Hartz IV: Offener Brief an die Diakonie

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Offener Brief an Herrn Schreyer, Diakoniewerk Mรผhlheim
Nรผrnberg: Nicht zum ersten Mal macht die Diakonie negativ auf sich aufmerksam. War es beim letzten Mal der damalige Diakonieprรคsident, der die Realitรคten ignorierend einen Brandbrief mit Forderungen zur Schlechterstellung von ALG II Empfรคngern mit unterschrieb, so versucht jetzt Herr Schreiber von der Diakonie Mรผhlheim und vier Jahre Zwangsarbeit als EEJ als Wohltat fรผr die Betroffenen zu verkaufen.

Es wird Zeit, daรŸ die Schรถnrederei von Hartz IV Zwangsarbeit endlich ein Ende findet und die Ausnutzung von Erwerbslosen klar aufgezeigt wird. Herr Schreyer erhielt den folgenden Brief, der auch an das Diakonieprรคsidum, als auch die EKD und andere Empfรคnger ging. Geantwortet hat er bislang nicht. Aber es gibt zum Thema eine sehr entlarvende Diskussion im Forum der Diakonie. Sehr zu empfehlen.

Hier nun der Offene Brief:

Sehr geehrter Herr Schreyer,
schon einmal haben sich Kirche und kirchliche Organisationen an Zwangsarbeit in Deutschland bereichert. Es war in den unsรคglichen 1000 ekelhaften Jahren, die erfreulicherweise schneller zu Ende waren, als der Name versprach. Hinterher haben sich Kirchen nach Jahren dafรผr entschuldigt, daรŸ sie vom Elend der Zwangsarbeiter profitierten.

Aber dazu gelernt hat man nicht. Heute heiรŸen die Zwangsarbeiter 1 Euro Jobber und der Definition von Zwangsarbeit entsprechend, sind sie tatsรคchlich genau solche. Sie kรถnnen sich weder frei entscheiden, ob sie die Arbeit machen wollen (Sanktionen bei Ablehnung), sie kรถnnen in fast allen Fรคllen nicht entscheiden welche Arbeit sie machen wollen (Sanktionen), sie kรถnnen รผber die
Dauer nicht bestimmen (Sanktionen), sie kรถnnen รผber die Entlohnung nicht verhandeln (Sanktionen). Also alles Faktoren die eindeutig beweisen, daรŸ es sich um verbotene Zwangsarbeit ( Anmerk. Redaktion: Nichterfรผllung der Vorgaben fรผr Ein Euro Jobs) handelt. Verboten im Sinne des Grundgesetzes, aber auch der Menschenrechtscharta und der Vereinbarungen der EU und UN.

Wie ist es mรถglich, daรŸ sich christliche/kirchliche Organisationen ohne vor Scham im Boden zu versinken, dazu herablassen ein
weiteres Mal vom Elend der Menschen zu profitieren? Reicht das Gedรคchtnis wirklich nicht die paar Jahre zurรผck, als man sich schon einmal entschuldigen muรŸte oder ist hier der Kommerz wichtiger, der Tanz um das goldene Kalb kirchlicher Normalfall geworden? Statt den Menschen gegen die Menschenverachtung und regierungsgewollte Verelendung zu helfen, wird noch mitgemacht und profitiert. Ich finde das verachtenswert und einfach ekelhaft.

Natรผrlich sind es nicht alle Kirchenmitglieder, nicht einmal Mehrheiten, die dieses gut finden, sondern es sind Einzelne in entscheidenden Positionen, die betriebswirtschaftlich statt christlich denken. Nur wo sind die Aufschreie der anderen? Kein Christ kann Zwangsarbeit gut finden.

Ich zitiere ihre Aussage, die gleichzeitig noch eine รผble Unterstellung beinhaltet, fรผr die Erwerbslose eine Entschuldigung fordern und
erwarten. Ich sage Erwerbslose, nicht Arbeitslose. Arbeit ist genug da, aber keiner will dafรผr bezahlen, nicht einmal kirchliche
Organisationen. Erst nimmt man den Menschen die Chance auf eigenbestimmtes Leben, dann werden sie auch noch stรคndig beschimpft, verunglimpft, beleidigt, miรŸachtet und ausgebeutet.

Zitat:
Neue Hoffnung fรผr Ein-Euro-Jobber: Das Diakoniewerk Arbeit und Kultur hat mit der Sozialagentur der Stadt eine Regelung vereinbart, die Pilotcharakter hat. Ab sofort kรถnnen Ein-Euro-Jobber beim Diakoniewerk vier statt bislang nur ein Jahr lang Geld hinzuverdienen. Wie der Leiter der evangelischen Einrichtung, Ulrich Schreyer, erklรคrte, “wird damit eine der unsinnigsten Vorschriften von Hartz IV beseitigt”. Fรผr kaum einen der 300 Ein-Euro-Jobber beim Diakoniewerk an der GeorgstraรŸe war nach dem Ablauf von zwรถlf Monaten ein regulรคrer Job in Aussicht. Und die Leute danach “zurรผck zu Bierflasche und Glotze zu schicken, ist ein Aberwitz” sagt Schreyer.

Von Hoffnung kann keine Rede sein, da die wenigsten 1 Euro Jobber diese Ausbeutung als Hoffnung sehen, sondern als genau das was sie ist: Staatlich angeordnete Zwangsarbeit zur Bereicherung von Organisationen auf dem Rรผcken der Erwerbslosen. Und der angebliche Hinzuverdienst ist gar keiner, denn es handelt sich um eine Mehraufwandentschรคdigung, die dazu dient jene Kosten abzudecken, die den Zwangsarbeitern zusรคtzlich entstehen, wie Fahrtkosten, Reinigung der Kleidung etc. Es profitieren nur die Sklavenhalter, nicht die Sklaven. Egal wie man versucht es schรถn zureden.

Und wir verbitten uns die Unterstellung, daรŸ wir alle Sรคufer wรคren, die vor dem Fernseher verblรถden wรผrden, wenn man uns nicht alternativ in Zwangsarbeit ausbeutet. Das ist รผble Nachrede die in Deutschland sogar strafrechtlich relevant ist: Die Erwerbslosen Deutschlands erwarten eine Entschuldigung! Und wir erwarten die Abkehr der Diakonie von der Unterstรผtzung von Zwangsarbeit!

Niemand verlangt, daรŸ kein Erwerbsloser sich bei der Diakonie engagieren darf, aber Zwangsarbeit ist falsch. Sozialer Einsatz kann und darf nicht erzwungen werden. Das schadet dem Ansehen der Diakonie, der Evangelischen Kirche nicht weniger, als es dem Ansehen sozialer Dienste allgemein schadet und den von ihnen betreuten Menschen.

Beenden Sie dieses Verbrechen an den Erwerbslosen Deutschlands!

Dies ist ein Leserbeitrag von Thomas Mรผller, 05.12.06