Bürgergeld soll abgeschafft werden und die “Neue Grundsicherung” soll kommen

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Nach den aktuellen Wahlumfragen wird die CDU/CSU mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächste Bundesregierung stellen. Ein großes Wahlkampfthema soll das Bürgergeld werden. Stattdessen soll eine so genannte “neue Grundsicherung” eingeführt werden.

Die Union will die faktische Abschaffung des Bürgergeldes zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Doch schon jetzt stößt der Vorschlag vor allem bei Gewerkschaften wie ver.di auf berechtigte Kritik.

Was soll die „Neue Grundsicherung“ sein?

Die „Neue Grundsicherung“ der CDU will das bisherige Bürgergeld abschaffen und stattdessen auf ein Sanktionssystem setzen, das Leistungsempfänger schon bei kleinen Vergehen ganz aus dem Leistungsbezug werfen kann.

Im Hauptteil des Konzepts stehen strengere Maßnahmen gegenüber Leistungsbezieher, die Arbeitsangebote ablehnen. Diese Menschen sollen von der CDU künftig als „Totalverweigerer“ eingestuft und dauerhaft von jeglicher Sozialleistung ausgeschlossen werden.

Laut CDU sollen Sanktionen als Mittel zur „Akzeptanz“ von Arbeit und Pflichten dienen, ein Ansatz, der von Experten jedoch seit Langem als ineffektiv und entwürdigend eingestuft wird.

Anstatt Anreize zu schaffen, um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern, basieren solche Maßnahmen auf Druck und Angst, was die ohnehin schwierige Situation der Betroffenen verschärft.

Sind die geplanten Sanktionen verfassungswidrig?

Ds Konzept „Neuen Grundsicherung“ ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seinem Urteil vom 5. November 2019 (Az.: 1 BvL 7/16) klargestellt, dass Sanktionen bei Pflichtverletzungen in der Grundsicherung nicht über 30 Prozent des Regelbedarfs hinausgehen dürfen.

Eine dauerhafte und vollständige Kürzung, wie sie die CDU nun vorschlägt, verstößt gegen dieses Urteil und somit gegen die Verfassung.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Würde des Menschen als unantastbar zu achten. Dies schließt ein, dass auch bei Maßnahmen zur Überwindung der Bedürftigkeit die Grundrechte der Betroffenen gewahrt bleiben müssen. “Das Konzept der CDU, finanzielle Mittel dauerhaft zu entziehen, widerspricht jedoch dieser Rechtsprechung und missachtet die Grundsätze des Sozialstaates”, so der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.

Sind die Vorwürfe gegenüber der Ampelkoalition berechtigt?

Die CDU argumentiert in ihrem Konzept, dass die Ampel habe Sanktionen ausgesetzt und die Jobcenter hätten keine Handhabe mehr, um gegen vermeintliche „Schmarotzer“ oder “Totalverweigerer” vorzugehen.

Diese ist jedoch sachlich falsch. Sanktionen sind auch im derzeitigen System nicht abgeschafft, sondern werden wieder sogar verstärkt eingesetzt.

Es gibt weiterhin Regelungen im Bürgergeld, die den Grundsatz der gegenseitigen Verpflichtung zwischen Staat und Leistungsempfänger beachten. Menschen, die Leistungen beziehen, sind dazu verpflichtet, aktiv an ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken.

Die CDU missachtet in ihrer Darstellung diese bestehende Balance und stellt die Empfänger von Sozialleistungen pauschal als “faul” und” leistungsunwillig” dar.

Was sagt ver.di zu den Vorschlägen?

Die Gewerkschaft ver.di hat die Vorschläge der CDU “als menschenverachtend und verfassungswidrig” bezeichnet.

Diese scharfe Kritik basiert auf der Überzeugung, dass ein sozialer Rechtsstaat keine Politik betreiben darf, die Menschen in Not mit pauschaler Verdammung und Angst begegnet.

Statt die Ursachen von Arbeitslosigkeit und sozialer Bedürftigkeit anzugehen, setze die CDU auf ein “rigides Bestrafungssystem, das soziale Ungleichheiten vertieft und das Vertrauen in staatliche Unterstützungssysteme untergräbt.”

Jagd auf Totalverweigerer?

Ein weiterer Aspekt, der in der Kritik steht, ist die Wortwahl und die implizite Stigmatisierung bestimmter Gruppen durch die CDU.

Die Rede von einer „Hetzjagd“ auf sogenannte „Totalverweigerer“ und die Verbindung mit „groß angelegtem Sozialleistungsmissbrauch“ zielt darauf ab, ein Feindbild zu schaffen, das die gesellschaftliche Unterstützung für Sozialleistungen schwächt.

“Diese Rhetorik polarisiert, schürt Vorurteile und Wut oder sogar Hass gegenüber sozial benachteiligten Menschen, anstatt eine sachliche Debatte über effektive Maßnahmen zur Förderung von Arbeitsintegration zu führen”, so auch Dr. Utz Anhalt von “Gegen-Hartz.de”.

Wie könnte eine gerechtere Alternative aussehen?

Eine sozial ausgewogene und verfassungskonforme Reform der Grundsicherung sollte sich auf die Förderung von Menschen in schwierigen Lebenslagen konzentrieren, statt auf deren Bestrafung. Ein effektives Sozialsystem muss auf Unterstützung, Bildung und individuelle Förderung setzen. Positive Anreize und umfangreiche Beratungsangebote, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Personen eingehen, sind entscheidend, um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Der Fokus sollte auf Maßnahmen liegen, die Eigeninitiative fördern und langfristig die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen reduzieren.