde offensichtlich dennoch nicht und kรผrzte die Hartz IV-Regelleistungen aufgrund des โ€žVerstoรŸes gegen die Meldepflichtโ€œ um 10 Prozent fรผr drei Monate. Nach einem erfolglosen Widerspruch klagte die Betroffene vor dem Sozialgericht Chemnitz und bekam Recht zugesprochen. Die Sozialrichter hoben die Leistungskรผrzung auf. Das Gericht sah die Verhรคngung der Sanktion insgesamt als โ€žunverhรคltnismรครŸigโ€œ an.

VerhรคltnismรครŸigkeit muss gewahrt bleiben
Die Richter urteilten: โ€žDer Grundsatz der VerhรคltnismรครŸigkeit ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und der Grundrechte. Ein Eingriff in die Rechte des Bรผrgers darf nicht auรŸer Verhรคltnis zur Bedeutung der Sache stehen. Die Kรผrzung der Regelleistung stellt einen erheblichen Eingriff dar.โ€œ

Die Hartz IV Regelleistungen sind die Untergrenze dessen, was notwendig ist, um ein menschenwรผrdiges Dasein des Leistungsbeziehers zu sichern. Eine Unterschreitung dessen sei aus diesem Grund โ€žnur bei schwerwiegendem Fehlverhalten gerechtfertigtโ€œ, so die Richter. Ein solch schwerwiegendes Fehlverhalten konnte das Gericht hier nicht erkennen.

Keine Sanktionen bei Versagen des Betroffenen
Nach Ansicht der Sozialrichter โ€žhat ein Versagen vorgelegen, wie es jedem trotz entsprechender Vorkehrungen einmal passieren kannโ€œ. Zu berรผcksichtigen sei auch, โ€ždass negative Folgen fรผr die behรถrdliche Arbeit und den mit der Meldepflicht verfolgten Zweck nicht eingetreten sindโ€œ. Denn die Klรคgerin habe am darauffolgenden Tag ihrem Jobvermittler mitgeteilt, wann die Elternzeit endet. Im รœbrigen, so mahnten die Richter, hรคtte diese Frage auch telefonisch oder schriftlich erรถrtert werden kรถnnen. Das Urteil ist rechtskrรคftig. (sb)