Wenn Hartz IV Bezieher keine Leistungen bezahlt bekommen, müssen sie schnell handeln. Dieser Leitfaden zeigt, wie es geht. Im Zweifelsfall eine Erwerbslosenberatungsstelle hinzuziehen oder einen versierten Fachanwalt für Sozialrecht konsultieren.
Einen Antrag auf eine „einstweilige Anordnung“ (§ 86 b Abs. 2 SGG) stellen!
Die „einstweilige Anordnung“ ist eigentlich ein Instrument für „Notfälle“. Da jedoch viele ALG-II-Bescheide fehlerhaft sind und Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, werden viele Arbeitslose in eine existenzielle Notlage gedrängt, so dass das Instrument der „einstweiligen Anordnung“ an Bedeutung gewinnt.
Eine „einstweilige Anordnung“ sollte beantragt werden, wenn:
der Antrag auf ALG II abgelehnt wurde oder nur erheblich gekürzte Leistungen bewilligt wurden und
dem Arbeitslosen die Mittel fehlen, den Lebensunterhalt zu bestreiten oder die Miete zu zahlen.
Die „einstweilige Anordnung“ zielt darauf ab, vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, bis im regulären Widerspruchs- und Klageverfahren entschieden worden ist („vorläufiger Rechtsschutz“). Im Kern geht es bei dem Antrag darum, die Eilbedürftigkeit nachzuweisen: Das Sozialgericht muss davon überzeugt werden, dass eine Entscheidung eilt und dringlich ist, und dass das reguläre Verfahren nicht abgewartet werden kann, weil das Existenzminimum nicht gesichert ist.
Bedingungen für eine „einstweilige Anordnung“
Für einen aussichtsreichen Antrag auf eine „einstweilige Anordnung“ müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
1. Es besteht ein so genannter Anordnungsanspruch
Das heißt, es muss ein Leistungsanspruch nach dem SGB II bestehen und im ALG-II-Bescheid wurden Leistungen rechtswidrig ganz abgelehnt oder nur rechtswidrig gekürzte Leistungen bewilligt.
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn
die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in der tatsächlichen Höhe übernommen wurden,
rechtswidrig Einkommen von Dritten angerechnet wurde (z.B. Mitbewohner wurden fälschlicherweise zu eheähnlichen Partnern gemacht; Unterstützungsvermutung durch Verwandte im Haushalt, obwohl der Vermutung widersprochen wurde),
die Einkommensanrechnung fehlerhaft ist und zu viel Einkommen angerechnet wurde (Nicht-Berücksichtigung von Absetz- und Freibeträgen).
Anders formuliert: Die einstweilige Anordnung eignet sich nicht, um grundlegende, verfassungsrelevante Einwände gegen das SGB II zu klären. Der Leistungsanspruch muss vielmehr klar sein.
2. Es besteht ein so genannter Anordnungsgrund
Das heißt, es besteht Eilbedürftigkeit, eine vorläufige Entscheidung ist geboten, da das reguläre Verfahren nicht abgewartet werden kann.
Eilbedürftigkeit ist wohl zumindest dann gegeben, wenn
die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht vollständig übernommen wurden und die Deckungslücke nicht unerheblich ist (Orientierung: ab 50 Euro) oder
das in der Bedarfsgemeinschaft vorhandene Einkommen das „Existenzminimum“ (Summe Regelleistungen plus Unterkunfts- und Heizkosten nach SGB II) deutlich unterschreitet (Orientierung: etwa 20 % unter SGB II-Bedarf) und
der Lebensunterhalt und die Mietzahlungen nicht aus eigenen anderen Mitteln sichergestellt werden können (z.B. aus dem Schonvermögen, oder anrechnungsfreien Einkommen wie etwa Erziehungsgeld, anrechnungsfreier Teil des Erwerbseinkommens).
Mit anderen Worten: Selbst wenn Leistungen eindeutig zu Unrecht verweigert oder gekürzt wurden, macht eine einstweilige Anordnung trotzdem keinen Sinn solange z.B. ausreichendes Vermögen vorhanden ist.
Verfahren
Wenn die beiden Bedingungen erfüllt sind, sollte wie folgt vorgegangen werden:
Fristgerecht gegen den ALG-II-Bescheid Widerspruch einlegen.
Unmittelbar danach beim örtlich zuständigen Sozialgericht einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung stellen (ein Beispieltext findet sich auf der Rückseite).
Die „Eilbedürftigkeit“ sorgfältig und ausführlich darlegen und Belege beifügen (eidesstattliche Erklärung zur eigenen Mittellosigkeit, Kontoauszüge und andere Einkommensnachweise, Mietvertrag, Alg-II-Bescheid, Widerspruchsschreiben usw.). Eine möglichst umfassende Darstellung des Sachverhalts und entsprechende Belege sind notwendig, da im Regelfall ohne Anhörung über den Antrag entschieden wird. Das heißt, Argumente und Belege können später nicht nachgeschoben werden. (Luise Müller)
Bild: Coloures-pic – fotolia
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