Sondierungspapier besiegelt Ende vom Bürgergeld

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Das Bürgergeld war ein von der SPD initiiertes Projekt und sollte das vorherige Hartz IV-System menschenwürdiger gestalten und zugleich Betroffene – im Unterschied zu Hartz IV nachhaltig für den regulären Arbeitsmarkt qualifizieren.

Ein jetzt veröffentlichtes Sondierungspapier zwischen CDU / CSU und SPD für eine gemeinsame Bundesregierung lässt von diesen relativen Verbesserungen kaum noch etwas übrig.

Dr. Utz Anhalt hat sich das Sondierungspapier genau angeschaut

Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs

Auf Seite 5 / 6 des Papiers ist zu lesen: „Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um. Es muss sichergestellt werden, dass die Jobcenter für die Eingliederung ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Wir stärken die Vermittlung in Arbeit.“

Die letzten beiden Sätze hätten so auch beim Modell des Bürgergeldes stehen können, doch dann kommt der Haken: „Für die Menschen, die arbeiten können, soll der Vermittlungsvorrang gelten.“

Der Vermittlungsvorrang bedeutete bei Hartz IV, dass jeder prinzipiell Erwerbsfähige, unabhängig von seiner beruflichen Erfahrung und persönlichen Situation, in jedwede „zumutbare“ Arbeit gepresst wurde und ansonsten Sanktionen erwartete.

Die Wiederkehr des Drehtür-Effektes

Das Bürgergeld setzte stattdessen darauf, Betroffene nachhaltig für den regulären Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Aus gutem Grund: Der Vermittlungsvorrang bei Hartz IV hatte zum berüchtigten Drehtür-Effekt geführt.

Arbeitgeber bekamen vom Jobcenter teilweise hoch qualifizierte Arbeitskräfte serviert, die kaum Arbeitsrechte hatten. Unternehmen stellten diese ein und warfen sie wieder hinaus, je nachdem, wie es den Arbeitgebern gerade am besten in den Kram passte, und die Betroffenen mussten danach wieder Hartz IV beziehen.

Sanktionen verschärfen

Im folgenden steht dann: „Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen. Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“

Sanktionen treffen die Hilflosen

Die Sanktionen von Leistungsberechtigten wurden bereits 2024 verschärft. Die Strafen wegen angeblicher „Verletzung der Mitwirkungspflicht“ treffen immer wieder diejenigen, die den Sozialstaat am nötigsten brauchen, nämlich Leistungsberechtigte mit psychischen Erkrankungen, diejenigen, die von Behördentexten überfordert sind und solche, die wegen eines Berges von Problemen den Überblick verlieren.

Immer wieder müssen Sozialgerichte entscheiden, dass Sanktionen gegen Leistungsberechtigte rechtswidrig sind.

Statt den Betroffenen zu helfen, wieder im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sollen sie noch härter drangsaliert werden als bisher.

Angriff auf das Grundgesetz

Sollte eine neue Bundesregierung einen kompletten Entzug der Sozialleistungen tatsächlich umsetzen, wird es Klagen vor den Sozialgerichten vermutlich hageln, und es wird bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen.
Denn dieses hat Sanktionen generell auf höchstens 30 Prozent des Regelsatzes begrenzt und einen totalen Entzug der Leistungen nur dann für zulässig erklärt, wenn tatsächlich keine Hilfebedürftigkeit besteht.

Missbrauch von Sozialleistungen

Ein weiterer Punkt ist die Verfolgung von Schwarzarbeit: „Großangelegter Sozialleistungsmissbrauch, im Inland sowie durch im Ausland lebende Menschen, muss beendet werden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit wollen wir weiter stärken und so härter gegen diejenigen vorgehen, die illegale Beschäftigung betreiben oder die „schwarz“ arbeiten.“

Zentralisierung von Sozialleistungen

Laut dem Sondierungspapier sollen Sozialleistungen stärker zentralisiert werden, durch das Zusammenführen von Wohngeld und Kinderzuschlag sowie „Leistungen und Beratungen aus einer Hand“ und eine „Digitalisierung der Prozesse“.

Rolle rückwärts zu Hartz IV

Abgeschafft werden sollen Neuerungen des Bürgergeldes, die Menschenrechtsverletzungen bei Hartz IV milderten. Die Ankündigung, Mitwirkungspflichten zu verschärfen lässt sogar vermuten, dass außer den Sanktionen noch weitere Schikanen gegen Leistungsberechtigte in Planung sind, denn die Sanktionen werden ausdrücklich erwähnt.

„Leistungen und Beratungen aus einer Hand“ lässt ebenfalls Übles ahnen, denn es bedeutet im Klartext, Sozialverbänden, die Leistungsberechtigte unterstützen, die Förderung zu entziehen.

Was fehlt?

Es fehlt hingegen genau das im Sondierungspapier, was die geschassten Sozialverbände unentwegt einfordern: Regelsätze, die den tatsächlichen Bedarf decken und eine vollwertige Ernährung ermöglichen, eine verbesserte psychosoziale Betreuung von Arbeitssuchenden mit vielschichtigen Problemen.

Keine Verbesserung für diejenigen, die Hilfe benötigen

Von konkreten Qualifizierungen für den regulären Arbeitsmarkt (dem größten Problem bei der Arbeitsvermittlung), ist keine Rede, und ebenso fehlen Vorschläge diejenigen beim Start zu unterstützen, die es geschafft haben, in eine Beschäftigung zu kommen.

Bürgergeld-Bezieher mit besonderen Problemen wie Alleinerziehende, Suchtkranke, psychisch Kranke, diejenigen, die Angehörige pflegen oder diejenigen, die aufgrund ihres Alters wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sind es CDU / CSU und SPD nicht einmal wert, auch nur erwähnt zu werden.

Die vielen dicken Bretter, die zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten gebohrt werden müssen, ignoriert das Sondierungspapier geflissentlich und fordert stattdessen Härte gegen Hilfebedürftige, die von den echten Problemen ablenkt.