Faktencheck: BILD wettert gegen Bürgergeld und verdreht Fakten

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Die BILD-Zeitung aus dem Springer-Verlag hetzt (mal wieder) gegen die Erhöhung des Bürgergeldes 2024. Um zwölf Prozent soll das Bürgergeld im kommenden Jahr steigen und zitiert dann den Verband der Gebäudereiniger, der laut BILD behauptet, dass in zwei Dritteln der 2500 Betriebe die Mitarbeiter für das Bürgergeld kündigen würden.

BILD verschweigt die Berechnung

Was BILD nicht erwähnt: Anpassungen des Bürgergeldes erfolgen nicht willkürlich, sondern nach einem festgelegten Rechenmodell.

Dieses Rechenmodell bezieht sich auf die Entwicklung der Löhne und auf die Entwicklung der Preise, die für den Regelbedarf wichtig sind. Kurz gesagt: Das Bürgergeld steigt, weil und wenn die Nettolöhne und die Preise steigen. Wer von Bürgergeld abhängig ist, bekommt also bei steigenden Preisen unterm Strich nicht mehr als zuvor, sondern so viel, dass die jetzt höheren Kosten des Existenzminimums gesichert sind.

Kein Beleg für massenhafte Schwarzarbeit

Dann zitiert BILD als „Arbeitsexperten“ einen „Professor Friedrich Schneider von der Uni Linz“. Dieser ist emeritiertes Institutsmitglied am Forschungsinstitut für Bankwesen und behauptet, laut BILD: „Ich schätze, dass rund ein Drittel aller erwerbsfähigen Bürgergeld-Bezieher schwarz dazuverdienen.“ Belege für seinen Verdacht liefert er nicht.

Das ZDF wollte es genauer wissen und fragte deshalb beim Zoll nach. Der antwortete, es habe bei Bürger- und Arbeitslosengeld 2022 rund 85.700 eingeleitete und knapp 86.700 erledigte Ermittlungsverfahren wegen Leistungsmissbrauch gegeben. Bei mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Berechtigten sind es also, laut ZDF, nur wenig Verdachtsfälle wegen Sozialbetrugs beim Bürgergeld.

Steuerhinterziehung ist schlimmer als Schwarzarbeit

Ökonom Schneider wird auch vom ZDF befragt und äußert sich differenzierter, als es bei BILD den Anschein hat. So stellt er die vom Zoll genannten Fakten nicht in Frage: „Diese Zahlen sind nicht schlecht – beziehen aber nicht die Dunkelziffer ein.“

Zudem sagt er: „Sozialbetrug beginnt auch schon dort, wo ich jemanden schwarz beschäftige für die Kranken- oder die Altenpflege der Eltern oder Großeltern.“ Im selben Beitrag rückt Schneider dann allerdings Dimensionen gerade. Der volkswirtschaftliche Schaden durch es ZDF ist seiner Aussage zufolge wesentlich größer als durch Schwarzarbeit insgesamt: „Gleichzeitig lohnt es sich aber viel mehr Steuerhinterziehung zu bekämpfen, weil da steckt deutlich mehr Geld drin.“

Höherer Anreiz für Schwarzarbeit?

BILD zitiert Schneider dann weiter: „Wenn Bürgergeld-Bezieher schwarzarbeiten (…) ist der Anreiz oft höher als einen regulären Job anzunehmen. Dann werden Steuern und Versicherungsbeiträge fällig, die den Verdienst reduzieren.“ Was hier nicht erwähnt wird, und was nicht nur Bürgergeld-Abhängigen, sondern auch Freiberuflern, die auf Honorarbasis arbeiten, zu schaffen macht, ist gerade die fehlende Versicherung.

Wer Bürgergeld bezieht, zahlt nämlich keine Beiträge in die Rentenversicherung ein. Wer schwarz arbeitet, tut dies ebenfalls nicht. Gerade für Menschen, die wenig verdienen, sind langjährige Beiträge in die Rentenversicherung jedoch wichtig, um im Alter über das Existenzminimum zu kommen.

Mit anderen Worten: Bezüglich der Rente ist es sinnvoll, in einem regulären Job zu arbeiten und schwarz dazuverdienen. Es ist aber für die Rente gefährlich, Bürgergeld zu beziehen und schwarz zu arbeiten. Gerade wer Bürgergeld bezieht, hat hingegen ein sehr starkes Motiv, in einen regulären Job zu kommen, damit die Rente gesichert ist.

Die Löhne sind zu niedrig

BILD zitiert dann noch Holger Schäfer vom Institut für Deutsche Wirtschaft mit den Worten: „Besonders gefährdet für einen Wechsel zum Bürgergeld sind Beschäftigte mit geringen Löhnen. Die finden sich zum Beispiel unter Ungelernten in der Gastronomie, im Friseurhandwerk und Verkauf.“

Was Schäfer nicht erwähnt: Bürgergeld heißt Existenzminmum. Sehr viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, sind Aufstocker, also Menschen, die trotz Erwerbsarbeit zu wenig Geld zum Leben haben.

Wenn Löhne allerdings so gering sind, dass sie dem Existenzminimum nahe kommen oder dieses unterstreiten, ist nicht das als Sozialleistung ausgezahlte Existenzminimum das Problem, sondern der Lohn ist zu niedrig.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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