Nach 45 Jahren Rentenbeitrag früher ohne Abschläge in Rente zu gehen ist für viele ein Ziel nach Jahrzehnten harter Arbeit.
Doch dieser vermeintlich einfache Weg birgt Fallstricke, die langfristige Auswirkungen haben können. Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt zeigt alle wichtigen Punkte der vorgezogenen Altersrente. Er zeigt mögliche Risiken auf und gibt konkrete Ratschläge, wie man sich optimal auf die Rente ohne Abschläge vorbereitet und keinen Fehler machen.
Wer kann die vorgezogene Rente nach 45 Jahren Beiträgen in die Rentenversicherung in Anspruch nehmen?
Die vorgezogene Altersrente richtet sich an “besonders langjährig Versicherte”. Dazu müssen Sie nachweisen, dass Sie mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Doch nicht alle Zeiten zählen.
Berücksichtigt werden:
- Pflichtbeiträge aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung
- Kindererziehungszeiten
- Pflegezeiten
- Zeiten der Wehr- oder Zivildienstpflicht
- Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld oder Krankengeld
Nicht berücksichtigt werden:
- Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Hartz IV)
- Freiwillige Beiträge
- Zeiten ohne rentenrechtlich relevante Tätigkeit
Eine präzise Prüfung Ihrer Beitragszeiten durch die Deutsche Rentenversicherung ist unerlässlich.
Mindestalter: Entscheidend für die abschlagsfreie Rente
Die 45 Beitragsjahre allein reichen nicht. Entscheidend ist auch das Mindestalter. Dieses richtet sich nach Ihrem Geburtsjahrgang. Für den Jahrgang 1960 liegt die Regelaltersgrenze beispielsweise bei 66 Jahren und 10 Monaten. Somit können Sie frühestens mit 64 Jahren und 10 Monaten abschlagsfrei in Rente gehen. Wer früher in den Ruhestand tritt, riskiert Abschläge – und diese können teuer werden.
Die Risiken: Warum der frühe Ruhestand eine Kostenfalle sein kann
Verlust der abschlagsfreien Rente
Die wichtigste Regel lautet: Wer die vorgezogene Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen möchte, muss genau auf die Details achten. Sobald Sie vor dem vorgesehenen Mindestalter (z. B. 64 Jahre und 10 Monate) in Rente gehen, wechseln Sie automatisch in die Kategorie der “langjährig Versicherten”. In dieser Kategorie gelten andere Bedingungen:
- Abschläge von 0,3 % pro Monat: Für jeden Monat, den Sie vor der Regelaltersgrenze in Rente gehen, wird Ihre Rente gekürzt.
- Maximaler Abschlag: Die Kürzung kann bis zu 14,4 % Ihrer gesamten Rentenzahlung betragen.
Dauerhafte Auswirkungen der Abschläge
Ein häufiger Irrtum ist, dass die Abschläge mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Tatsächlich bleiben diese Kürzungen lebenslang bestehen und verringern auch die Basis für Ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Ein Beispiel: Angenommen, Ihre reguläre Rente beträgt 1.500 Euro. Mit einem Abschlag von 10 % erhalten Sie nur noch 1.350 Euro. Auf 20 Jahre hochgerechnet, verlieren Sie insgesamt 36.000 Euro – eine Summe, die viele unterschätzen.
Welche Alternativen gibt es zur vorgezogenen Altersrente?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Übergang in den Ruhestand flexibel zu gestalten und Abschläge zu vermeiden:
Teilrente und Minijob
Die Kombination aus einer Teilrente und einem Minijob ermöglicht es Ihnen, weiterhin Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten und Ihre Rente aufzubessern. Gleichzeitig können Sie Ihre Arbeitszeit schrittweise reduzieren.
Übergangsmodelle mit Arbeitslosengeld oder Krankengeld
Unter bestimmten Voraussetzungen können Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Krankengeld als Übergangslösung genutzt werden. Hierbei sollten Sie jedoch mögliche Nachteile wie eine geringere Rentenhöhe genau prüfen.
Altersvorsorge durch Zusatzleistungen
Eine private Altersvorsorge kann helfen, finanzielle Lücken zu schließen. Optionen wie betriebliche Altersvorsorge oder private Rentenversicherungen bieten zusätzliche Sicherheit im Ruhestand.
Wie können Sie Ihre Rente optimal planen?
Eine solide Planung ist entscheidend, um finanzielle Einbußen zu vermeiden und Ihren Ruhestand nach Ihren Vorstellungen zu gestalten.
Schritt 1: Renteninformation einholen
Fordern Sie regelmäßig eine Renteninformation bei der Deutschen Rentenversicherung an. Diese gibt Ihnen Auskunft über Ihre voraussichtliche Rentenhöhe und Ihre bisher gesammelten Beitragsjahre.
Schritt 2: Rentenberechnung durchführen
Berechnen Sie genau, wie sich eine vorzeitige Rente auf Ihre finanzielle Situation auswirkt. Berücksichtigen Sie dabei nicht nur die monatliche Rente, sondern auch die Auswirkungen auf Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Schritt 3: Beratung in Anspruch nehmen
Nutzen Sie die Expertise von Rentenberatern und Verbänden wie dem VdK, dem SoVD oder dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Diese Organisationen bieten fundierte Beratung und unterstützen Sie bei der Entscheidungsfindung.
Häufige Fehler vermeiden
- Abschläge unterschätzen: Viele Versicherte denken, dass die Kürzungen nur vorübergehend gelten. Die Wahrheit ist, dass diese lebenslang bestehen bleiben.
- Alternativen übersehen: Möglichkeiten wie die Teilrente oder ein flexibler Übergang werden oft nicht genutzt.
- Fehlende Beratung: Ein falscher Rentenantrag kann zu dauerhaften Einbußen führen. Professionelle Unterstützung ist hier unverzichtbar.
Gut vorbereitet in den Ruhestand
Die vorgezogene Altersrente kann eine attraktive Möglichkeit sein, früher den Ruhestand zu genießen. Doch ohne eine sorgfältige Planung und genaue Kenntnis der Regelungen kann sie schnell zur Kostenfalle werden. Nutzen Sie alle verfügbaren Informationen, rechnen Sie Ihre Optionen durch und holen Sie sich Unterstützung, um die beste Entscheidung für Ihre persönliche Lebenssituation zu treffen. Denn ein entspannter und finanziell abgesicherter Ruhestand sollte das Ziel sein – ohne böse Überraschungen.
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.