Fremdfirma ermittelte bei Hartz IV-Empfängern

Lesedauer 2 Minuten

Fremdfirma "ermittelte" bei Hartz-IV-Empfängern

"Bedarfsfeststellungsdienste" oder anders formuliert: Bespitzelungen von Hartz IV Betroffenen durch eine beauftragte Fremdfirma – was offensichtlich bei der ARGE Rhein-Erft im Westen Nordrhein-Westfalens von 2006 bis 2009 zur gängigen Praxis gehörte, wurde nun in einem vom Rechnungsprüfungsamt dem Fachausschuss vorgelegten Bericht zumindest
für die Jahre 2007 und 2008 laut der "Kölnischer Rundschau" als "aus vergaberechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen [.] bedenklich eingestuft."

Dieses augenscheinlich milde Urteil lässt allerdings Hans Decruppe, Kreistagsfraktionsvorsitzender der Linken, so nicht stehen –
so präsentierte er gestern im Rahmen einer Pressekonferenz einen Teil des Berichts (der zeitnah im Amtsblatt erscheinen soll) einer Gruppe von Medienvertretern und bezeichnete das Vorgehen des Leistungsträgers als "Datenschutzskandal“ und „Stasi-Methoden“. Decruppe forderte Transparenz in Hinblick auf die ermittelten Daten sowie auf die Methodik der Datenerhebung und sprach offen aus, was angesichts dieser Geschichte wohl vielen durch den Kopf geht: Versickern hierzulande horrende Summen in "Ermittlungen" bei Hartz-IV-Empfängern? Denn laut des Berichts seien im Jahr 2007 300.000 Euro an das Unternehmen geflossen, was jedoch bereits Fragen aufwirft, denn Aufträge in solcher Höhe dürfte die ARGE gar nicht freihändig vergeben, sondern müssten laut den EU-Vergaberichtlinien europaweit ausgeschrieben werden.

Des Weiteren förderten die Prüfer der "Kölnischen Rundschau" nach beim Thema Datenschutz einige interessante Aspekte zu Tage: So wären in Köln direkt und im Umkreis für den so genannten "Bedarfsfeststellungsdienst" ausschließlich eigene
Außendienstmitarbeiter zuständig, aus Düsseldorf wurde außerdem bekannt, dass der Landesdatenschutzbeauftragte die Auftragsvergabe an eine Fremdfirma als „äußerst kritisch“ einschätze und der genannten ARGE empfehlen würde, in diesem Falle gegenüber der Datenschutzbehörde eine uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewährleisten. Laut Herbert Botz, dem Geschäftsführer der ARGE Rhein-Erft, habe man umgehend auf die Prüfung reagiert und den Vertrag mit dem Unternehmen gekündigt – Erklärungen für das Geschehene werden sogleich mitgeliefert: Der Vertrag habe bereits vor Botz´ Antritt als Geschäftsführer 2007 bestanden und zudem hätte man sich beim Auftragsvolumen verkalkuliert, denn dieses sei am Ende höher ausgefallen als man erwartet habe.

Auch das Vorgehen des beauftragten Unternehmens im Falle einer "Bedarfsfeststellung" veranschaulicht Botz auf den ersten Blick recht nachvollziehbar am Beispiel einer jungen Mutter, die ALG II empfängt: So wurde nach der Antragsstellung für eine Wickelkommode lediglich untersucht, wie es um die Kommode stehe, die die Frau zwei Jahre zuvor gekauft hatte – der "Rundschau" nach gäbe es jedoch Informationen, die darauf hindeuten würden, dass hier in mindestens einem Fall geltendes
Recht nicht eingehalten worden sei, da persönliche Unterlagen des Hartz IV Betroffenen durch Mitarbeiter konfisziert worden wären. Doch auch wenn Botz der "Rundschau" nach diese Informationen bestätigt habe, so weigert er sich dennoch, hierzu eine weitere Stellungnahme abzugeben – denn ein Strafverfahren kann hier wohl kaum ausgeschlossen werden. Und am Schluss bleibt die traurige Erkenntniss, dass in dem Bericht des Rechnungsprüfamts die Prüfmethoden der ARGE Rhein-Erft nicht der einizige Grund zur Beanstandung sind: So wurden von Januar bis September 2008 bei der ARGE insgesamt 2713 Widersprüche wegen fehlerhaften Bescheiden eingelegt, von denen – zumeist aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung – knapp 50 Prozent stattgegeben werden musste. (30.01.2010)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...