Die Hartz IV Schmarotzer sind die Unternehmen

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Immer mehr befristete Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnbereich im deutschen Handel

04.06.2013

Für die Löhne im deutschen Handel zahlt der Staat kräftig mit, weil die Unternehmen sich weigern, vernüftige Beschäftigungsverhältnisse mit gerechten Gehältern zu bieten. Angaben von „Spiegel Online“ zufolge fallen jährlich rund 1,5 Milliarden Euro für Hartz IV-Aufstocker an, deren Einkommen unterhalb des Existenzminimums liegt. Demnach liegt der Stundenlohn jedes fünften Arbeitnehmers im Handel unter 8,50 Euro. Die meisten Betroffenen sind weiblich und haben nur ein befristetes Arbeitsverhältnis.

Staat zahlt kräftigt mit bei Löhnen im Handel
Jeder dritte Arbeitnehmer im deutschen Handel muss mit einem Stundenlohn von weniger als zehn Euro auskommen. Jeder Fünfte erhält Daten aus dem Jahr 2010 zufolge sogar weniger als 8,50 Euro in der Stunde. Da das Geld schlichtweg nicht zum Leben reicht, müssen viele der Niedriglöhner mit Hartz IV aufstocken. Meist sind die Betroffenen weiblich und in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, die „Spiegel online“ vorliegt.

Wie das Magazin berichtet, werden für den Handel jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro für ergänzende Leistungen zur Grundsicherung (Hartz IV) ausgegeben. Drei Viertel der Betroffen sind im Einzelhandel beschäftigt. Im Juni 2012 erhielten demnach 130.000 Arbeitnehmer im Einzelhandel aufstockende staatliche Leistungen. „Spiegel Online“ beruft sich dabei auf Angaben der Bundesregierung.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass auf Kosten der Beschäftigten und der Gemeinschaft Niedriglöhne mit Steuergeldern in Milliardenhöhe aufgestockt und so Gewinne von Unternehmen subventioniert werden, die auf Lohndumping setzen", erklärte Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, gegenüber dem Magazin. Die Politikerin fordert die Einführung eines Mindestlohns und spricht sich für Einschränkungen unsicherer Beschäftigungsverhältnisse wie Leiharbeit aus.

Immer weniger Vollzeitstellen im Handel
Eine weitere bedenkliche Entwicklung im Handel ist die Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen. Stattdessen steigen die Zahlen bei Minijobs und Teilzeitstellen mit weniger als 20 Arbeitsstunden pro Woche. Im Jahr 2011 haben Angaben des Magazins zufolge fast 40 Prozent der Beschäftigten in einem solchen Arbeitsverhältnis gestanden. Im Jahr 2000 habe die Zahl mit 31 Prozent noch deutlich niedriger gelegen. Vor allem befristete Arbeitsverhältnisse hätten mit einem Zuwachs von zwei Dritteln stark zugenommen. Im Juni 2012 standen 2,2 Millionen von den 3,2 Beschäftigten im Einzelhandel in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Von den rund 2,3 Millionen Frauen hatten lediglich 1,3 Millionen beschäftigte eine Vollzeitstelle, was „Spiegel Online“ zufolge einem Minus von elf Prozent gegenüber dem Jahr 2000 entspricht. 980.000 Frauen arbeiteten in einem Minijob, 51 Prozent mehr als im Jahr 2003. Obwohl auch Leiharbeit zu den sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen gehört, gibt es für diese Sparte keine gesonderten Daten für den Einzelhandel.

Ein weiteres Problem im Handel stellt der Rückgang der tarifgebundenen Unternehmen dar. Als prominentes Beispiel sei Karstadt genannt. Der Konzern war aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen, um tarifliche Lohnerhöhungen nicht mittragen zu müssen. Anfang des Jahres kündigten zudem die Arbeitgeber in fast allen Bundesländern den Manteltarif im Einzelhandel wie „Spiegel Online“ berichtet. Der Anteil der Beschäftigten im Handel, die nach Tarif bezahlt werden, sei von 2000 bis 2011 im Westen von 70 auf 54 Prozent gesunken und im Osten von 43 auf 32 Prozent. Diese Entwicklung gebe der Bundesregierung „Anlass zur Sorge“, weil „Tarifverträge in bestimmten Bereichen ihre Schutzfunktion nicht entfalten können". Ob es jedoch zur Reform bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen komme, sei unklar. (ag)