Bürgergeld: Kein Darlehen für Mietschulden trotz drohender Obdachlosigkeit bei missbräuchlichen Verhalten

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Das Landessozialgericht Niedersachsen lehnt es ab, einer Bürgergeld-Bezieherin ein Darlehen zu gewähren, um ihre Mietschulden auszugleichen. Die Begründung lautet, dass sie das Darlehen missbräuchlich beanspruche.

Eine Darlehensgewährung zur Tilgung der Mietschulden gemäß § 22 Abs 8 SGB II sei objektiv ungeeignet, ihr Verhalten zu ändern und die bisherige Wohnung für sich und ihre Kinder dauerhaft zu sichern. (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 
Beschl. Az.: L 6 AS 90/23 B ER)

Gemeinsame Wohnung von Mutter und Kindern

Die Betroffene und ihre Kinder beziehen Bürgergeld, und die Mutter beantragte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Mietrückständen. Sie leben seit 2011 in einer Vierzimmer-Wohnung mit 88 Quadratmetern.

Vorherige Darlehen<7h2>
2011 und 2014 erhielt die Betroffene vom Jobcenter zwei Darlehen in Höhe von 3.212,06 Euro und 4.115,31 Euro, um ihre Rückstände beim Energieversorger zu tilgen. Weitere Darlehen dienten dazu, Möbel und Einrichtung zu erwerben.

Jobcenter bezahlt die Wohnung

Bis September 2021 zahlte das Jobcenter direkt an den Vermieter und Energieversorger. Seit November 2021 liefen die Gesamtzahlungen auf das Konto der Bürgergeld beziehenden Mutter.

Keine Miete, Heizung und Nebenkosten bezahlt

Die Betroffene zahlte zwischen Dezember 2021 und April 2022 so gut wie keine Miete, Heizung oder Nebenkosten. Allerdings zahlte sie die Vorausleistungen für den Energieversorger termingerecht.

Einkäufe und Ratenzahlungen

Zu ihren Einkäufen kamen unter anderem ein Notebook für 215,10 Euro im November 2021, ein iPhone 13 Pro für 1.466,96 Euro im April 2022, ein iPhone 12 Mini für 924,79 Euro im April 2022 und ein Trekkingfahrrad für 773,72 Euro im Juli 2022. Insgesamt hob die Betroffene von August 2021 bis Dezember 2022 12.000 Euro von ihrem Konto ab.

Mietrückstände und angedrohte Kündigung

Der Vermieter machte die Betroffene im Oktober 2022 auf die Rückstände bei Miete und Nebenkosten aufmerksamn und drohte mit fristloser Kündigung.

Darlehen beantragt

Daraufhin stellte die Betroffene beim Jobcenter einen Antrag auf ein Darlehen für Mietrückstände und bat um Barzahlung der Miete. Die Betroffene begründete den Darlehensantrag damit, dass sie nach zwei Jahren Corona-Krise ihren Kindern Wünsche erfüllt habe und ohne nachzudenken über ihre Verhältnisse gelebt. Sie bereue dies zutiefst.

Miete direkt bezahlt, Darlehen abgelehnt

Das Jobcenter zahlte die Miete wieder direkt, lehnte indessen die Gewährung eines Darlehens ab. Die Begründung lautete: In diesem Fall liege Missbrauch vor, da die Betroffene die Leistungen für die Miete für andere Zwecke verwendet hätte in Erwartung, dass das Jobcenter die Schulden übernehme.

Fristlose Kündigung

Wegen der Mietrückstände in Höhe von 9.640 Euro kündigte der Vermieter im Dezember 2022 das Mietverhältnis und forderte die Betroffene auf, die Wohnung zu räumen.

Klage vor dem Sozialgericht

Die Betroffene klagte. Sie führte aus, sie sei wegen einer Erwerbstätigkeit davon ausgegangen, nicht weiter vom Jobcenter abhängig zu sein. Sie habe keine Luxusgüter gekauft, sondern mit ihren Kindern Ausflüge unternommen, sowie neue Kleidung gekauft und sei mit ihnen auch mal ins Restaurant gegangen.

Sie räumte ein, unüberlegt gehandelt zu haben, aber nicht missbräuchlich. Zudem sei es das erste Darlehen für Mietschulden.

Landessozialgericht sieht bewusstes Fehlverhalten

Im Berufungsverfahren urteilte das Landessozialgericht, die Betroffene hätte sich bewusst entschieden, Geld längere Zeit nicht für existentielle Anschaffungen auszugeben und damit hätte sie ohne Not den Bestand der Wohnung gefährdet.

“Unglaubwürdig”

Die Aussage der Betroffenen, sie habe den Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse verloren und deshalb keine Miete gezahlt, hielt das LSG für unglaubwürdig. Denn sie habe den Abschlag an die Stadtwerke regelmäßig gezahlt.

Kinderschutz gegen Obdachlosigkeit

Der Schutz von Kindern zur Obdachlosigkeit habe besonderes Gewicht. Auch bei unvernünftigem und wirtschaftlich vorwerfbarem Fehlverhalten ginge es zuerst um Schuldentilgung. Eine Ausnahme sei es jedoch, wenn Antragsteller sich (nicht fahrlässig oder unvernünftig), sondern missbräuchlich verhielten. Minderjährige Kinder bedeuteten nicht, bei Missbrauch Darlehen zu gewähren.

Kein Darlehen bei Missbrauch

Die Betroffene habe keinen Anspruch darauf, ein Darlehen für ihre Mietschulden gewährt zu bekommen. Sie habe die Zahlungrückstände vorsätzlich verursacht, weil sie sich darauf verlassen habe, dass das Jobcenter diese bezahle. Die Rückstände seien nicht durch Minderleistungen des Jobcenters verursacht.

Verantwortungslosigkeit und kein Wille zur Selbsthilfe

Es handle sich um einen besonderen Ausnahmefall eines sozialwidrigen und gegenüber den Kindern verantwortungslosen Verhaltens der Betroffenen. Es sei trotz Unterstützung wiederholt zu Rückständen gekommen, ohne dass ein Wille zur Selbsthilfe erkennbar sei.

Mangelndes Problembewusstsein

Wörtlich heißt es: “(…)die Antragstellerin (…) muss akzeptieren, dass es sich bei der Zahlung von Unterkunftskosten um existenzielle “Kardinalpflichten” auch gegenüber ihren Kindern handelt, die sie nicht im Interesse eigener oder auch drittbegünstigender Konsumbedürfnisse ignorieren und in der Folge – in durchaus strafrechtlich relevanter Weise (…) zu der Erlangung von Wohngeld und der Absicht, Mietzahlungen nicht zu leisten – im Vertrauen auf den erneuten Eintritt des Antragsgegners Schulden in annähernd fünfstelliger Höhe anhäufen kann.”

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