Bürgergeld: Prozesskostenhilfe oder besser Rechtsschutzversicherung?

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Wer Bürgergeld oder Sozialhilfe bezieht, kennt das Problem: Die Leistungsbehörde lehnt Anträge ab, obwohl vom Grunde her ein Anspruch bestehen könnte. Nachdem ein Widerspruch abgelehnt wurde, stellt sich die Frage, ob man nun vor das Sozialgericht zieht. Oft bekommen wir die Frage gestellt, ob es Sinn macht, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen oder ob die Prozesskostenhilfe ausreichend ist.

Diese Frage beantwortet heute Dr. Utz Anhalt, Sozialrechtsexperte bei “Gegen-Hartz.de”.

Gerade in Zeiten, in denen Leistungsempfänger den Eindruck haben, sich gegen fehlerhafte oder fragwürdige Jobcenter-Bescheide durchsetzen zu müssen, lohnt sich ein genauer Blick auf die verschiedenen Optionen. Die Frage, ob eine Rechtsschutzversicherung oder die sogenannte Prozesskostenhilfe (PKH) sinnvoller ist, steht dabei im Zentrum der Debatte.

Lohnt sich eine Rechtsschutzversicherung überhaupt?

Rechtsschutzversicherung werden überall angeboten und viele Menschen schließen eine solche Versicherung ab. Häufig werden sie abgeschlossen, um in Fällen wie Arbeitsrechtsstreitigkeiten, Verkehrsdelikten oder Vertragskonflikten rasch rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen zu können.

Jedoch ist der Bereich Sozialrecht, also Auseinandersetzungen mit Jobcentern oder anderen Sozialleistungsträgern, nicht immer automatisch in jeder Rechtsschutzversicherung enthalten.

Zudem stellt sich die Frage, inwieweit sich die Kosten für eine derartige Versicherung lohnen. Wer von staatlichen Leistungen wie dem Bürgergeld lebt, hat schließlich nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Außerdem muss geprüft werden, welchen Umfang die jeweilige Versicherung tatsächlich abdeckt und ob man in jedem Fall anwaltliche Unterstützung erhält.

Wieso könnte Prozesskostenhilfe eine bessere Lösung sein?

Die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen, dient in Deutschland dazu, allen Menschen Zugang zum Recht zu garantieren – unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Vor allem für Leistungsempfänger ist dies eine zentrale Option, denn sie haben einen rechtlichen Anspruch darauf, dass Anwalts- und Gerichtsgebühren übernommen werden, wenn sie sich kein eigenes Mandat leisten können.

Besonders wichtig: Vor dem Sozialgericht fallen für Klägerinnen und Kläger in aller Regel keine Gerichtskosten an – selbst wenn ein Verfahren verloren geht. Die Ausnahme bilden dabei oft nur die Gebühren für die eigene anwaltliche Vertretung, sofern man keine Prozesskostenhilfe bekommt.

Wer allerdings PKH bewilligt bekommt, muss sich um diese Kosten keine Sorgen machen. Das gilt jedoch nur, solange sich die finanziellen Verhältnisse nicht innerhalb von vier Jahren nach dem Urteilsspruch so verbessern, dass eine nachträgliche Zahlung verlangt werden kann.

Warum setzen viele Betroffene auf anwaltliche Vertretung statt auf Selbstvertretung?

In Gesprächen mit Menschen, die bereits vor dem Sozialgericht geklagt haben, zeigt sich regelmäßig: Briefe von Anwältinnen und Anwälten werden vom Jobcenter oft ernster genommen.

Wird ein fehlerhafter Bescheid angefochten, kann es sein, dass das Jobcenter die Entscheidung zurückzieht, sobald klar wird, dass ein Verfahren durch eine professionelle Rechtsvertretung geführt wird. Dies hat damit zu tun, dass im Fall einer Niederlage die Behörde die Kosten der anwaltlichen Vertretung des Klägers übernehmen muss.

“Wir erleben immer wieder, dass Jobcenter deswegen immer wieder kurz vor einem Gerichtstermin einlenken, um die Verfahrenskosten nicht tragen zu müssen und Grundsatzurteile zu vermeiden. Wer sich also einen professionellen Beistand sucht, erhöht oft seine Erfolgsaussichten und hat gleichzeitig den Vorteil, dass der persönliche Aufwand geringer ausfällt”, sagt Dr. Utz Anhalt.

Wie unterscheiden sich Prozesskostenhilfe, Beratungsschein und gewerkschaftlicher Rechtsschutz?

Immer wieder herrscht Verwirrung darüber, was in welchem Fall beantragt werden kann. Ein anwaltlicher Beratungsschein – in manchen Bundesländern existiert er unter verschiedenen Bezeichnungen oder wird nur in Teilen angeboten – deckt in erster Linie eine Erstberatung bei einer Anwältin oder einem Anwalt ab.

Er ermöglicht eine Einschätzung der eigenen Rechtsposition, aber keine Vertretung über den gesamten Prozess. Wer jedoch Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt bekommt, erhält hingegen die komplette Vertretung im Verfahren finanziert.

Daneben gibt es noch den Rechtsschutz, den einige Gewerkschaften oder Sozialverbände wie der VdK anbieten. Hier sind Mitglieder oft über den Verband rechtlich abgesichert. Allerdings schließen sich bei gewährtem Verbands-Rechtsschutz und einer bereits zugesagten Kostenübernahme die Vorteile der Prozesskostenhilfe aus.

Wichtig: Der Staat springt nur dann ein, wenn nicht schon eine andere Stelle (Versicherung, Verband, Gewerkschaft) die Kosten übernimmt.”

Aus Erfahrungen wissen wir, dass sich die Prozesskostenhilfe gerade in sozialrechtlichen Auseinandersetzungen als sehr effektiv erweisen kann. Einige Betroffene berichten, dass sie so gut wie alle Verfahren gewonnen haben, wenn das Gericht ihre PKH bewilligt hat und eine Kanzlei mit entsprechender Erfahrung beauftragt wurde.”

Ein Justizangestellter soll laut Aussage eines Betroffenen sogar ganz konkret geraten haben, auf private Rechtsschutzversicherungen oder die Rechtsschutzangebote von Gewerkschaften zu verzichten und stattdessen auf Prozesskostenhilfe zu setzen.

Nach dieser Empfehlung hatten sich die Erfolgsaussichten im jeweiligen Fall offenbar deutlich verbessert, und das Jobcenter habe auf viele Streitpunkte rasch reagiert oder sei eingeknickt, noch bevor ein Urteil gesprochen wurde.

Besser bei Gewerkschaften und Sozialverbänden Mitglied sein?

Viele Bürgergeld-Empfänger schließen sich Gewerkschaften wie ver.di oder Sozialverbänden wie dem VdK an, weil sie dort auf eine unterstützende Beratung oder eine professionelle Begleitung in Streitfällen hoffen.

Dieser Weg kann durchaus sinnvoll sein, zum Beispiel wenn eine rasche Einschätzung der eigenen Lage nötig ist oder ein künftiger Rechtsstreit absehbar ist, ohne dass man selbst die Energie aufbringen möchte, sich mit Anwältinnen und Anwälten zu koordinieren.

Allerdings ist dabei immer abzuwägen, ob die individuellen Ansprüche – etwa eine qualifizierte persönliche Beratung und eine volle Kostenübernahme – erfüllt werden. Hat man bereits eine Mitgliedschaft mit Rechtsschutzanspruch, wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe oft abgelehnt, weil die staatliche Unterstützung nur greift, wenn sonst niemand für die Kosten aufkommt.

Immer zum Fachanwalt für Sozialrecht

Unabhängig davon, ob man sich für Prozesskostenhilfe, eine eigene Rechtsschutzversicherung oder den Schutz durch Verbände entscheidet, ist es wirklich wichtig, eine fachlich erfahrene Kanzlei im Sozialrecht zu finden. Gerade bei Jobcenter-Verfahren kommt es auf detaillierte Kenntnisse der Sozialgesetzgebung an.

Viele Anwältinnen und Anwälte spezialisieren sich auf verschiedene Rechtsgebiete, doch für die strategische Auseinandersetzung mit dem Jobcenter sind vertiefte Erfahrungen im Sozialrecht unerlässlich.

“Spezialisierte Kanzleien wissen in der Regel genau, wie sie in Widerspruchs- und Klageverfahren argumentieren müssen. Sie sind vertraut mit den typischen Fehlern und Versäumnissen, die Behörden häufig machen, und können diese gezielt angreifen”, sagt Anhalt.

Wie kann man sich letztlich entscheiden?

Die Frage, ob eine Rechtsschutzversicherung, der Beitritt zu einem Sozialverband oder die Inanspruchnahme der Prozesskostenhilfe sinnvoller ist, lässt sich also nicht pauschal beantworten. Viel hängt von der individuellen Situation ab – von der eigenen Finanzlage, den örtlichen Gegebenheiten (etwa, ob es in der Region einen anwaltlichen Beratungsschein gibt) und der Frage, wie komplex der jeweilige Rechtsstreit ausfallen könnte.

Was raten wir für die Praxis?

Wer den Eindruck hat, das Jobcenter würde eigene Anträge oder Anliegen nicht ernst nehmen, sollte den Gang zum Sozialgericht nicht scheuen. Eine professionelle Rechtsvertretung sorgt oft dafür, dass fehlerhafte Bescheide zügig korrigiert werden.

Vor allem die Aussicht, dass das Jobcenter bei einem Negativurteil für die Kosten aufkommen muss, setzt die Behörde unter Druck.

Wenngleich dieses Vorgehen aufwendig wirken kann, verschafft es vielen Betroffenen die Gewissheit, dass ihre Interessen auf Augenhöhe vertreten werden.

Die Entscheidung für Prozesskostenhilfe, eine Rechtsschutzversicherung oder den Rechtsschutz etwa über Gewerkschaften oder Verbände sollte jedoch stets nach persönlicher Abwägung getroffen werden. Am Ende geht es darum, das eigene Recht durchzusetzen, ohne in finanzielle Risiken zu geraten.