Das Schlichtungsverfahren gehörte zu den Neuerungen des Bürgergeld-Gesetzes. Es sollte eine “Kooperation auf Augenhöhe” ermöglichen. Ziel dabei ist es, Konflikte zwischen Leistungsberechtigten und Mitarbeitern des Jobcenters beim Kooperationsplan zu klären.
Inhaltsverzeichnis
Welche Vorteile bietet dieses Verfahren?
Für Leistungsberechtigte könnte das den Vorteil haben, Unstimmigkeiten oder Missverständnisse gegenüber dem Jobcenter zu bereinigen und so Sanktionen zu verhindern. Dabei kann es konkret zum Beispiel darum gehen, wieviel Bewerbungen ein Leistungsberechtigter schreiben soll. Wenn sich dies im Schlichtungsverfahren klären lässt, bleiben dem Betroffenen vermutlich Sanktionen erspart, weil das Jobcenter meint, er hätte sich auf zuwenig Stellen beworben.
Größerer Spielraum für Leistungsberechtigte
Das Schlichtungsverfahren ist im Vergleich zur vorhergehenden Eingliederungsvereinbarung weniger einseitig auif die Pflichten der Leistungsberechtigten ausgerichtet. Es sollte einen größeren Spielraum für Betroffene bieten, Verpflichtungen auszuhandeln.
Außerdem war die vorige Eingliederungsvereinbarung schwer verständlich, und oft kam es zu Sanktionen, weil Betroffene überhaupt nicht wussten, welche Auflagen sie zu erfüllen hatten.
Die Nachfrage ist gering
Obwohl dieses neue Verfahren für Leistungsberechtigte Vorteile bringen sollte, wird es nur sehr selten in Anspruch genommen. So gab es von Juli 2023 bis Januar 2025 in ganz Deutschland lediglich circa 200 Schlichtungsfälle, und das auch nur in 87 von 300 Jobcentern.
In der Mehrheit der Jobcenter fand also kein einziges Schlichtungsverfahren statt, obwohl Konflikte, Unstimmigkeiten und Missverständnisse zwischen Jobcenter-Mitarbeitern und Leistungsberechtigten häufig vorkommen und fast zum Alltag gehören.
Sind die Schlichter neutral?
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht mehrere mögliche Gründe, warum das Schlichtungsverfahren so wenig gefragt ist.
Erstens könnten Leistungsberechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Schlichters haben. Diese Vermutung wird dadurch gestärkt, dass in den Schlichtungsverfahren, die es gab, die Jobcenter als Schlichter in der Mehrheit eigene Angestellte einsetzten. Zweitens könnten sie das Verfahren als zu kompliziert und zeitaufwändig ansehen.
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Fehlendes Wissen
Auch kann es sein, dass Leistungsberechtigte oft überhaupt nicht wissen, dass es die Möglichkeit einer Schlichtung gibt. Zwar sind Mitarbeiter der Jobcenter verpflichtet, auf das Schlichtungsverfahren hinzuweisen, doch ob dies Betroffene bei der Überfülle an Informationen auch erreicht, steht auf einem anderen Blatt.
Die IAB sieht Indizien für ein solches Problem. So heißt es: “Hinweise zu fehlendem Wissen über Verfahren im Bürgergeld liefert auch die qualitative Studie von Magdalena Köppen und anderen, die als IAB-Forschungsbericht 4/2025 erschienen ist. Demnach setzen Anhörungs- und Widerspruchsverfahren bei Sanktionen ein gewisses Regel- und Prozesswissen voraus und beschränken damit die Nutzung durch Leistungsbeziehende. Dies dürfte auch auf das Schlichtungsverfahren zutreffen.”
Außerdem ist der Kooperationsplan rechtlich unverbindlich, und um diesen geht es beim Schlichtungsverfahren. Laut dem IAB ist das Konfliktpotenzial jedoch größer, wenn Entscheidungen der Jobcenter rechtlich verbindlich sind und Sanktionen nach sich ziehen können.
Verhindert das Schlichtungsverfahren Sanktionen?
Jobcenter-Mitarbeiter selbst bewerten das Schlichtungsverfahren von allen Neuerungen, die das Bürgergeld mit sich brachte, am negativsten. Vom IAB befragte Mitarbeiter des Jobcenters sind sehr skeptisch, ob das Schlichtungsverfahren sich eignet, “wenn es um die Vermeidung von Leistungsminderungen und Rechtsstreitigkeiten geht.”
Der Erfolg ist fragwürdig
Die IAB sieht das Verfahren bisher nicht als Erfolgskonzept: “Fraglich ist also, ob das Schlichtungsverfahren zu einem wirksamen außergerichtlichen Instrument der Konfliktbeilegung und – wie ursprünglich vom Gesetzgeber intendiert – zu mehr Rechtssicherheit und -klarheit führen kann.”
Wie können Sie das Schlichtungsverfahren nutzen?
Für Sie als Leistungsberechtigte kann das Schlichtungsverfahren Ihre Position stärken. Sie haben damit grundsätzlich Möglichkeiten, Vereinbarungen besser auszuhandeln und Ihren Standpunkt zu vertreten.
Diese erst einmal gute Weichenstellung wird leider durch zwei Faktoren abgeschwächt. Erst einmal geht es nicht “ums Eingemachte”, denn weder Kooperationsplan noch Schlichtungsverfahren sind rechtsverbindlich. Zweitens ergibt es wenig Sinn, wenn als Schlichter ein (anderer) Mitarbeiter genau der Behörde aktiv wird, mit der sie Probleme haben.
Trotzdem sollten Sie ein Schlichtungsverfahren in Betracht ziehen, denn es kann helfen, Konflikte noch dann auszutragen, bevor Sie der Leidtragende sind und das Jobcenter Ihnen gegenüber Sanktionen verhängt.