Schwerbehinderung: Merkzeichen G auch bei GdB unter 50

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Ein Merkzeichen G setzt Funktionsstรถrungen der unteren Wirbelsรคule mit einen Grad der Behinderung von mindestens 50 voraus. Das Landessozialgericht Berlin entschied jedoch in einem speziellen Fall anders. Demzufolge kann auch dann ein Anspruch auf das Merkzeichen G bestehen, wenn Funktionsstรถrungen zwar fรผr sich genommen einen Grad der Behinderung von unter 50 haben, aber mit einer Teilversteifung des Kniegelenks in ungรผnstiger Stellung gleichzusetzen sind. (L 13 SB 73/13)

Kรผnstliches Kniegelenk und Antrag auf Schwerbehinderung

Der Betroffene hat ein kรผnstliches Kniegelenk und beantragte beim zustรคndigen Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis. Dieses erhielt aber nicht, da sein Gesamtgrad der Behinderung unter 50 liegt. Er war jedoch รผberzeugt, dass er diesen Anspruch hatte, da er wegen starker Kniebeschwerden eingeschrรคnkt war.

Vor dem Sozialgericht scheitert die Klage

Deshalb klagte er vor dem Sozialgericht. Dort blieb er mit seiner Klage erfolglos. Im Urteil zur folgenden Berufung vor dem Landessozialgericht steht: โ€žDie nur noch hinsichtlich der Anerkennung des Merkzeichens “G” fortgefรผhrte Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 29. Januar 2013 abgewiesen. Zur Begrรผndung hat es ausgefรผhrt, bei dem Klรคger lรคgen keine Funktionsstรถrungen der unteren GliedmaรŸen und/oder der Lendenwirbelsรคule vor, die fรผr sich einen GdB von wenigstens 50 bedingten.โ€œ

Landessozialgericht bestรคtigt Anspruch auf Merkzeichen

Er ging in Berufung vor das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Wรคhrend des dortigen Verfahrens stellte er zudem einen Verschlimmerungsantrag. Das Landessozialgericht holte die Stellungnahme eines Gutachters ein.

Dieser fรผhrte aus, โ€ždass die Implantation, Explantation und Reimplantation der Knie-TEP bei Empyembildung mit einer EinbuรŸe der Gang- und Standfรคhigkeit verbunden sei, die aufgrund ihrer orthostatischen Auswirkungen einer Teilversteifung in einer ungรผnstigen Stellung gleichzusetzen sei.โ€œ Die Richter bestรคtigten den Anspruch auf das Merkzeichen und begrรผndeten dies ausfรผhrlich.

Die Einschrรคnkungen sind real

Die Richter erklรคrten, entscheidend sei, wie man am StraรŸenverkehr teilnehmen kรถnne, ohne dabei sich und andere zu gefรคhrden. Wenn durch ein kรผnstliches Kniegelenk die Geh- und Standsicherheit erheblich eingeschrรคnkt sei, dann habe man Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis und das Merkzeichen G.

Dabei sei entscheidend, welche Wegstrecken allgemein noch zu FuรŸ zurรผckgelegt werden kรถnnten. Als ortsรผbliche Wegstrecke gelte laut Bundessozialgericht eine Strecke von rund zwei Kilometern in 30 Minuten. Laut einer Gutachterin sei dies dem Betroffenen nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten mรถglich.

Einzelgrade der Behinderung sind nicht alles

Die Richter betonten, dass es im Einzelfall nicht um abstrakte Zahlenspielen ginge und kritisierten damit indirekt auch das Messen des Grades der Behinderung anhand der festgestellten Einzelgrade. Die Richter fรผhrten aus: โ€žDas menschliche Gehvermรถgen ist keine statische MessgrรถรŸe, sondern wird von verschieยญdenen Faktoren geprรคgt und variiert.โ€œ Auf dieser Grundlage sei dem Betroffenen die ortsรผbliche Wegstrecke “infolge einer Einschrรคnkung des Gehvermรถgens” nicht mรถglich.

Die Richter erรถrterten: โ€žDenn nach den รผberzeugenden Darlegungen des Sachverstรคndigen Dr. A wirkt sich auf dessen Gehfรคhigkeit die aus der Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenks folgende wesentliche Gang- und Standunsicherheit negativ aus, die einer Teilversteifung in einer ungรผnstigen Stellung gleichzusetzen und mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten ist.โ€œ Deshalb sei der Anspruch auf einen Schwerbehidnertenausweis ebenso gegeben wie auf das Merkzeichen G.