Bürgergeld: Sanktionen, aber nicht für alle

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Die Sanktionen kommen mit dem Bürgergeld zurück, aber viele Leistungsberechtigte müssen trotzdem keine Angst davor haben – denn sie dürfen vom Jobcenter nicht sanktioniert werden. Wir zeigen, warum das so ist.

Grundlegendes zu den seit 1.1. in “Leistungsminderung” umbenannten Sanktionen findet ihr in diesem Artikel.

Inhaltsverzeichnis

Grundlage der Nichtzulässigkeit von Sanktionen für breite Gruppen Leistungsberechtigter

Die ausschlaggebende Regelung dafür, dass viele Leistungsbeziehende nicht sanktionert werden dürfen, ist §31a Abs4 S2 SGB II.

“Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.”

Das bedeutet vereinfacht:

  • Wer weniger Geld vom Jobcenter bekommt, als seine Wohnkosten, der darf nicht sanktioniert werden.
  • Wer nur etwas mehr als seine Wohnkosten bekommt, darf nur in Höhe der Summe sanktioniert werden, die er mehr als seine Wohnkosten bekommt.

Hintergrund ist, dass jedes angerechnete Einkommen zunächst auf die Regel- und Mehrbedarfe angerechnet wird und zuletzt auf die Kosten der Unterkunft (§19 Abs 3 S2 SGB II). Daher verbleiben zuletzt nur noch Kosten der Unterkunft in die nicht hineinsanktioniert werden darf.

Dass nicht in die Wohnkosten sanktioniert werden darf, gilt für alle Sanktionen, auch für Meldeversäumnisse. Sie wird durch §32 Abs2 SGB II auch bei diesen angewendet. Wer weniger als seine Wohnkosten bekommt, wird daher auch wegen verpasster Termine nicht sanktioniert.

Beispiel 1: Alleinstehender Aufstocker

Wohnkosten warm 500€
Arbeit: 1000€ Brutto, 794€ Netto

Bedarf:
502€ Regelbedarf
500€ Wohnkosten
——
1002€

Einkommen:
794€ Netto
-280€ Freibetrag
——-
514€ angerechnetes Einkommen

Leistung:
1002€ Bedarf
-514€ anger. Einkommen
——-
488€ vom Jobcenter

Er versäumt einen Termin beim Jobcenter.
Aber, was solls – nicht so schlimm … ihm kann ja nichts passieren.
Da er weniger als seine Wohnkosten erhält, darf er in keinem Fall sanktioniert werden.

Berechnung in der Bedarfsgemeinschaft

In einer Bedarfsgemeinschaft wird es schwieriger, denn Sanktionen betreffen immer eine einzelne Person nicht die BG- daher muss individuell gerechnet werden.
Angerechnetes Einkommen wird aber nach Bedarfsanteilen in der BG verteilt, erst danach ergibt sich der “Zahlbetrag”.

Beispiel 2: Aufstockendes Ehepaar

Wohnkosten warm: 700€
Er arbeitet: Brutto 1000€, Netto 794€

Bedarf je Person:
451€ Regelbed
350€ Wohnung
——
801€ Bedarf je Person

Einkommen:
794€ Netto
-280€ Freibetrag
——-
514€ angerechnetes Einkommen

Dieses Einkommen wird nun hälftig (da gleichhoher Bedarf) bei beiden angerechnet. 257€ bei ihm und 257€ bei ihr.

Dadurch ergeben sich jeweils Leistungen von:
801€ Bedarf je Person
-257€ Hälfte des angerechneten Einkommens
——
544€ vom Jobcenter je Person

544€ liegt deutlich über den anteiligen Wohnkosten von 350€. Bricht er eine Maßnahme ab oder verpasst einen Termin, kann es zu einer Sanktion kommen.

Er kann sanktioniert werden, obwohl er gleich viel arbeitet, wie der Aufstockende Alleinstehende. Grund ist die Bedarfsgemeinschaft.

Damit er sich keine Sorgen um eine Sanktion machen müsste, müsste er Netto 1202€ verdienen (2×451€ Regelbedarf + 300€ Freibetrag aufs Einkommen), das wäre bei Brutto 1515€ der Fall.

Beispiel 2a: Aufstockenes Ehepaar – Variation

Verdient er Netto 1140€, werden 840€ angerechnet – je 420€.

Leistung:
801€
-420€
—–
381€

Damit bekommt er 31€ mehr als seine anteiligen Wohnkosten von 350€. Er kann folglich maximal mit 31€ sanktioniert werden.

Berechnung bei Kindern mit eigenem Einkommen

Wieder anders sieht die Situation bei Kindern mit Einkommen aus. Bei diesen wird angerechnetes Einkommen nicht in der Bedarfsgemeinschaft verteilt, sondern auf die individuellen Bedarfe angerechnet.

Beispiel 3: Kind (17) in Ausbildung

Anteilige Wohnkosten: 250€
Brutto: 620€ Mindestlohn Azubi, Netto 492€

Bedarf:
420€ Regelbedarf
250€ Wohnkosten
——-
670€

Azubi-Einkommen:
492€ Netto
-204€ Freibetrag
—–
288€ angerechnetes Einkommen

670€ Bedarf
-288€ angerechnetes Einkommen
-250€ Kindergeld
——
132€ vom Jobcenter

132€ individuelle Leistung sind weniger als der individuelle Anteil an den Wohnkosten. Folglich kann nicht sanktioniert werden – egal aus welchem Grund.

Beispiel 4: Kind Alleinerziehender (17)

Anteilige Wohnkosten: 250€
Unterhaltsvorschuss: 338€

Bedarf:
420€ Regelbedarf
250€ Wohnkosten
——-
670€

Leistung:
670€ Bedarf
-338€ Unterhaltsvorschuss
-250€ Kindergeld
——
82€ vom Jobcenter

Da das 17jährige Kind mit 82€ deutlich weniger Leistungen erhält als seine anteiligen Wohnkosten, kann es nicht sanktioniert werden.
Egal ob es Termine ignoriert, eine Maßnahme verweigert oder keine Bewerbungen schreibt. Es kann keine Sanktionen geben.

Fazit

Hier wird deutlich, dass vielen Betroffenen seit dem 1.1.23 keine Sanktion im Bürgergeld mehr droht.

Dies wird aber vorraussichtlich vielfach nicht offen kommuniziert, sondern es werden im Gegenteil auch an diese Menschen Schreiben mit (falscher) Rechtsfolgenbelehrung verschickt.

Mit angerechnetem Einkommen lässt sich eine Sanktion auch gegebenfalls vermeiden. Wer während einer Sanktion z.B. Alleinstehend eine Arbeit mit Brutto 1000€ aufnimmt, sorgt dafür, dass sie im dem Anrechnungsmonat des Einkommens nicht angewandt werden darf.

Rechtsgrundlagen

§31a Abs4 S2 SGB II
– keine Sanktionen in die KdU hinein
§19 Abs 3 S2 SGB II
– Reihenfolge der Einkommensanrechnung
§9 Abs2 S3 SGB II
– Prozentuale Verteilung des Einkommens in der BG

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Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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