So kurz ist der Weg in die Obdachlosigkeit
Der Weg von der Armut in die Obdachlosigkeit ist heute kurz. Hauptgrund ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Bezahlbare Wohnungen sind in Ballungszentren heute wie ein Sechser im Lotto, und der Trend verschärft sich.
Familien mit Kindern, die Mietschulden nicht zahlen können, werden zwangsgeräumt und landen auf der Straße. Sie haben kaum eine Chance, wieder eine Wohnung zu finden, denn wer einmal Mitschulden und eine negative Schufa-Auskunft vorweist, den nimmt kaum ein Vermieter.
Die Kommunen sind allerdings verpflichtet, Bedürftige unterzubringen. Die kommen dann in Pensionen unter, doch die zusätzlichen Kosten müssen sie selbst tragen, und der Schuldenberg wächst. Eine Perspektive wären neu gebaute Sozialwohnungen, an denen fehlt es aber überall. In Frankfurt zum Beispiel warten mehr als 10 000 Betroffene auf eine solche Sozialwohnung.
Die Wohnungsnot ist in Städten wie Berlin, Köln oder München inzwischen so groß, dass Studierende selbst Toiletten durch Zwischendecken zu „Wohnzimmern“ umfunktionieren. Dabei können die meisten Mehrzimmer-Wohnungen in „angesagten Vierteln“ sich nur noch Wohngemeinschaften oder Gutverdiener leisten: In Köln zum Beispiel kostet ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft im Schnitt 400 Euro. Bei einer 3-Zimmer-Wohnung wären das 1200 Euro und somit weder für Erwerbslose noch für Niedrigverdiener möglich.
Für Vermieter ist es lukrativ, Mieten durch Leerstand und Aufwertung einfachen Wohnraums in Richtung Luxus- oder Mittelklassewohnungen zu erhöhen. Niedrigverdiener und Hartz IV Abhängige werden durch die Mieterhöhungen gezwungen, ihre angestammten Viertel zu verlassen.
Für Hartz-IV-Betroffene wird so die Jobsuche zusätzlich schwierig. Denn Wohnraum, den das Jobcenter bezahlt, gibt es vor allem im Umland: Je strukturschwächer eine Region ist, desto mehr bezahlbarer Wohnraum und, last but not least, umso weniger Möglichkeiten, einen Job zu finden.
Jobcenter fördern Obdachlosigkeit
Eine Studie der Humboldt-Universität macht die Jobcenter für Zwangsräumungen verantwortlich. Demnach seien in Berlin die Jobcenter neben den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften die „Motoren von von Verdrängungen und Zwangsräumungen“. Das sind in Berlin immerhin 5.000 bis 7.000 pro Jahr bei circa 10.000 Räumungsklagen.
Die Jobcenter seien dafür maßgeblich verantwortlich, weil sie Gelder zu spät oder auf falsche Konten zahlten oder Bewilligungen verweigerten. Die Bemessungsgrenzen der Jobcenter für Mieten hätten zudem mit den realen Mietsteigerungen nichts zu tun, so dass die Betroffenen Mietschulden anhäuften. Rutschen aber Erwerbslose in die Wohnungslosigkeit, dann setzt ein fataler Kreislauf ein: Ohne Job wird es extrem schwer, eine Wohnung zu finden, ohne Wohnung gibt es kaum Aussicht auf einen Job. (Dr. Utz Anhalt)
Bild: juefraphoto – fotolia
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