Wer monatelang arbeitsunfähig ist, stellt sich früher oder später die Frage, ob und wie das bisherige Arbeitsverhältnis weiterbesteht. Besonders heikel wird es, wenn die Deutsche Rentenversicherung eine volle Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) bewilligt und damit anerkennt, dass der Betroffene auf absehbare Zeit weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann.
Erwerbsminderungsrente im Überblick
Die EM-Rente ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung, die vor dem regulären Renteneintrittsalter greift. Voraussetzung ist, dass gesundheitliche Einschränkungen jede Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich reduzieren – und zwar nach ärztlicher Einschätzung für mindestens sechs Monate.
Ob jemand zuvor als Kfz-Mechatronikerin, Sachbearbeiter oder Akademikerin tätig war, spielt dabei keine Rolle; maßgeblich ist allein die Arbeitsfähigkeit.
Befristete Rente: Vertragsruhe statt Kündigung
Wird die volle EM-Rente nur für einen begrenzten Zeitraum – häufig zwei bis drei Jahre – bewilligt, ruht das Arbeitsverhältnis automatisch.
Der Arbeitgeber zahlt in dieser Phase kein Arbeitsentgelt, behält aber den Arbeitsplatz formal bei; nach Auslaufen der Befristung könnte die oder der Beschäftigte theoretisch zurückkehren, sofern die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist.
Tarifverträge wie der TV-L regeln das Ruhen ausdrücklich und knüpfen es an den Zeitpunkt der Zustellung des Rentenbescheids.
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Kündigung trotz Ruhen möglich
Das Ruhen schützt allerdings nicht vor einer krankheitsbedingten Kündigung. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Arbeitgeber selbst während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses kündigen, wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt und betriebliche Interessen beeinträchtigt werden.
Ob eine solche Kündigung Bestand hat, hängt stets von einer Interessenabwägung ab und ist gerichtlich überprüfbar.
Unbefristete Rente: Blick in Tarif- und Arbeitsverträge wichtig
Wird die EM-Rente unbefristet bewilligt, kommt es auf die jeweiligen Vertragsgrundlagen an. Im öffentlichen Dienst sieht § 33 Abs. 2 TVöD beziehungsweise TV-L in der Regel vor, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Rentenbescheid zugeht.
Eine automatische Beendigung tritt aber nur ein, wenn der Tarif- oder Arbeitsvertrag dies explizit vorsieht. Fehlt eine solche Klausel, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, bis Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine einvernehmliche Lösung – etwa einen Aufhebungsvertrag – finden oder eine Kündigung ausgesprochen wird.
Widerspruch stoppt automatische Beendigung
Ein wichtiger Schutzmechanismus: Wer gegen den Rentenbescheid form- und fristgerecht Widerspruch einlegt und den Arbeitgeber unverzüglich darüber informiert, verhindert vorerst die tarifliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis in diesem Fall fortbesteht, bis über den Widerspruch entschieden ist.
Teilweise Erwerbsminderung und Weiterbeschäftigung
Erhalten Beschäftigte eine unbefristete teilweise Erwerbsminderungsrente, endet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch.
Im öffentlichen Dienst kann es fortgeführt werden, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen den Wunsch zur Weiterbeschäftigung äußert und eine leidensgerechte Tätigkeit vorhanden ist. Die Regelung soll sicherstellen, dass Menschen mit reduzierter Leistungsfähigkeit nicht vorschnell aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen.
Kein Zustimmungserfordernis des Integrationsamts
Bei einer unbefristeten vollen EM-Rente hat das Integrationsamt einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzustimmen. Das Bundesarbeitsgericht sieht darin keinen diskriminierenden Akt, weil der Rentenbezug als Beweis endgültiger Unmöglichkeit der Arbeitsleistung gewertet wird.
Schwerbehinderte Beschäftigte können aber – wie alle anderen auch – gerichtlich prüfen lassen, ob die vertragliche Beendigungsklausel wirksam ist.
Handlungsbedarf: Reden mit dem Arbeitgeber
Unabhängig von Tarifbindungen gilt: Sobald der Rentenbescheid vorliegt, sollten Betroffene umgehend die Personalabteilung kontaktieren, um die Folgen für Urlaubstage, betriebliche Altersversorgung und mögliche Abfindungen zu klären.
Liegt keine automatische Beendigungsklausel vor, empfiehlt sich eine schriftliche Vereinbarung über das Vertragsende. Ohne eine solche Einigung kann der Arbeitgeber zwar kündigen, doch das birgt juristische Risiken für beide Seiten – von Kündigungsschutzklagen bis zu Nachzahlungsansprüchen.
Rechtsschutz und Beratung
Gerade wer nach langer Krankheit erschöpft ist, fühlt sich mit Formalitäten schnell überfordert. Sozialverbände wie der SoVD, Gewerkschaften und Fachanwälte für Arbeits- oder Sozialrecht bieten Unterstützung bei Widersprüchen, beim Prüfen von Verträgen und bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge.
Dies ist sinnvoll, weil von der richtigen Vorgehensweise nicht nur das Ende des Arbeitsverhältnisses, sondern auch der dauerhafte Rentenanspruch, der Krankenversicherungsschutz und mögliche Hinzuverdienstgrenzen abhängen.
Fazit
Ob der Arbeitsvertrag im Zuge einer Erwerbsminderungsrente endet, ruht oder fortbesteht, hängt maßgeblich von der Befristung der Rente und den vertraglichen Regelungen ab. Befristete Renten lassen das Arbeitsverhältnis ruhen, unbefristete Renten können – müssen aber nicht – automatisch zur Beendigung führen. Deshalb lautet der wichtigste Rat: Rentenbescheid prüfen, Vertragsunterlagen studieren, Personalabteilung informieren und bei Unsicherheiten fachkundigen Rat einholen. Nur so lassen sich Nachteile vermeiden.