Generalstaatsanwältin will Bürgergeld-Bezieher nicht mehr ins Gefängnis schicken

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Während sich Gut- und Normalverdiener meistens kaum Probleme haben, Geldstrafen zu bezahlen, müssen Sozialhilfe- oder Bürgergeld-Beziehende nicht selten ins Gefängnis, weil sie die Strafen nicht zahlen können. Die Generalstaatsanwältin Margarete Koppers setzt sich daher für geringere Geldstrafen ein, wenn Betroffene beispielsweise Bürgergeld Leistungen beziehen.

600 Euro Strafe wegen Schwarzfahren

Susanne W. wurde in Berlin bereits zum dritten Mal beim Schwarzfahren erwischt. Nun sitzt sie auf der Angeklagebank beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten.

Sie erzählte dem Richter, dass sie ein Kind habe, alleinerziehend sei und Bürgergeld-Leistungen beziehe. Weil die Preise für Lebensmittel und Strom immer weiter steigen habe sie sich deshalb kein Ticket leisten können. Sie wisse dass das falsch sei, aber Mitte des Monats sei selbst für ein Sozialticket kein Geld mehr da.

Das Gericht zeigte zwar für die Lebenssituation der Angeklagten Verständnis, dennoch wurde eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro verhängt.

Geldstrafen sollen sich stark reduzieren, wenn Verurteilter erwerbslos ist

Das soll sich nun verändern. In naher Zukunft müsste sie weniger Strafe zahlen. Die Geldstrafe wäre nur noch ein Drittel so hoch, nur noch 200 Euro. Wenn die Justiz in der Hauptstadt ihren überraschenden neuen Plan umsetzt.

Ein Plan, mit dem die Berliner Justiz einem wachsenden Problem begegnen will: Menschen wie Susanne S. scheitern allzu oft an der Zahlung von Geldstrafen. Und viele landen im Gefängnis, weil sie wegen vielfältigen Problemen oft auch keine Sozialstunden ableisten können. Allein wegen Schwarzfahrens jährlich bundesweit 7000 Menschen.

Geldstrafen werden in Deutschland nach Tagessätzen bemessen. Das bedeutet, dass sich die Tagessätze am Einkommen des Verurteilten orientieren.

Tagessätze sollen reduziert werden

Der Tagessatz ist in etwa so hoch, wie das Netto-Einkommen, dass ein Verurteilter pro Tag zur Verfügung hat. Bei Hartz IV bzw. jetzt Bürgergeld-Beziehenden hat die Justiz bisher 15 Euro pro Tag berechnet. Das sind dann pro Maonat 450 Euro. Damit wäre fast der komplette Regelsatz (Single-Haushalt 502 Euro) aufgebraucht. Für Betroffene bleibt kein Geld mehr für Essen oder Kleidung.

Bürgergeld-Beziehende mussten 15 Euro Tagessatz zahlen

Bei Bürgergeld-Beziehenden hat die Berliner Justiz bislang fast immer pauschal 15 Euro pro Tag kassiert. Das ist aber natürlich ziemlich viel, denn das sind pro Monat 450 Euro, fast die komplette Grundsicherung. Da bleibt den Delinquenten, wenn sie das bezahlen, nicht mehr viel übrig. Auch nicht für Essen.

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Für die Generalstaatsanwältin von Berlin, Margarete Koppers, ist das deutlich zu viel. In einem Brief an den Präsidenten des Amtsgerichts begründete sie ihren Vorstoß. Selbst wenn Bürgergeld-Bezieher ihre Strafe in Raten abzahlen, bleibt fast nichts mehr übrig.

Das bedeutet immer einen heftigen Einschnitt für die Betroffenen. Um so schwerwiegender ist die Situation, wenn die Bürgergeld-Bezieher über keine Ersparnisse verfügen. Und das düfrte meistens der Fall sein. Die Strafwirkung müssse stets “auch im Verhältnis zur festgestellten Schwere der Schuld stehen”. Sonst würde es zu “desozialisierenden Folgen” kommen.

Haft soll vermieden werden

Die Oberstaatsanwältin geht deshalb einen bislang einmaligen Weg: Sie hat entschieden, dass eine Weisung an alle Berliner Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ergeht. Demnach sollen Staatsanwälte für “mittellose” Sozialhilfe oder Bürgergeld-Bezieher nur noch 5 Euro Tagessatz verlangen. Das ist also nur noch ein Drittel der bisherigen Summe. Inwieweit die Richterinnen und Richter den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, wird von ihnen weiterhin selbst entschieden.

Berlin macht damit einen großen Schritt zur Vermeidung von Haftstrafen. Es folgt damit einer langjährigen Forderung der Sozialverbände. Die Caritas etwa fordert seit Jahren, dass Bußgelder für Mittellose nur drei Euro pro Tag betragen.

Oberstaatsanwältin Margarete Koppers fordert die Gerichte auf, ihrem Vorstoß zu folgen. So schreibt sie an den Gerichtspräsidenten: “Ich möchte auf diesem Wege bei den Richterinnen und Richtern dafür werben, sich dieser Haltung anzuschließen”.

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