Führerscheinentzug wegen einer Schwerbehinderung

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Der Straßenverkehr verlangt von allen Verkehrsteilnehmern höchste Aufmerksamkeit, schnelle Reaktionsfähigkeit und einen sicheren Umgang mit Fahrzeugen. Doch wie verhält es sich mit der Fahreignung, wenn körperliche oder geistige Behinderungen vorliegen?

Die Frage ist nicht mit ja oder nein zu beantworten, da unterschiedliche Behinderungen bzw. Schwerbehinderungen individuell bewertet werden müssen.

Welche gesetzlichen Vorgaben gibt es zur Fahreignung?

Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist die zentrale rechtliche Grundlage in Deutschland, die die Fahreignung regelt. Sie fordert von allen Fahrzeugführern eine eigenverantwortliche Prüfung der Fahrtüchtigkeit. Insbesondere in den Anlagen 4 und 6 der FeV werden klare Kriterien genannt, unter welchen Umständen die Fahrerlaubnis eingeschränkt, bedingt oder vollständig erteilt werden kann.

Ein wichtiges  Dokument bei der Beurteilung der Fahreignung ist zudem die Leitlinie „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Diese Leitlinien bieten Orientierung, berücksichtigen jedoch individuelle Abweichungen.

Hinweis: Es besteht keine generelle Meldepflicht gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde bei Erwerb einer Behinderung oder chronischen Erkrankung. Betroffene sind jedoch verpflichtet, die Auswirkungen auf ihre Fahreignung eigenständig zu prüfen und gegebenenfalls zu handeln.

Was bedeutet Fahreignung in der Praxis?

Fahreignung bedeutet, dass eine Person in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. Dabei spielen sowohl körperliche als auch geistige Fähigkeiten eine Rolle. Einschränkungen können durch medizinische oder technische Maßnahmen, wie Fahrzeugumbauten oder Hilfsmittel, kompensiert werden.

Für den Nachweis der Fahreignung können medizinische Gutachten, psychologische Tests oder Fahrproben erforderlich sein. Dies gilt besonders für:

  • Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer, da sie strengeren Vorgaben unterliegen.
  • Fahrzeugklassen der Gruppe 2 (z. B. Lkw und Busse), die höhere Anforderungen an die Fahrsicherheit stellen.

Wie wirken sich verschiedene Behinderungen und Erkrankungen auf die Fahreignung aus?

Diabetes

Personen mit Diabetes können grundsätzlich fahren, sofern sie keine häufigen Unterzuckerungen (Hypoglykämien) oder Überzuckerungen (Hyperglykämien) erleiden, die die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen. Berufskraftfahrer unterliegen strengeren Kontrollen. Bei schwerem Krankheitsverlauf oder unkontrollierten Stoffwechsellagen ist das Führen von Fahrzeugen untersagt.

Besondere Vorsicht:

  • Hypoglykämien: Gefahr von plötzlichem Kontrollverlust.
  • Hyperglykämien: Beeinträchtigung tritt langsamer auf, wird jedoch meist rechtzeitig erkannt.

Epilepsie

Die Fahrerlaubnis bei Epilepsie hängt von der Häufigkeit und Art der Anfälle ab. Eine Fahrerlaubnis wird nur erteilt, wenn nachweislich über einen längeren Zeitraum keine Anfälle auftreten. Jährliche neurologische Kontrolluntersuchungen sind verpflichtend.

Hörminderungen

Hörminderungen oder Gehörlosigkeit schließen das Führen von Fahrzeugen in der Regel nicht aus. Allerdings können für Fahrzeugklassen der Gruppe 2 (z. B. Busse) zusätzliche Auflagen wie regelmäßige Untersuchungen, Fahrpraxis und medizinisch-technische Hilfsmittel erforderlich sein.

Kognitive Einschränkungen

Menschen mit kognitiven Einschränkungen können fahren, wenn keine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr besteht. Eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) sowie angepasste Fahrschulprogramme können die Eignung prüfen und fördern.

Körperbehinderungen

Menschen mit Querschnittlähmung, Amputation oder anderen Bewegungseinschränkungen können Fahrzeuge führen, sofern entsprechende Umrüstungen vorgenommen wurden. Fahrproben in angepassten Fahrzeugen sind obligatorisch, um die Eignung zu bestätigen.

Multiple Sklerose (MS)

MS-Patienten benötigen häufig medizinische und technische Gutachten sowie Fahrproben. Die individuellen Symptome, wie Fatigue oder motorische Störungen, bestimmen die Fahreignung.

Psychische Erkrankungen

Depressionen, Psychosen oder andere psychische Leiden können die Fahreignung beeinflussen. Insbesondere die Wirkung von Psychopharmaka, die Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit dämpfen, wird hierbei geprüft. Für Fahrzeugklassen der Gruppe 2 ist bei schweren psychischen Erkrankungen in der Regel keine Fahreignung gegeben.

Sehbehinderungen

Eine ausreichende Sehschärfe ist unerlässlich für das Führen von Fahrzeugen. Personen mit einer Sehschärfe von mindestens 0,5 auf dem besseren Auge können in der Regel fahren. Blinden Menschen ist das Autofahren grundsätzlich verboten.

Parkinson

In leichten Fällen und bei erfolgreicher Therapie können Parkinson-Patienten Fahrzeuge der Gruppe 1 führen. Für die Gruppe 2 wird jedoch keine Fahrerlaubnis erteilt.

Welche Maßnahmen können Fahreinschränkungen ausgleichen?

Für viele Betroffene bieten technische Anpassungen und medizinische Hilfsmittel eine Möglichkeit, trotz Einschränkungen mobil zu bleiben. Beispiele sind:

  • Fahrzeugumbauten (z. B. Handgas- und Bremssysteme)
  • Medizinische Hilfsmittel wie Hörgeräte
  • Spezielle Fahrschulangebote (z. B. Unterricht in Gebärdensprache)

Fazit: Individuelle Prüfungen sind entscheidend

Die Fahreignung bei bestimmten Behinderungen und Erkrankungen erfordert eine individuelle Betrachtung. Betroffene sollten sich frühzeitig mit medizinischen Fachkräften und Behörden abstimmen, um ihre Mobilität zu sichern und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Dank moderner Hilfsmittel und angepasster Ausbildungsmöglichkeiten können viele Menschen mit Schwerbehinderungen weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen – sicher und selbstständig.