Wie wird die gesetzliche Erwerbsminderungsrente berechnet? In diesem Beitrag finden Sie eine präzise und detaillierte Erläuterung, wie sich die Erwerbsminderungsrente berechnet und welche Faktoren einen Einfluss haben.
Inhaltsverzeichnis
Berechnung der Entgeltpunkte
Der erste Schritt der Berechnung der Erwerbsminderungsrente besteht in der Ermittlung der Entgeltpunkte. Diese Punkte bilden die Grundlage der Rentenberechnung. Entgeltpunkte sind die Währung der gesetzlichen Rentenversicherung und werden durch Beitragszahlungen erworben.
Der eigene Jahresverdienst wird dabei ins Verhältnis zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten gesetzt. Der Durchschnittsverdienst 2024 liegt vorläufig bei 44.732 Euro für Ostdeutschland und 45.358 Euro für Westdeutschland.
Jahr | Alte Bundesländer |
Neue Bundesländer
|
2024 | 45.358 EUR* | 44.732 EUR* |
2023 | 43.142 EUR | 41.967 EUR |
2022 | 42.053 EUR | 40.358 EUR |
2021 | 40.463 EUR | 38.317 EUR |
2020 | 39.167 EUR | 36.605 EUR |
2019 | 39.301 EUR | 36.256 EUR |
2018 | 38.212 EUR | 33.700 EUR |
2017 | 37.077 EUR | 32.598 EUR |
2016 | 36.187 EUR | 31.701 EUR |
2015 | 35.363 EUR | 30.745 EUR |
2014 | 34.514 EUR | 29.588 EUR |
*vorläufig
Einfluss des Durchschnittsverdienstes
Liegt der eigene Verdienst exakt beim Durchschnittsverdienst, wird ein Entgeltpunkt gutgeschrieben. Bei einem Verdienst, der bei der Hälfte des Durchschnitts liegt, wird ein halber Entgeltpunkt gutgeschrieben. Wer das Doppelte verdient, erhält zwei Entgeltpunkte.
Dabei gibt es eine Beitragsbemessungsgrenze, über die hinaus keine zusätzlichen Punkte mehr gesammelt werden können. Für das Jahr 2024 liegt diese Grenze bei 89.400 Euro in Ostdeutschland und 90.600 Euro in Westdeutschland.
Verdienste oberhalb dieser Grenze fließen nicht mehr in die Rentenberechnung ein.
Die Tabelle zeigt, wie viele Entgeltpunkte sie bei einem jeweiligen Verdienst bekommen:
Jahresgehalt
|
Entgeltpunkte Alte Bundesländer |
Entgeltpunkte Neue Bundesländer
|
20.000 EUR
|
0,4409 | 0,4471 |
30.000 EUR
|
0,6614 | 0,6707 |
40.000 EUR
|
0,8819 | 0,8942 |
44.732 EUR
|
0,9862 | 1 |
45.358 EUR
|
1 | 1,014 |
50.000 EUR
|
1,1023 | 1,1178 |
60.000 EUR
|
1,3228 | 1,3413 |
70.000 EUR
|
1,5433 | 1,5649 |
80.000 EUR
|
1,7637 | 1,7884 |
Beispielrechnung mit Entgeltpunkten
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Isabel hatte einen Autounfall im August 2024, durch den sie nicht mehr mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann. Sie erfüllt somit die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Isabel war 20 Jahre berufstätig und hat in dieser Zeit unterschiedlich verdient.
Sie hat bis August 2024 insgesamt 22,3 Entgeltpunkte erworben. Zusätzlich ist Isabel Mutter und hat ihren Sohn drei Jahre lang erzogen. Diese Zeit wurde ihr rentenrechtlich angerechnet, wodurch sie drei weitere Entgeltpunkte erhält. Insgesamt verfügt sie nun über 25,3 Entgeltpunkte.
Anrechnungszeiten: Schule und Studium
Nicht nur Erwerbsarbeit zählt für die Rentenberechnung. Auch schulische und universitäre Zeiten fließen unter bestimmten Bedingungen in die Berechnung mit ein. Ab dem 17. Lebensjahr werden Schul- und Studienzeiten als Anrechnungszeiten gewertet, auch wenn dafür keine Entgeltpunkte direkt vergeben werden.
Diese Zeiten verbessern den Durchschnitt der berechneten Entgeltpunkte. Eine Ausnahme ist der Besuch einer Fachschule: Pro Jahr Fachschulbesuch können maximal 0,75 Entgeltpunkte gutgeschrieben werden, wobei diese Anrechnung auf drei Jahre begrenzt ist.
Weitere anrechenbare Zeiten
Neben Erwerbsarbeit und Ausbildung gibt es weitere Lebensabschnitte, die die Rentenhöhe beeinflussen. Dazu gehören unter anderem Pflegezeiten von pflegebedürftigen Personen oder auch Zeiten, in denen Arbeitslosengeld II bezogen wurde. Die Dauer einer beruflichen Ausbildung wird ebenfalls angerechnet.
Zurechnungszeiten: Das Besondere bei der Erwerbsminderungsrente
Die Zurechnungszeiten stellen eine hypothetische Fortsetzung des Erwerbslebens dar. Es wird angenommen, dass der Betroffene ab dem Eintritt der Erwerbsminderung bis zu einem gesetzlich festgelegten Alter weiterhin wie bisher in die Rentenversicherung eingezahlt hätte.
Im Beispiel von Isabel endet die Zurechnungszeit mit 66 Jahren und einem Monat. Sie beginnt am 15. August 2024, dem Zeitpunkt des Unfalls, und endet mit dem genannten Alter.
Durchschnittliche Entgeltpunkte für Zurechnungszeiten
Die Rentenpunkte, die während der Zurechnungszeiten hypothetisch hinzukommen, werden anhand der zuvor im Erwerbsleben gesammelten Entgeltpunkte berechnet. Dabei wird der Zeitraum zwischen dem 17. Geburtstag und dem Eintritt der Erwerbsminderung betrachtet. Bei Isabel sind das 28 Jahre und neun Monate.
Diese Zeit wird jedoch um schulische und studienbedingte Anrechnungszeiten reduziert. In Isabels Fall beträgt dieser Zeitraum fünf Jahre und neun Monate, sodass der relevante Zeitraum 23 Jahre umfasst. Die durchschnittlich erworbenen Entgeltpunkte errechnen sich durch die Division der bisher erworbenen Entgeltpunkte durch diese 23 Jahre. Bei Isabel ergibt sich ein Durchschnitt von 1,1 Entgeltpunkten pro Jahr.
Diese werden mit den 20 Jahren der Zurechnungszeit multipliziert, wodurch weitere 22 Entgeltpunkte hinzukommen. Isabel hat also insgesamt 47,3 Entgeltpunkte.
Jahr des Eintritts in die Erwerbsminderungsrente | Zurechnungszeit wird berücksichtigt bis zu einem Alter von … | |
Jahren und … | Monate | |
2020 | 65 | 9 |
2021 | 65 | 10 |
2022 | 65 | 11 |
2023 | 66 | 0 |
2024 | 66 | 1 |
2025 | 66 | 2 |
2026 | 66 | 3 |
2027 | 66 | 4 |
2028 | 66 | 6 |
2029 | 66 | 8 |
2030 | 66 | 10 |
2031 | 67 | 0 |
Rentenabschlag bei Erwerbsminderungsrente
Ein weiterer Faktor, der die Rentenhöhe beeinflusst, ist der Rentenabschlag. Dieser wird immer dann angewendet, wenn die Erwerbsminderungsrente vor einem bestimmten Alter beginnt. Für jeden Monat, der vor diesem festgelegten Zeitpunkt liegt, wird ein Abschlag von 0,3 % vorgenommen. Der maximale Abschlag beträgt 10,8 %. Da Isabel zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung deutlich jünger als 64 Jahre und vier Monate ist, wird in ihrem Fall der maximale Abschlag in Höhe von 10,8 % angewendet. Das bedeutet, dass von den insgesamt 47,3 Entgeltpunkten 10,8 % abgezogen werden, sodass ihr am Ende 42,2 Entgeltpunkte verbleiben.
Berechnung der Bruttorente
Im letzten Schritt erfolgt die Berechnung der tatsächlichen Rentenhöhe. Dazu werden die verbleibenden Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert. Seit dem 1. Juli 2024 beträgt der Rentenwert sowohl in West- und Ostdeutschland 39,32 Euro. Die Berechnung lautet somit: 42,2 Entgeltpunkte × 39,32 Euro, was einer monatlichen Bruttorente von 1.659,30 Euro entspricht.
Nettorente nach Abzügen
Von der Bruttorente sind jedoch noch Abzüge zu machen. Gesetzlich krankenversicherte Rentner müssen derzeit etwa 11 % ihrer Bruttorente als Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abführen. In Isabels Fall bedeutet dies, dass sich die Rente von 1.659,30 Euro um ca. 182 Euro reduziert und somit bei etwa 1.477 Euro netto vor Steuern liegt. Ob darüber hinaus noch Steuern zu zahlen sind, hängt von der individuellen Einkommenssituation ab. Wäre Isabel alleinstehend und hätte keine weiteren Einkünfte, würde eine monatliche Steuerlast von etwa 30 bis 40 Euro anfallen.
Zusammenfassung der Berechnung für die Erwerbsminderungsrente
Zur Berechnung der Erwerbsminderungsrente benötigt man also folgende Faktoren: Entgeltpunkte, Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten und Rentenabschläge. Jeder dieser Faktoren beeinflusst die Höhe der Rente.
Im Fall von Isabel sehen wir, dass sie aufgrund ihrer Zurechnungszeiten und der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten eine höhere Rente erhält, als sie nur durch ihre bisherigen Beiträge erreicht hätte.
Rentenabschläge führen zu einer Reduzierung, sodass ihr am Ende eine Nettorente von etwa 1.477 Euro bleibt.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.