Bürgergeld: Vollständige 100-Prozent-Kürzung für zwei Monate

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Seit dem 28. März 2024 können Jobcenter den Regelbedarf für zwei Monate vollständig kürzen. Das betrifft erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine zumutbare Arbeit „nachhaltig“ verweigern.

Die Wohn- und Heizkosten bleiben ungekürzt. In der Praxis passiert das kaum. Hinweise aus Verwaltung und Forschung zeigen sehr niedrige Fallzahlen. Eine flächige Anwendung ist nicht erkennbar.

Was die 100-Prozent-Sanktion konkret erlaubt

Die Grundlage steht in § 31a Abs. 7 SGB II. Danach entfällt abweichend vom Standard die Leistung in Höhe des Regelbedarfs. Das gilt, wenn in den letzten zwölf Monaten bereits eine Sanktion vorlag. Die Person muss ein konkretes Jobangebot tatsächlich und sofort annehmen können. Sie muss die Aufnahme willentlich verweigern.

Die Regel endet nach zwei Monaten oder früher, wenn die Jobaufnahme wegfällt. Die Kosten der Unterkunft sind ausgenommen.

Strenge Voraussetzungen bremsen die Anwendung

Voraussetzung ist eine einschlägige Vor-Sanktion. Dazu zählen etwa eine frühere Weigerung, Arbeit oder Maßnahme aufzunehmen. Auch eine Sperrzeit nach SGB III kann ausreichen. Zusätzlich verlangt das Gesetz ein reales, unmittelbar bevorstehendes Arbeitsangebot. Die Ablehnung muss erkennbar gewollt sein. Das Jobcenter muss anhören und begründen. Es hebt die Minderung auf, wenn die Arbeitsmöglichkeit entfällt. Spätestens nach zwei Monaten endet sie ohnehin. Für die Feststellung gilt eine Sechs-Monats-Frist ab Pflichtverstoß.

Zahlenlage: Einzelfälle statt Trend

2024 verhängten Jobcenter zahlreiche Leistungsminderungen. Der Großteil betraf Meldeversäumnisse. Ein kleinerer Teil bezog sich auf die Weigerung, Arbeit, Ausbildung oder eine Maßnahme aufzunehmen. Das sind Standard-Sanktionen. Die 100-Prozent-Fälle werden statistisch nicht gesondert veröffentlicht. Mehrere Berichte aus Jobcentern und Analysen deuten dennoch auf Einzelfälle hin. Systematische, belastbare Mengenangaben fehlen.

Eine Abfrage bei größeren Jobcentern meldete bis Anfang 2025 keinen dokumentierten Voll-Entzug des Regelbedarfs. Das spricht für extrem seltene Fälle. Auch Verwaltungsdaten zeigen nur wenige hundert Rechtsfolgenbelehrungen zu § 31a Abs. 7 im ersten Jahr. Diese Daten reichen nicht für stabile Aussagen zur Zusammensetzung der Betroffenen.

Rechtlicher Rahmen setzt enge Grenzen

Das Bundesverfassungsgericht begrenzte 2019 harte Kürzungen. Sanktionen sind möglich, müssen aber verhältnismäßig bleiben. Kürzungen über 30 Prozent sind nur ausnahmsweise haltbar.

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Härtefälle schließen eine Minderung aus. Die aktuelle Regelung knüpft deshalb eng an ein konkretes, sofort annehmbares Arbeitsangebot an. Der Vollentzug endet nach kurzer Zeit. Die Wohnkosten bleiben unberührt.

Befristung: Regel läuft im März 2026 automatisch aus

Der Gesetzgeber hat § 31a Abs. 7 und § 31b Abs. 3 befristet. Beide Vorschriften treten am 27. März 2026 außer Kraft. Ohne Verlängerung endet damit auch die Möglichkeit des zweimonatigen Vollentzugs.

Sparziel von 170 Millionen Euro wirkt unrealistisch

Die Koalition kalkulierte 2024 mit Minderausgaben von rund 170 Millionen Euro pro Jahr. Diese Annahme setzte eine breite Anwendung voraus. Die Praxis zeigt jedoch kaum Vollsanktionen. Starke Ex-ante-Effekte können nicht belegt werden. Studien finden Wirkungen vorwiegend bei moderater Sanktionswahrscheinlichkeit. Bei sehr niedriger Wahrscheinlichkeit schwächen sie sich ab. Das spricht gegen das hohe Sparziel.

Was bedeutet das für Betroffene?

Für die große Mehrheit steigt das Risiko nicht spürbar. Die Hürden sind hoch. Kommt ein Vollentzug in Betracht, prüfen Sie den Ablauf genau. Gab es eine einschlägige Vor-Sanktion im letzten Jahr?

Lag ein echtes, sofort startbares Angebot vor? Wurde die Weigerung klar festgestellt? Hat das Jobcenter die Gründe sorgfältig gewürdigt?

Liegt ein Härtefall vor, muss die Behörde absehen. Fällt die Arbeitsmöglichkeit weg, endet die Minderung. Spätestens nach zwei Monaten läuft sie aus. Diese Punkte sind verbindlich.

Einordnung für Bürgergeld-Empfänger

Die Regelung setzt auf Härte statt Hilfe. Die Fallzahlen sind minimal, der Nutzen bleibt fraglich. Vorab-Wirkungen auf Arbeitsaufnahmen sind nicht belegt. Jobcenter binden Kapazitäten an strittige Einzelfälle statt Vermittlung. Die Härtefallprüfung schafft Rechtsunsicherheit und zusätzliche Risiken. Menschen mit Mehrfachbelastungen geraten leicht in existenzielle Engpässe.