Im Krankenhaus noch ärmer. Die neue ALG II Verordnung
Sie drehen es immer so, wie es ihnen gerade passt: Das Arbeitslosengeld II (ALG II) ist eine Pauschale. Besonderheiten des Einzelfalls werden nicht berücksichtigt. Dafür bietet eine Pauschale aber den Leistungsbeziehern die „Freiheit“, selbst zu entscheiden,
wie sie ihr weniges Geld ausgeben.
Das predigen Politiker aller "Hartz- IV-Parteien" immer wieder, wenn es darum geht, Forderungen nach zusätzlichen
Einmalbeihilfen (z.B. Weihnachtsbeihilfe, Schulsachen) abzuwehren. Wenn es aber zu Lasten der ALG II Bezieher geht, dann soll das ALG II plötzlich keine Pauschale mehr sein. Im Sonderfall eines längeren Krankenhausaufenthalts soll das ALG II um 35 Prozent gekürzt werden. So steht es in der neuen ALG-II-Verordnung (VO), die mittlerweile zum ersten Januar 2008 in Kraft getreten ist. Danach gilt das im Krankenhaus bereitgestellte Essen als Einkommen. Der monatliche „Wert“ wird auf bis zu 121,45 Euro festgesetzt
und die ALG II Regelleistung entsprechend gekürzt.
Die Konstruktion „Verpflegung = anzurechnendes Einkommen“ ist rechtlich gesehen mehr als fragwürdig. Vor allem ist die Kürzung des ALG II um die bereitgestellte Verpflegung aber ein sozialpolitischer Skandal: Denn bei einem längeren Krankenhausaufenthalt
fallen erhebliche Mehrkosten an: Fahrtkosten, wenn Angehörige zu Besuch kommen, Getränke und Essen zwischen den Mahlzeiten, oftmals teure Telefongebühren, ein Trainingsanzug oder ein Bademantel, der neu gekauft werden muss usw. Diese Mehrkosten übersteigen im Regelfall die „Einsparungen“ aufgrund des bereitgestellten Krankenhausessens. Das heißt aber unterm Strich: Das
ALG II reicht schon im normalen Alltag nicht zum Leben. Mit der Kürzung der Regelleistung um die Verpflegung wird die Armut von ALG-II-Beziehern im Krankenhaus noch einmal verschärft.
Die neue ALG-II-VO enthält noch einen weiteren „Aufreger“: Die Spielregeln zur Einkommensanrechnung passten noch nie zur Lebenswirklichkeit der kleinen „Solo-Selbständigen“ wie etwa den Freiberuflern in den Medienbranchen. Zukünftig müssen sie sich auch noch mit ihrem Fallmanager darüber streiten, ob Druckertinte, ein Bürostuhl oder eine Software unvermeidbare Betriebsausgaben sind. Schlimmer noch: Bei schwankenden Einnahmen soll auch Einkommen, das vor der Antragstellung erzielt wurde, angerechnet werden. Damit bricht die VO mal eben so mit dem Prinzip, dass Einkommen alles ist, was im Bewillungszeitraum
zufließt, und alles was schon vorher da war, als Vermögen anzusehen ist. Auch diese Regelung wird wohl die ohnehin überlasteten Sozialgerichte beschäftigten.
Bereitgestellte Verpflegung wird künftig generell als Einkommen angerechnet – etwa wenn der Arbeitgeber Verpflegung stellt oder beim Aufenthalt im Krankenhaus oder bei einer sonstigen stationären Unterbringung (§ 2 Abs. 5 ALG-IIVO). Bei Vollverpflegung werden pauschal 35 Prozent der maßgebenden Regelleistung (zurzeit für Alleinstehende 121,45 Euro) angerechnet. Es gibt eine Bagatellgrenze von derzeit 83,26 Euro. Das heißt, Verpflegung wird nur dann als Einkommen angerechnet, wenn die Bagatellgrenze überschritten wird – dann allerdings in vollem Umfang und nicht nur der Teil, der die Bagatellgrenze übersteigt. Die Grenze entspricht der Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der Krankenversicherung (§ 62 Abs. 2 SGB V). Tabelle 2 zeigt, ab wie vielen Tagen Krankenhausaufenthalt (bei Vollverpflegung) eine Anrechnung und somit Kürzung des Arbeitslosengeldes II greift.
Tipp: Zuerst ist zu prüfen, ob die Bagatellgrenze überschritten wird. Wenn ja, dann kann der anrechenbare Wert der Verpflegung um Absetzbeträge nach § 11 SGB II bereinigt werden, wobei im Regelfall aber wohl nur die 30-€-Versicherungspauschale in Betracht kommt. (aus A-Info, 28.02.2008)
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