Gefälschter Armutsbericht von Bundesregierung

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Weil die Aussagen im offiziellen Armutsbericht nicht dem politischen Denken der schwarz-gelben Bundesregierung entspricht, wurde dieser ganz einfach nachträglich stark abgeändert

29.11.2012

Die Bundesregierung hat offenbar Angst vor den Tatsachen, die in einem Armutsbericht amtlich durch Behördenmitarbeiter des Bundesarbeitsministeriums belegt wurden. Zahlreiche Passagen wurden vernebelt, gestrichen oder beschönigt. So sollen in der „überarbeiteten Version“ viele Textpassagen offenkundig geglättet worden sein, andere Tatsachen wurden ganz einfach gelöscht, weil der Bericht nach eigenen Angaben nicht die Meinung der Bundesregierung widerspiegelt.

Wachsender Reichtum und immer mehr Armut
Alle vier Jahre erstellt das Bundesarbeitsministerium eine amtliche Auswertung zu den Einkommensverhältnissen in Deutschland. Dabei wird die Einkommensverteilung, Lohnentwicklung, Armut und der Reichtum analysiert und bewertet. Anscheinend enthielt der Armutsbericht 2013 nicht die gewünschten Aussagen, weshalb zahlreiche Passagen abgeändert oder sogar ganz gelöscht wurden. Ganz besonders „unpassend“ erschien offensichtlich die Aussage, dass das Privatvermögen der Reichen massiv weiter anwächst und die Einkommensspreizung immer weiter zunimmt. Denn diese Aussage wurde ganz einfach aus der ursprünglichen Fassung gestrichen. Zuvor war in der Einleitung zu lesen: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ ist dieser Satz nicht mehr in der neuen Fassung vom 21. November zu finden.

Ungleiche Lohnentwicklung nicht politisch passend
Auch die Lohnentwicklung wird ganz einfach von der Regierung negiert. In dem Ursprungsbericht stand: „Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken. Die Einkommensspreizung hat zugenommen.“ Eine solche Entwicklung verletze „das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“ und kann dazu führen „den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden“. Stattdessen steht nun beschönigend, dass die sinkenden Löhne ein „Ausdruck struktureller Verbesserungen am Arbeitsmarkt“ seien. Zwischen 2007 und 2011 wären im Niedriglohnbereich viele Vollzeitarbeitsstellen entstanden und hätten Arbeitslose und Hartz IV Bezieher wieder in Arbeit vermittelt. Nur manchen würde ein schlecht bezahlter Job nicht reichen, darunter seien einige Single-Haushalte, die aufgrund dessen mit Hartz IV aufstocken müssen. Hier erkennt der kritische Leser sofort: Zwei völlig unterschiedliche Aussagen, beschönigt getäuscht und vertuscht.

Wurde noch in der ursprünglichen Fassung kritisch resümiert, dass niedrige Löhne den sozialen Frieden schädigen, wurde diese Aussage ganz gelöscht. In der Neufassung heißt es nun nur noch, dass dies „kritisch gesehen“ werden sollte. Aber auch Fakten wurden weg radiert. Der Satz: „Allerdings arbeiteten im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Million Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro“ wurde einfach gelöscht.

Nicht Meinung der Bundesregierung
Und warum wurde gelöscht? Weil dies „nicht der Meinung der Bundesregierung entspricht“, wie der Vorsitzende der FDP und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler nach dem Lesen der Erstfassung laut „SZ“ angemerkte. Vor allem die Ungleichverteilung von Arm und Reich störte den FDP Minister ganz gewaltig. Nach seiner politischen Auffassung würde die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland nicht immer größer werden, auch wenn die Faktenlage eine ganz andere Sprache spricht.

Verwässern, verschleiern und beschönigen
Als bekannt wurde, dass der Bericht beschönigt wurde, ließ das Bundesarbeitsministerium kleinlaut verlautbaren, dass dies ein „ganz normaler Vorgang“ sei. Es habe „Verbesserungswünsche“ gegeben, denen man nachgekommen sei. „Die Bundesregierung will entscheidende Aussagen des Berichts verwässern, verschleiern und beschönigen“, kritisierte hingegen folgerichtig Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Denn aus diesen Tatsachen müssten eigentlich tiefgreifende Reformen folgen, die aber diametral zur Politik der schwarz-gelben Koalition stehen. Dazu gehört z.B. eine Millionärssteuer, ein gesetzlicher Mindestlohn, höhere Hartz IV-Regelsätze und eine deutliche Begrenzung der Zeitarbeit. Es ist aber davon auszugehen, dass der gefakte Armutsbericht noch in diesem Jahr von Seiten der Koalition im Kabinett gebilligt wird. (sb)

Bild: Friedmann Weise