Erwerbslosenberatung: Öffnet die Eingangszonen für Hartz IV-Bezieher!

Lesedauer 3 Minuten

Die 3. Welle der Corona-Pandemie hat begonnen. Verschärfungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie werden kommen. Zwar wurden die Hürden der Antragsstellung von Sozial- und Hartz IV Leistungen gesenkt, allerdings mauern sich die Jobcenter vielerorts regelrecht ein.

Eindringlicher Appell von Tacheles

Die Erwerbslosenberatungsstelle Tacheles e.V. hat einen eindringlichen Appell veröffentlicht. Denn das Jobcenter ist für viele Hilfebedürftige nicht erreichbar, Anträge und Unterlagen können nicht beweissicher eingereicht werden. Eine direkte und niedrigschwellige Kommunikation ist nicht möglich. Existenzielle Notlagen sind die direkte Folge. Tacheles e.V. fordert daher “die Verantwortlichen zur sofortigen Öffnung der Eingangszonen auf”.

Bereits seit dem ersten Lockdown vor ca. einem Jahr sind die Eingangszonen der Geschäftsstellen des Jobcenters Wuppertal geschlossen. Dadurch haben Hilfebedürftige, um z.B. Leistungen zu beantragen, lediglich die Möglichkeit per E-Mail oder Telefon Kontakt zum Jobcenter aufzunehmen. Persönliche Vorsprachen sind nur in dringenden Fällen und nach vorheriger Vereinbarung möglich.

Diese eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten bedeuten für Menschen, die Leistungen vom Jobcenter beziehen und ganz besonders für Neuantragsstellende eine erhebliche Hürde für die Verwirklichung ihrer Leistungsansprüche.

Sozialbehörden sind gesetzlich verpflichtet

Sozialbehörden sind gesetzlich dazu verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass Leistungsberechtigte „die ihnen zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhalten“ (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I). Das Verwaltungsverfahren ist „einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen“ (§ 9 S. 2 SGB X).

Ferner müssen „die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen“ (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I), der Zugang zu den Sozialleistungen ist möglichst einfach zu gestalten (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I) und „die Verwaltungs- und Dienstgebäude haben frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren zu sein“ (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB I) und die Leistungsträger sind verpflichtet dafür Sorge zu tragen das etwaig „unvollständige Angaben ergänzt werden“ (§ 16 Abs. 3 SGB I).

Von diesen rechtlich verankerten Vorgaben, ist die Realität meilenweit entfernt. Wie eine Befragung Wuppertaler Beratungsstellen aus Dezember 2020 zeigte, haben Hilfebedürftige, insbesondere bei mangelnden Sprachkenntnissen, aber auch wegen fehlender technischer Ausstattung (PC, Drucker, Scanner etc.) massive Schwierigkeiten, mit dem Jobcenter zu kommunizieren und zur Bearbeitung von Anträgen benötigte Unterlagen oder Nachweise einzureichen.

Jobcenter sind nicht erreichbar

Betroffene berichten in der Sozialberatung zudem häufig, dass im Jobcenter telefonisch niemand zu erreichen sei, E-Mails unbeantwortet blieben oder die Mitarbeiter*innen nicht erreichbar sind und auf andere Mitarbeiter*innen verweisen, die dann auch nicht erreichbar sind. Diese Problematik wurde in der Umfrage bestätigt – neben dem Jobcenter wurde hier vor allem die Ausländerbehörde als unerreichbare Behörde hervorgehoben.

Werden Unterlagen dann mangels Alternativen in den Briefkasten des Jobcenters eingeworfen, haben die Antragsstellenden keine Möglichkeit den Zugang nachzuweisen. Dass Unterlagen verschwinden, die in die Briefkästen des Wuppertaler Jobcenters geworfen werden, ist ein Phänomen, welches Leistungsbeziehenden und Beratungsstellen in Wuppertal schon lange bekannt ist. Vor der Schließung der Eingangszonen konnten die eingereichten Unterlagen vor Ort eingescannt und der Eingang durch Stempel bestätigt werden. Dies ist nun nicht mehr möglich.

Dies alles hat eine erhebliche Verzögerung und Erschwerung der Antragsbearbeitung zur Folge. Insbesondere in Fällen von Neu- und Weiterbewilligungsanträgen bedeutet dies für die Betroffenen häufig existenzielle Notlagen wie Mittellosigkeit, Verschuldung, Strom- und Heizungssperren, Wohnungskündigungen und -räumungen etc.

Von einem vereinfachten Zugang zu Sozialleistungen, wie im Rahmen der Sozialschutzpakete 1 – 3, nach § 67 SGB II vorgesehen, kann jedenfalls keine Rede sein.

Niederschwelligen Zugang schaffen

Die Möglichkeit des persönlichen Kontakts in den Eingangszonen der Jobcenter bedeutet einen niedrigschwelligen und schnelleren Zugang zu existenzsichernden Leistungen, für viele Leistungsbeziehende und Antragsstellende außerdem die einzig praktikable Möglichkeit der Kommunikation mit der Behörde und der (nachweisbaren) Einreichung von Anträgen und Unterlagen.

Andere Behörden, wie das Einwohnermeldeamt, beweisen, dass ein persönlicher Zugang, unter Einhaltung von Hygienevorschriften zum Schutz von Mitarbeitenden und Bürger*innen, auch in Zeiten der Corona-Pandemie möglich ist. Wieso nach über einem Jahr nun immer noch keine entsprechende Lösung für das Jobcenter gefunden wurde, ist daher umso unverständlicher. Immerhin hängen existenzsichernde Leistungen, auf die beinahe 50.000 Wuppertaler*innen in über 23.000 Bedarfsgemeinschaften angewiesen sind, von der Arbeit und eben auch der Erreichbarkeit dieser Behörde ab.

Die momentane Situation ist für betroffene Menschen nicht tragbar.

Ausbau der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten gefordert

Auch ein Ausbau und Modernisierung der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten wäre, gerade jetzt, notwendiger denn je. Wie ein bürger*innenfreundlicher digitaler Zugang zu Behörden funktionieren kann, zeigt z.B. das Jobcenter Kreis Bergstraße, das umfassende Online-Services zur Beantragung von Leistungen und Einreichung von Unterlagen anbietet (mehr dazu unter hier).

Aber auch der Ausbau digitaler Kommunikationsmöglichkeiten bis hin zur online-Antragstellung birgt die Gefahr, dass Menschen ohne oder mit eingeschränktem Zugang zu digitaler Kommunikation abgehängt werden. Daher dürfen solche Angebote nur zusätzlich zum persönlichen Zugang zu den Behörden etabliert werden und diesen nicht ersetzen.

Tacheles sieht sich daher veranlasst, die dargelegte Problemlage öffentlich anzuzeigen. Die Initiative fordert die zuständigen Behörden in Wuppertal nachdrücklich auf, die Eingangszonen der Jobcenter sofort wieder zu öffnen. Ein Schutz der Mitarbeitenden und Kund*innen der Jobcenter vor Ansteckung ist dabei selbstverständlich zu gewährleisten!

Die Problemanzeige wurde an den Oberbürgermeister, die Geschäftsführung Jobcenter, den Verwaltungsrat des Jobcenters, demokratische Parteien des Rates sowie der Stadt Wuppertal und einzelne Stadtverordnete versendet.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...