Hartz IV: Schluss mit der Willkür bei der Ortsabwesenheit

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Wer arbeiten gehen kann und Geld vom Jobcenter bekommt, muss fürs Jobcenter erreichbar sein. Sonst drohen Sanktionen und Rückforderungen. Das wissen die meisten Erwerbslosen aus leidvoller Erfahrung. Doch der Teufel steckt wie immer beim Jobcenter im Detail. Denn was heißt das eigentlich: erreichbar sein? Und muss man auch zu Hause sitzen, wenn man bekanntermaßen gar nicht arbeiten kann? Zu diesen und anderen Fragen gibt es beim Arbeitsministerium (BMAS) seit inzwischen neun Jahren keine klare Linie. Die Folge: Wenn Hartz IV-Betroffene ihren Wohnort verlassen, sind sie der Willkür der Jobcenter ausgesetzt. Jetzt musste der Bundestag einschreiten, damit das SPD-geführte Arbeitsministerium endlich seinen Aufgaben nachkommt und die Sache klärt.

Überholtes Gesetz wird angewandt

Das Problem ist bekannt – zumindest außerhalb des Arbeitsministeriums: Die Jobcenter entscheiden über Ortsabwesenheiten seit Jahren nach einem Gesetz, das gar nicht mehr gelten sollte: § 7 Abs. 4a SGB II in der Fassung von 1997. Das Gesetz ist vage und das mit gutem Grund: Es überträgt einfach Regeln für Arbeitslosengeld I-Empfänger auf Hartz IV-Betroffene und ist entsprechend nicht für deren besondere Situationen gemacht. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn diese Übergangslösung genau das geblieben wäre: Eine Übergangslösung. Doch aus dem Provisorium ist längst ein Dauerzustand geworden. Und das mit gravierenden Folgen: Im Moment entscheiden die Jobcenter quasi nach Gusto, für wen sie welche Regeln anwenden.

Vage Regelungen müssen konkretisiert werden

Die Voraussetzungen für klare Regelungen gibt es eigentlich längst: Schon 2011 hat der Gesetzgeber ein neues Gesetz zur Ortsabwesenheit erlassen. Die Neufassung des Paragrafen sollte endlich Antworten auf folgende Fragen bringen:

  • Wer muss vor Abwesenheiten nach Erlaubnis fragen? Eltern mit kleinen Kindern, oder Kranke können ohnehin nicht arbeiten. Müssen sie wirklich permanent für die Jobcenter erreichbar sein?
  • Was ist der Nahbereich eigentlich? Geht es um die Entfernung zum zuständigen Jobcenter oder zum Wohnort? Geht es um die Entfernung in Kilometern oder die Zeit bis man wieder da sein kann?
  • Wie lange darf man sich aus dem Nahbereich entfernen? Im Moment werden Abwesenheiten zwischen 3 und 17 Wochen bewilligt.
  • Muss man immer zu Hause sein, um erreichbar zu sein? Reicht es nicht aus, wenn man Post bekommen kann, weil beispielsweise jemand anders mit Erlaubnis Briefe öffnet und den Inhalt weiterleitet?

Diese Fragen müsste das Arbeitsministerium in einer konkreten Rechtsvorschrift klären. Doch die unklare Situation ist anscheinend so bequem, dass das Ministerium die Erlassung einer verbindlichen Rechtsvorschrift seit 2011 verschleppt. Der Bundesrechnungshof hat das Problem schon im vergangenen Jahr benannt und das Arbeitsministerium aufgefordert, die längst überfällige Regelung nachzuliefern.

Arbeitsministerium will nicht zuständig sein

Das BMAS sah aber keinen Handlungsbedarf. Die aktuellen Vorgaben seien ausreichend. Dass diese Vorgaben sich gegenseitig widersprechen und sich jedes Jobcenter daraus seine eigenen Regeln bastelt – geschenkt! Außerdem, so erklärte das Ministerium, müsste die die Arbeitsagentur erst neue Regeln für ALG I-Bezieher erlassen. Dann könnte man die eigenen Rechtsvorschriften daran anpassen. Mit anderen Worten: Man hat gar nicht vor, eine eigene Regel für Hartz IV-Bezieher zu erlassen. Die längst fälligen Verbesserungen für Erwerbslose in besonderen Situationen will man gar nicht erst in Angriff nehmen. Die Folge: Besonders die schwächsten Hartz IV-Betroffenen wie Eltern mit kleinen Kindern und Kranke sind bei diesem Beamtenmikado die Leidtragenden.

Bringt der Juni endlich Klarheit?

Der Bundestag schritt schließlich ein und verpflichtete das BMAS, bis spätestens zum 31.05.2019 eindeutige Regelungen vorzulegen. Jetzt ist die Frage: Wird das SPD-Ministerium endlich Verbesserungen für Erwerbslose beschließen und der aktuellen Behördenwillkür einen Riegel vorschieben?

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