EM-Rente: 3 harte Hürden für die Erwerbsminderungsrente

Liegt eine Erwerbsminderung vor, zahlt der Staat eine Erwerbsminderungsrente. In der Realität ist der Weg dorthin jedoch steinig. Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein – zwei lassen sich relativ klar prüfen, die dritte ist in der Praxis der entscheidende Stolperstein.

Versicherungsrechtliche Voraussetzung: Wartezeiten und Pflichtbeiträge

Die erste Hürde ist formeller Natur. Wer eine Erwerbsminderungsrente beziehen möchte, muss zunächst die allgemeine Wartezeit erfüllen. Sie beträgt fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung. Maßgeblich ist, dass insgesamt mindestens fünf Versicherungsjahre vorhanden sind – wann genau diese Zeiten zurückgelegt wurden, spielt dabei keine Rolle.

Wer die fünf Jahre beispielsweise bereits vor Jahrzehnten „gesammelt“ hat, erfüllt die allgemeine Wartezeit dennoch.

Daneben verlangt das Gesetz eine besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung: In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sein.

Diese 36 Monate müssen nicht am Stück vorliegen, sie müssen aber innerhalb des Fünfjahreszeitraums zusammenkommen. Für einzelne Lebenslagen gibt es Ausnahmen und Anrechnungen, die in ausführlichen Fachartikeln behandelt werden; entscheidend ist der Grundsatz, dass ohne diese Pflichtbeitragszeiten ein Rentenanspruch regelmäßig nicht entsteht.

Antragstellung: Ohne formalen Antrag keine Rente

Die zweite Voraussetzung klingt banal, wird in der Praxis aber unterschätzt: Eine Erwerbsminderungsrente wird nicht automatisch bewilligt, sondern muss aktiv bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden. Das gilt ebenso für die Altersrente – auch sie fließt nur auf Antrag.

Wer einen Anspruch vermutet, sollte sich frühzeitig um die Antragstellung kümmern und die erforderlichen Unterlagen vollständig beibringen. Das Verfahren umfasst in aller Regel medizinische Unterlagen, berufliche Angaben und versicherungsrechtliche Nachweise; unvollständige Anträge verzögern die Bearbeitung und erschweren die Beurteilung.

„Irgendein Job“ und die Sechs-Monats-Prognose

Der schwierigste Teil der Prüfung ist die medizinische Voraussetzung. Eine Erwerbsminderungsrente erhält nur, wer aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich für mindestens sechs Monate nicht mehr in der Lage ist, wenigstens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten.

Entscheidend ist dabei nicht der zuletzt ausgeübte Beruf, sondern irgendeine zumutbare Tätigkeit. Genau dieser Perspektivwechsel – weg vom bisherigen Job, hin zum allgemeinen Arbeitsmarkt – ist der Kernunterschied zur privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.

Während die Berufsunfähigkeitsversicherung bereits leistet, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit voraussichtlich zu mindestens 50 Prozent nicht mehr ausgeübt werden kann, knüpft die gesetzliche Erwerbsminderungsrente an die abstrakte Leistungsfähigkeit für jede Tätigkeit an.

Das Dilemma zeigt sich besonders im Handwerk: Kann ein Fliesenleger wegen Knieproblemen seinen Beruf nicht mehr ausüben, heißt das noch nicht, dass eine Erwerbsminderungsrente gezahlt wird.

Wenn er gesundheitlich noch in der Lage wäre, einer anderen Tätigkeit in relevantem Umfang nachzugehen, fehlt die medizinische Voraussetzung für die Rente – auch wenn der Wechsel in der Praxis schwerfallen mag.

Volle und teilweise Erwerbsminderung: Stundenkorridore entscheiden

Für die Einordnung der Leistungsfähigkeit gelten klare Stundenkorridore. Wer nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, gilt als voll erwerbsgemindert. Wer noch zwischen drei und unter sechs Stunden täglich arbeitsfähig ist, erfüllt die Voraussetzungen für eine teilweise Erwerbsminderung.

Ab sechs Stunden täglicher Leistungsfähigkeit liegt keine Erwerbsminderung vor. Dieser Stufenmechanismus erklärt, warum die volle Erwerbsminderungsrente in der Praxis besonders schwer zu erreichen ist: Die Hürde liegt deutlich höher als bei der teilweisen Erwerbsminderung.

Bewilligungsquote, Bearbeitungszeit und Leistungsniveau: Ein Blick auf die Realität

Die statistische Realität zeigt die strenge Prüfungspraxis. Mehr als 50.000 Anträge auf Erwerbsminderungsrente wurden im letzten Jahr gestellt; letztlich wurde etwa die Hälfte bewilligt, die andere Hälfte abgelehnt.

Die durchschnittliche Bearbeitungszeit lag bei rund 141 Tagen. Selbst bei Erfolg bleibt die finanzielle Leistung in vielen Fällen überschaubar: Als grober Richtwert werden bei voller Erwerbsminderung etwa 30 bis 40 Prozent des letzten Bruttoeinkommens erreicht.

Warum so viele Anträge scheitern – und was Betroffene daraus lernen können

Die versicherungsrechtlichen Kriterien lassen sich mit Blick in das Versicherungskonto oft zügig klären. Die medizinische Hürde ist der Knackpunkt. Weil nicht der bisherige Beruf, sondern der gesamte Arbeitsmarkt betrachtet wird und zudem eine mindestens sechsmonatige Einschränkung vorliegen muss, scheitern zahlreiche Anträge an der Feststellung der Erwerbsminderung.

Wer gesundheitlich nur zeitweise oder in geringerem Umfang eingeschränkt ist, fällt aus dem Raster. Hinzu kommt: Selbst bei anerkannter teilweiser Erwerbsminderung ist die daraus resultierende Rente häufig zu niedrig, um laufende Verpflichtungen zu decken.

Fazit: Realistisch planen, frühzeitig handeln

Der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente ist rechtlich verankert, in der Praxis jedoch an hohe Hürden geknüpft. Wer die fünfjährige Wartezeit und die Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren erfüllt, hat die formalen Voraussetzungen auf seiner Seite.

Entscheidend bleibt die medizinische Prüfung – und hier scheitern viele Verfahren, weil der Maßstab „irgendein Job“ streng ist und die geforderte zeitliche Prognose oft nicht erreicht wird. Selbst im Erfolgsfall sichert die gesetzliche Rente häufig nur das Existenzminimum ab.