Der Regelsatz beim Bürgergeld soll das Existenzminimum sichern – mehr aber nicht. Zu diesem Existenzminimum gehört für manche Menschen aber auch eine Ernährung, die der Regelsatz nicht abdeckt.
Deshalb zahlt das Jobcenter einen Mehrbedarf, wenn Bürgergeld-Bezieher aus medizinischen Gründen teurere Nahrung benötigen. Die Kriterien für einen solchen Mehrbedarf sind streng.
Inhaltsverzeichnis
Die Krankenkostzulage
Der ernährungsbedingte Mehrbedarf heißt auch Krankenkostzulage. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen Bürgergeld oder Sozialhilfe erhalten, und eine kostenintensivere Ernährung aus medizinischen Gründen nötig ist (im Vergleich zur normalen Vollkost). Dafür muss ein ärztliches Attest vorliegen, das eine konkrete Ernährung nennt.
Gilt der Mehrbedarf nur für Kranke?
Der Mehrbedarf gilt nicht nur bei chronisch oder akut Erkrankten, sondern auch bei jenen, die von einer Krankheit genesen, und bei denen die teurere Ernährung für den Heilungsprozess notwendig ist.
Für welche Erkrankungen gilt der Mehrbedarf?
Typische Beispiele für Erkrankte, die eine kostenintensive Ernährung brauchen sind Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit und Krebs. Bei Zöliakie sind die Betroffenen auf Nahrungsmittel angewiesen, die kein Gluten enthalten. Krebs führt oft zu Appetitlosigkeit, Übelkeit und Stoffwechselstörungen, und eine angepasste Ernährungstherapie ist oft wesentlich, um den Zustand zu verbessern.
Das Jobcenter oder das Sozialamt ermitteln den Mehrbedarf im konkreten Fall, und dafür gibt es bestimmte Richtwerte.
Bei Mangelernährungen zum Beispiel durch Krebs, Leberkrankheiten oder der Lungenkrankheit COPD liegt der Rahmen bei rund zehn Prozent der Regelbedarfssufe 1, also 56,30 Euro.
Bei Niereninsuffizienz mit Dialyse beträgt der Mehrbedarf ungefähr die Hälfte. Wenn die Niereninsuffizienz allerdings mit einer Mangelernährung einhergeht, dann sind ungefähr 15 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 ein Richtwert, also rund 84,45 Euro pro Monat.
Bei Zöliakie, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung wegen Gluten-Unverträglichkeit ist der Mehrbedarf am höchsten und liegt bei rund 20 Prozent der Regelbedarfsstufe 1, also bei ungefähr 112, 60 Euro. Dieser Mehrbedarf ist zudem dauerhaft, denn Zöliakie lässt sich nur durch lebenslange glutenfreie Ernährung behandeln.
Mukoviszidose erfordert einen noch höheren Mehrbedarf von rund 30 Prozent der Regelbedarfsstufe 1, also um die 168,90 Euro. Diese Erbkrankheit schädigt durch dickflüssige Sekrete besonders die Lunge und die Verdauungsorgane.
Diese Richtwerte sind nicht gesetzlich festgelegt, sondern entsprechen den Empfehlungen von Ärzten und Ernahrungswissenschaftlern.
Bei Krankheiten, die Schluckstörungen verursachen wie zum Beispiel Multiple Sklerose, Parkinson oder die Folgen eines Schlaganfalls sind die Betroffenen oft auf Mittel angewiesen, um Flüssigkeiten anzudicken. Den Mehrbedarf ermittelt das Jobcenter dann im Einzelfall.
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Bescheid prüfenWie sieht es bei anderen Krankheiten aus?
Auch bei vielen anderen Krankheiten, die nicht in dieser Liste stehen, sind Betroffene oft auf kostenintensive Nahrung angewiesen. Das Jobcenter prüft dies individuell, erfahrungsgemäß ist es bei nicht gelisteten Erkrankungen deutlich schwerer, einen Mehrbedarf durchzusetzen, und oft entscheiden erst die Sozialgerichte, ob dieser berechtigt ist.
Das medizinische Attest muss in solchen Fällen nicht nur die Diagnose enthalten, sondern auch genau aufführen, welche Ernährung aus welchen Gründen notwendig ist.
Auch bei altersspezifischem medizinisch notwendigem Mehrbedarf gibt es keine allgemeinen Richtwerte. Das gilt zum Beispiel für eine Latoseintoleranz bei Kleinkindern.
Mehrbedarf gilt nur bei zusätzlichen Kosten
Wenn Sie aus medizinischen Gründen auf eine besondere Ernährung angewiesen sind, dann übernimmt das Jobcenter nur dann einen Mehrbedarf, wenn diese tatsächlich höhere Kosten verursacht.
Sie haben zum Beispiel keinen Anspruch auf Mehrbedarf, wenn Sie als Erwachsener an einer Laktoseintoleranz leiden, aber laktosefreie Nahrungsmittel keine (deutlich) höheren Kosten verursachen und zugänglich sind.
Vollkosternährung ist kein Mehrbedarf
Bei vielen Krankheiten empfehlen Ärzte eine Vollkosternährung. Das ist eine ausgewogene und abwechlsungsreiche Ernährung, die den Energie- und Nährstoffbedarf vollwertig abdeckt. Sozialverbände und Studien gehen davon aus, dass der Regelsatz des Bürgergeldes eine solche Ernährung nicht möglich macht.
Rechtlich besteht bei einer medizinischen Empfehlung zur Vollkost kein Anspruch auf einen Mehrbedarf. Solche Empfehlungen gibt es zum Beispiel bei Bluthochdruck, Gicht, Wasseransammlungen im Körper, bei Diabetes, Endometriose, Histaminunverträglichkeit oder Magengeschwüren.
Wann gilt kein Mehrbedarf?
Wenn Sie wegen Allergien viele Lebensmittel nicht vertragen, der Verzicht darauf sich aber nicht auf ihre Gesundheit auswirkt, dann zahlt das Jobcenter Ihnen keine Mehrbedarf für den Konsum von Ersatzprodukten.
Sie erhalten auch keinen Mehrbedarf, wenn Sie, um Ihren Gesundheitszustand zu verbessern, eine veränderte Ernährung anstreben, deren medizinischer Nutzen jedoch wissenschaftlich nicht belegt ist. Das gilt für viele Konzepte der sogenannten Alternativmedizin.
Was können Sie tun, wenn das Jobcenter einen Mehrbedarf ablehnt?
Den Mehrbedarf erhalten Sie nicht automatisch, sondern müssen ihn mit ärztlichem Attest beim Jobcenter beantragen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, dann muss die Behörde Ihnen den Mehrbedarf zahlen.
Gerade bei nicht gelisteten Erkrankungen, bei denen in Ihrem konkreten Fall teurere Nahrungsmittel zur Therapie gehören, stellt das Jobcenter sich schnell quer und lehnt den Antrag ab.
Bei Anlehnung oder wenn das Jobcenter den Mehrbedarf zu niedrig einstuft, können Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Erklärt das Jobcenter diesen für unberechtigt, dann können Sie wiederum innerhalb eines Monats eine Klage vor dem Sozialgericht erheben, um Ihren Anspruch durchzusetzen.