Hartz IV: Viele ARGE’n legen die Angemessenheitskriterien für die Kosten der Unterkunft rechtswidrig und oft zu niedrig fest und verstoßen damit gegen die Grundsatzurteile des Bundessozialgerichtes
Es ist geradezu erschreckend, dass viele Kommunen diesen Weg der rechtswidrigen Leistungskürzung bei ALG II Empfängern gehen, wohl wissend, dass Wohnungen zu den von ihnen festgelegten Angemessenheitskriterien de facto nicht vorhanden sind und sie sich so auf Kosten der Bedürftigen bereichern, in dem sie berechtigte Forderungen einsparen. Selbst die einfachsten Plattenbauwohnungen in bezugsfertigem Zustand sind deutlich teurer. Lediglich Wohnungen, die seit 20 Jahren oder mehr abgewohnt wurden und vereinzelt in diesem Zustand angeboten werden, sind zu diesen Angemessenheitskriterien erhältlich.
Sollen Hilfebedürftige nun jedes Jahr in ein anderes "Loch" umziehen, sofern sie überhaupt das höchst zweifelhafte Glück hatten, eines zu finden, nur weil die Angemessenheitskriterien von den Verantwortlichen nach "Gutdünken" festgelegt werden, statt sich, wie vom Gesetzgeber gefordert, an den tatsächlichen Gegebenheiten zu orientieren? Was ist mit menschenwürdigen Wohnverhältnissen? Und wer bezahlt jedes Mal die Umzugskosten und die Mietkaution? Wer bezahlt die horrenden Heizkosten
dieser unsanierten "Wohnlöcher", die meist keinerlei Wärmedämmung haben, sofern man überhaupt eines findet? Denn mit den, von den ARGEn vielerorts auf durchschnittlich 1€/m2; pauschalierten Heizkosten, sind solche Wohnungen nicht beheizbar, die dafür aufzuwendende Heizenergie liegt, aufgrund der hohen Wärmeverluste dieser Bauten, nachweislich bei mindestens 1,50€/m2;, und auch nur, sofern uns die milden Winter der letzten Jahre erhalten bleiben. Zahlen dann die ARGEn die Mehrkosten von mindestens 0,50€/m2; und Monat? Sicher nicht!
Auch die Nebenkosten sind mit durchschnittlich 1,20€/m⊃2; deutlich höher als die von den ARGEn dafür meist pauschal gezahlten 1€/m3 2;. Wohin also sollen die ganzen ALG II Empfänger ziehen, die schon jetzt oder demnächst in, den ARGEn, viel zu teuren Wohnungen wohnen? Hier wollen die Verantwortlichen unter dem Deckmantel der Angemessenheit Kosten sparen. Hier wird darauf spekuliert, dass die meisten Betroffenen, den Gang zum Anwalt und Sozialgericht scheuend, den dann nicht mehr übernommenen Mietanteil aus ihrer ALG II Regelleistung zahlen, so wie es bereits jetzt schon viele mit den Heiz- und Nebenkosten tun müssen, denn in preiswerteren Wohnraum umziehen können sie ja bekanntermaßen nicht, da es de facto keine
tatsächlich günstigeren Wohnungen für sie gibt.
Die Betroffenen haben nur die Wahl, ob sie einen Teil ihrer Kaltmiete oder stattdessen höhere Heizkosten aus ihrer Regelleistung zahlen. Das jedoch stellt eine rechtswidrige Kürzung der Regelleistung dar. Oder spekulieren die Verantwortlichen etwa darauf, dass Vermieter ihre Mieten senken um möglichem Leerstand vorzubeugen und dabei in Kauf nehmen, dass ihre Mietobjekte unwirtschaftlich werden? Eine Furcht vor Leerstand setzt das Vorhandensein billigen Wohnraumes, in den die Hartz IV Betroffenen ausweichen könnten, voraus. Den gibt es aber nicht, also auch keinen drohenden Leerstand. Und dass die Vermieter, trotz stetig steigender Lebenshaltungskosten auf Teile ihres Einkommens verzichten und sich deshalb vielleicht sogar dem Heer der ALG II-Empfänger anschließen, ist ja wohl mehr als unwahrscheinlich.
Wohnen ist in Deutschland nicht billiger geworden, im Gegenteil, schon die massiven Preissteigerungen bei Heizkosten beweisen das. Die ebenfalls massiv gestiegenen Kosten für Strom und Lebenshaltung wirken sich auch massiv auf die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten aus, weshalb sich diese ebenfalls permanent erhöhen. Alle diese Fakten sind den
Verantwortlichen durchaus schon lange und umfassend bekannt! Die ominösen Berechnungen, welche vorsätzlich als Kürzungsgrundlage der Angemessenheitskriterien missbraucht werden, wurden offensichtlich nach dem alten Buchhalterspruch: "Sagen sie mir, was sie raus haben wollen, ich rechne es ihnen hin." ermittelt, denn ein Bezug zu den tatsächlichen
Gegebenheiten ist nicht vorhanden.
Aus diesen Gründen haben Bundesverwaltungsgericht, Bundessozialgericht und verschiedene Landessozialgerichte diese Art von "Sozialkürzung", wie auch die Pauschalierung von Heiz- und Nebenkosten, schon längst für rechtswidrig erklärt. Das scheint die Verantwortlichen aber nicht im Geringsten zu beeindrucken, denn alle diese Urteile werden von ihnen ignoriert.
Was die angemessenen Kosten der Unterkunft sind, darf jede ARGE selbst festlegen, so steht es im SGB II, aber dies darf nicht willkürlich geschehen. Es muss auch ausreichend beziehbarer Wohnraum zu den geforderten Kriterien zur Verfügung stehen, was die jeweilige ARGE zwingend nachweisen muss. Erst – und nur dann – darf sie eine Kostensenkung fordern. Außerdem müssen Heiz- und Nebenkosten immer in tatsächlicher Höhe als Kosten der Unterkunft von den ARGEn bezahlt werden, solange dem Bedürftigen kein unwirtschaftliches Verhalten nachgewiesen werden kann.
Die nachfolgenden Urteile besagen genau das und zudem auch noch, dass eine Gettoisierung von ALG II Empfängern ebenso rechtswidrig ist, wie die Forderung nach dem Umzug in einen anderen Ort, weil dort die Mieten günstiger sind. Wir können nur hoffen, dass sich jeder Betroffene auch mit den hier genannten Rechtsgrundlagen dagegen zur Wehr setzt. (30.09.2007)
– BVerwG, 28.04.2005, AZ: 5 C 15.04
– Bundessozialgericht, 07.11.2006, AZ: B 7b AS 18/06 R
– LSG Baden-Württemberg, 27.03.2006, AZ: L 8 AS 626/06 ER-B
– LSG Hessen, 05.01.2007, AZ: L 9 SO 82/06 ER
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