Hartz IV Regelbedarfsermittlung verfassungswidrig? Gericht sieht gute Chancen des Obsiegens und gewährte Prozesskostenhilfe
11.10.2012
Laut eines Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (NRW) gäbe es Anzeichen dafür, dass für die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der Hartz IV Regelbedarfsermittlung gute Chancen für ein „Obsiegens“ bestehen. Daher wurde dem Kläger seitens des Gerichts die Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt (Aktenzeichen: L 7 AS 1769/11 B).
So heißt es in dem Beschluss: Diese gute Möglichkeit des Obsiegens ist „unter Berücksichtigung des Vortrages der Kläger, die Ermittlung des Regelbedarfs entspreche nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Gesetzgeber aufgegeben habe, für den streitigen Zeitraum von Anfang Januar 2011 bis Ende September 2011 zu bejahen. Es handelt sich nach Auffassung des Senats um die bisher nicht geklärte Rechtsfrage, ob das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG SGB II, SGB XII ÄndG) die vom BVerfG aufgezeigten Anforderungen erfüllt (BVerfG, Aktenzeichen 1BVL109 1 BvL 1/09, Rn. 139ff.).“
Ob der Gesetzgeber die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt hat, bleibt demnach seitens der Gerichte weiterhin umstritten. Das Bundessozialgericht in Kassel hatte unlängst geurteilt, die Bedarfsermittelung sei mit der Verfassung vereinbar. Das Sozialgericht Berlin sah dies in einem vorangegangenen Urteil wieder völlig anders und macht mit seinen Urteil den Weg zum Bundesverfassungsgericht frei.
Laut des vorliegenden Urteils des Landessozialgerichts NRW sei beispielhaft zu klären, „ob die Abgrenzung der Referenzgruppen sowie die Nichtberücksichtigung von Verbrauchspositionen den Kriterien eines methodisch korrekten Verfahrens genügen. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob der Ausschluss von Ausgaben als nicht regelsatzrelevant (z.B. Tabakwaren, Alkohol) nicht zu einer Vermischung der Statistik- und Warenkorbmethode und schließlich dazu führt, dass die vom BVerfG geforderte Möglichkeit eines internen Ausgleichs zwischen unter- und überdurchschnittlichen Bedarfen (BVerfG, a.a.O., Rn. 205) nicht mehr garantiert wird.
Bei der Bestimmung der Referenzhaushalte kommt es zudem darauf an, ob die unterschiedliche prozentuale Berücksichtigung von 20% (Familien) bzw. 15% (Alleinstehende) aller Haushalte als Referenzgruppe schlüssig und nachvollziehbar vom Gesetzgeber begründet worden ist. Zudem bedarf es der Beurteilung, ob die Regelung des § RBEG § 3 RBEG den Anforderungen des BVerfG an den Gesetzgeber, diejenigen aus der Referenzgruppe herauszunehmen, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII incl. der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegen (BVerfG, a.a.O., Rn. 169), Rechnung trägt, um Zirkelschlüsse zu vermeiden. (pm, sb)
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