Hartz IV Antrag ohne Personalausweis

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Hartz IV Antragstellung ohne Personalausweis

04.10.2011

Für die Beantragung der Hartz IV Leistungen wird in den Ämtern ein gültiger Personalausweis zur Feststellung der Identität verlangt. Viele vormals oder immer noch wohnungslose Menschen haben allerdings oft keinen Personalausweis. Hier stellt sich nun die Frage, wie Betroffene dennoch einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellen können.

Seit November 2010 ist das Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisgesetz – PAuswG) sowie zur Änderung weiterer Vorschriften in Kraft getreten. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes trat gleichzeitig eine neue Gebührenordnung in Kraft, die für die Ausstellung eines Personalausweises von Menschen über 24 Jahren den Betrag von 28,80 Euro verlangt (§ 1 Abs. 1 PAuswGebV). Hinzu kommen die Kosten für das vorgeschriebene biometrische Foto. Auf der Homepage des Bundesministeriums des Inneren findet sich der Hinweis, dass für die Ausstellung von Ausweisen für Bedürftige eine Gebührenreduzierung oder – Befreiung durch die Länder möglich sei, diese wurde aber wohl in keinem Bundesland eröffnet. Unter Verweis auf das Gesetz zur Ermittlung des Regelbedarfs wird von den Ländern eine Übernahme der Gebühren trotz der eigentlich möglichen Befreiung von Gebühren nach § 1 Abs. 6 der Personalausweisgebührenverordnung vom abgelehnt. Gem. § 1 Abs. 6 kann die „Gebühr … ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn die Person, die die Gebühr schuldet, bedürftig ist“.

Der Verweis auf die Beantragung eines vorläufigen Personalausweises hilft nicht weiter, da gem. § 1 Abs. 2 PAuswGebV auch hierfür Gebühren in Höhe von € 10,00 anfallen. § 3 (Personalausweisgesetz – PAuswG)

Gebühren für einen Personalausweis sind bereits in den Hartz IV Leistungen enthalten
Für die Finanzierung neuer Ausweisdokumente sind mittellose Personen auf die Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Insoweit ist im Arbeitslosengeld II Regelbedarf ein Ansparbetrag für Ausweisdokumente von 0,25 €/Monat vorgesehen. Danach bedarf es einer Ansparzeit von 9 Jahren und 7 Monaten (ohne Berücksichtigung von Verzinsung und Inflation), bis der Leistungsberechtigte die erforderliche Gebühr für die die Neubeantragung eines Personalausweises eingespart hat. Zugleich verhindert die Berücksichtigung des Ansparbetrages als Regelbedarf die Geltendmachung eines Mehrbedarfes nach § 21 SGB II. Von daher bleibt allein die Möglichkeit, die Gebühr für den neuen Personalausweis über ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II zu decken. In jedem Fall setzt auch der Antrag auf ein solches Darlehen voraus, dass der Hilfesuchende leistungsberechtigt ist.

Sofern der Betroffene/Ratsuchende bisher keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII gestellt hat, kann die eingangs beschriebene Problemlage eintreten, wenn die Jobcenter auf die Vorlage eines gültigen Personalausweises bestehen. Diese Forderung beruht weniger auf dem SGB II als vielmehr auf den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit. Diese definieren zu SGB II in Randziffer 1 zu § 37 einen Antrag allgemein wie folgt:

„Der Antrag ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit welcher der Antragsteller dem Leistungsträger gegenüber zum Ausdruck bringt, eine Sozialleistung in Anspruch nehmen zu wollen. Das Jobcenter ist gehalten, den wirklichen Willen des Antragstellers – ggf. durch Rückfragen – zu erforschen und den Antrag auszulegen“

Auch wenn die Antragstellung auf Sozialleistungen an keine Form gebunden ist (das Formular konkretisiert lediglich einen bereits mündlich gestellten Antrag), enthalten die Fachlichen Hinweise weitere Verfahrensvorgaben und verlangen insbesondere die in der vorliegenden Konstellation problematische Identitätsfeststellung durch Vorlage eines Nach- und in der Regel auch Ausweises. Nach diesen Hinweisen erfolgt grundsätzlich bei der ersten Antragstellung eine Identitätsfeststellung (Rz.37.13). Diese ist anhand geeigneter Nachweise (in der Regel Personalausweis, Pass mit Meldebestätigung oder Ersatzdokument) vorzunehmen. Allerdings treffen diese Hinweise auch Regelungen für den Fall, in denen der Identitätsnachweis nicht unmittelbar möglich ist.

„Kann der Antragsteller einen entsprechenden Nachweis nicht vorlegen, ist er aufzufordern, dies nachzuholen. Die Bewilligung darf in jedem Fall erst erfolgen, wenn die Vorlage der Nachweise nachgeholt wird. Unabhängig davon können Leistungen ab dem Tag der erstmaligen Antragstellung bewilligt werden, sofern die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld bereits ab diesem Zeitpunkt vorgelegen haben. Weist die leistungsberechtigte Person ohne wichtigen Grund seine Identität innerhalb einer Woche nicht nach, kann der Anspruch nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens wegen fehlender Mitwirkung gemäß §§ 60, 66 SGB I versagt werden. Bei einer späteren Nachholung der Mitwirkung ist zu prüfen, ob für die Vergangenheit Hilfebedürftigkeit vorgelegen hat.“ (Rz.37.13).

Möglichkeiten dennoch einen Hartz IV Antrag zu stellen
Sucht nun eine wohnungslose Person eine Beratungsstelle der Wohnungslosenhilfe auf und ist in der Beratung Thema das Fehlen gültiger Ausweispapiere, ist zunächst zu klären, ob die Person über die zur Beschaffung der Papiere erforderlichen Mittel verfügt. Gibt sie an, diese Mittel nicht zu haben, sind drei Varianten zu unterscheiden.

Variante I: Der Betroffene ist offensichtlich erwerbsfähig und hat einen Ausweis, dessen Gültigkeit abgelaufen ist.
Variante II: Der Betroffene ist offensichtlich erwerbsfähig und hat gar kein Ausweisdokument.
Variante III: Der Betroffene ist offensichtlich nicht erwerbsfähig.

Zur Existenzsicherung und um sich die Mittel zur Beschaffung von Ausweispapieren zu beschaffen ist ein Antrag auf SGB II-Leistungen bzw. SGB XII-Leistungen zu stellen.

Bei Variante I sollte argumentiert werden, dass der Personalausweis auch dann ein geeignetes Dokument zum Identitätsnachweis ist, wenn die Gültigkeit abgelaufen ist. Hierbei kann man sich zunächst auf den Grundsatz der unmittelbaren Datenerhebung berufen. Danach haben Sozialleistungsträger erforderliche Daten gem. § 67a Abs. 2 SGB X zunächst beim Betroffenen zu erheben. Solange keine Anhaltspunkte gegen die behauptete und mit einem abgelaufenen Personalausweis beglaubigte Identität und damit für eine Fälschung des abgelaufenen Ausweises sprechen, besteht kein Anlass, die Annahme des Antrages zu verweigern.

Dies gilt um so mehr als die umfassende Verweigerung einer Antragsbearbeitung nicht allein im Widerspruch zu dem gesetzlichen Grundsatz der Formlosigkeit (§ 16 SGB I) stände sondern auch mit den (verwaltungsinternen) Fachlichen Hinweisen nicht zu vereinbaren wäre. Ansatzpunkte für eine ergebnisorientierte Anwendung der Hinweise bieten gleich zwei Formulierungen: So soll die Identitätsfeststellung nur „grundsätzlich“ bei der Antragsstellung erfolgen. Die Möglichkeit zum Nachholen des Nachweises ist ausdrücklich vorgesehen. Zudem dient der Personalausweis nur „in der Regel“ als Grundlage für die Identitätsfeststellung. Zwar ist davon auszugehen, dass hier ein gültiger Ausweis gefordert ist, doch verlangen die Hinweise nur „geeignete“ Identifikationsnachweise und lassen auch Ersatzdokumente zu. Im Sinne einer effizienten (vorläufigen) Identitätsprüfung, die den Weg dazu freimachen soll, um unter anderem auch die Mittel für einen rechtmäßigen Personalausweis zu sichern, kann auch der noch vorhandene abgelaufene Personalausweis den Nachweis erbringen. In diesem Fall kann die endgültige Identitätsfeststellung dann auch auf der Grundlage des neu ausgestellten Ausweises erfolgen.

Bei Variante II ist die Lösung komplizierter, da hier in der Tat Zweifel an der Identität des Antragstellers vorliegen könnten. Hier sollte man prüfen, ob die Ratsuchenden einen anderen Identitätsnachweis mit oder ohne ein Foto erbringen können – auf jeden Fall gehört es zur guten Beratung, auf die Verpflichtung nach § 27 Abs.1 Ziff. 3 PAuswG zur Verlustanzeige hinzuweisen.

Verlustanzeigen können bei Personalausweisbehörden oder (vor allem notwendig nach einem Diebstahl) bei der Polizei gemacht werden. Manche Jobcenter begnügen sich vorläufig mit dem Nachweis der Verlustanzeige bzw. machen diese Anzeige zur Mitwirkungspflicht vor Auszahlung von Leistungen. Doch auch hier muss letztlich die in § 16 SGB I festgelegte Formfreiheit von Anträgen den Ausschlag für eine lösungsorientierte Auslegung der Fachlichen Hinweise geben. Voraussetzung ist allerdings in diesem Fall, dass die gesetzlich geforderten Leistungsvoraussetzungen gegeben sind.

Wieder bieten die Fachlichen Hinweise hinreichend Anknüpfungspunkte für die Argumentation. Denn der Grundsatz, dass die Identitätsfeststellung bei der ersten Antragstellung erfolgt, lässt gerade Spielraum für sachlich begründete Ausnahmen und die Aufforderung, den Nachweis nachträglich (z. B. mittels eines dann vorläufig ausgestellten Ausweises) zu erbringen. Insbesondere steht es im Ermessen des Jobcenters die Leistung vorläufig zu erbringen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt sind. Dabei dürften gerade Situationen gemeint sein, in denen der gesetzlich nicht geforderte Identitätsnachweis im Zeitpunkt der Antragstellung nicht möglich ist. Eine kategorische Ablehnung der Leistung unter Berufung auf den fehlenden Personalausweis erschiene in diesem Fall ermessensfehlerhaft. Dies gilt um so mehr, als die beantragten Mittel gerade dazu dienen sollen, den fehlenden Ausweis zu beschaffen um so auch die behördlich verlangten Nachweise zu erbringen.

(Die hier unter Variante II aufgeführte Argumentation trägt grundsätzlich auch für die Variante I. Allerdings kann und sollte dort die Anerkennung des abgelaufenen Personalausweises als geeignete Form des Identitätsnachweises im Vordergrund der Argumentation stehen.)

Im Übrigen dürfte in der vorliegenden Konstellation auch die in § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I geregelte Ausnahme von den üblichen Mitwirkungspflichten greifen. Danach müssen Behörden, beispielsweise beim Einwohnermeldeamt des letztbekannten Wohnsitzes in Deutschland selber Ermittlungen zur Identitätsfeststellung einleiten, wenn die Behörde sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

Bei der Variante III gelten die Ausführungen zu den Varianten I und II entsprechend, da hier auch beide Varianten vorliegen können, zuständig ist aber das Sozialamt. (Diakonie, sb)

Bild: A. R. / pixelio.de

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