Grundrente vor dem Umbruch – Entscheidung des BSG könnte tausende Rentner betreffen

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Am 5. Juni 2025 steht vor dem Bundessozialgericht (BSG) ein Urteil an, das die gesetzliche Grundrente massiv verändern könnte. Konkret geht es um die Frage, ob freiwillige Rentenbeiträge künftig bei der Berechnung der Grundrente berücksichtigt werden. Das Ergebnis könnte besonders für Selbstständige und Personen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien richtungsweisend sein.

BSG entscheidet über freiwillige Rentenbeiträge – Wer künftig Grundrente bekommt

Ein Rentner, der 230 Monate lang Pflichtbeiträge und zusätzlich 312 Monate freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, kämpft um die Anerkennung seiner Ansprüche. Die Deutsche Rentenversicherung verweigert ihm jedoch die Grundrente – mit der Begründung, dass freiwillige Beiträge nicht als sogenannte Grundrentenzeiten gewertet werden dürfen.

Der Fall ist brisant: Denn freiwillig Versicherte – wie Selbstständige, Künstler oder Personen mit Erwerbslücken – sind bisher systematisch von der Grundrente ausgeschlossen.

Warum die Grundrente auf dem Prüfstand steht

Die aktuelle Gesetzeslage ist in §76g des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) geregelt. Dort heißt es: Grundrentenzeiten entstehen nur aus Pflichtbeiträgen, Kindererziehungszeiten, Pflegephasen oder anerkannten Beschäftigungszeiten. Freiwillige Beitragszeiten – obwohl finanziell gleichwertig – bleiben außen vor.

Konkret bedeutet das: Wer nicht angestellt war, sondern eigenverantwortlich vorgesorgt hat, wird schlechter gestellt. Für viele ist das nicht nachvollziehbar.

So urteilen die bisherigen Gerichte – und was nun anders werden könnte

Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg haben die Klage bereits abgewiesen. Ihre Argumentation: Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen die Berücksichtigung freiwilliger Beiträge entschieden. Die Vorschriften seien eindeutig formuliert.

Doch nun liegt der Fall beim Bundessozialgericht – der letzten Instanz. Das Urteil könnte entweder die bisherige Linie bestätigen oder eine rechtliche Neuausrichtung einleiten.

Wer besonders vom Urteil profitieren könnte

Ein Entscheid zugunsten freiwilliger Beitragszeiten würde das System der Grundrente tiefgreifend verändern. Vor allem diese Gruppen könnten künftig profitieren:

  • Selbstständige, die nie der Versicherungspflicht unterlagen, aber freiwillig vorgesorgt haben
  • Künstler, Freiberufler und Kleinunternehmer, deren Erwerbsbiografien oft Lücken enthalten
  • Erziehende und pflegende Angehörige, die in nicht erfassten Zeiten freiwillig einzahlten
  • Langzeitarbeitslose mit Eigenvorsorge, denen freiwillige Beiträge bisher nicht angerechnet werden

Für diese Menschen könnte ein positives Urteil endlich den Zugang zur Grundrente öffnen – und damit finanzielle Sicherheit im Alter schaffen.

Finanzielle Folgen für die Rentenkasse: Ein Drahtseilakt

Ein Urteil zugunsten des Klägers hätte nicht nur rechtspolitische, sondern auch finanzielle Dimensionen. Würden freiwillige Beiträge grundrentenfähig, kämen auf die Rentenkassen hohe Mehrkosten zu. Es würden hunderttausende Rentner leistungsberechtigt – ein Effekt, den der Gesetzgeber bislang vermeiden wollte.

Doch Befürworter betonen: Es geht um Gerechtigkeit. Wer jahrzehntelang einzahlt – ob freiwillig oder pflichtversichert – sollte nicht schlechter gestellt werden.

Selbstständige als Verlierer der aktuellen Regelung?

Das bisherige System bevorzugt klassische Erwerbsbiografien. Selbstständige, Freiberufler und andere Gruppen mit unregelmäßigen Beitragsverläufen sind im Nachteil – obwohl sie oft über Jahrzehnte freiwillig einzahlten. Für viele ist das eine stille Diskriminierung innerhalb des Rentensystems.

Ein neues Urteil könnte hier endlich einen Ausgleich schaffen. Damit stünde das BSG vor einer Grundsatzentscheidung – zwischen Systemtreue und Anpassung an moderne Erwerbsrealitäten.

BSG-Verhandlung am 5. Juni: Was auf dem Spiel steht

Die Verhandlung findet am 5. Juni 2025 um 14:15 Uhr im Jakob-Grimm-Saal des Bundessozialgerichts in Kassel statt. Noch am selben Tag oder am Folgetag wird mit einem Urteil gerechnet. Beobachter erwarten eine Entscheidung mit Signalwirkung.

Das Gericht muss klären, ob das bestehende Gesetz eine zu enge Auslegung erfahren hat – oder ob eine differenziertere Bewertung freiwilliger Beiträge notwendig ist.

Was freiwillig Versicherte jetzt beachten sollten

Wer freiwillige Beiträge geleistet hat, sollte seine Unterlagen prüfen: Welche Zeiträume sind erfasst? Wie viele Monate wurden eingezahlt? Und wie steht es um einen möglichen Anspruch?

Bei positiver Rechtsprechung könnten Widersprüche gegen abgelehnte Anträge eingelegt oder neue Anträge auf Grundrente gestellt werden. Wichtig: Erst nach dem Urteil sollte gehandelt werden – vorherige Anträge bleiben von der alten Gesetzeslage betroffen.

Ein Urteil mit politischem Zündstoff

Egal, wie das BSG entscheidet: Die Debatte um die Ausgestaltung der Grundrente dürfte an Fahrt aufnehmen. Ein Urteil für den Kläger würde viele Menschen entlasten, aber auch den Druck auf die Rentenkasse erhöhen. Gleichzeitig würde es die Frage aufwerfen, wie gerecht das System in seiner aktuellen Form tatsächlich ist.

Denn die Trennlinie zwischen Pflicht und freiwilliger Versicherung ist häufig willkürlich – und folgt selten der Lebensrealität moderner Erwerbsbiografien.