Bürgergeld: Jobcenter schicken Anordnung zum persönlichen Erscheinen

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Die Jobcenter gehen in letzter Zeit wieder dazu über Anordnung zum persönlichen Erscheinen zu verschicken. Was können Bürgergeld-Bezieher tun, wenn sie eine solche Anordnung erhalten? Können bei Weigerungen Leistungen eingestellt werden? Was sind die Alternativen?

Was ist eine Anordnung zum persönlichen Erscheinen?

Die „Anordnung zum persönlichen Erscheinen“ beruht auf § 61 SGB I. Der Paragraph erlaubt den Jobcentern, Bürgergeld-Empfänger zur mündlichen Erörterung des Antrags oder zur Durchführung anderer für die Leistungsentscheidung notwendiger Maßnahmen in das Jobcenter zu laden.

Dort heißt es wörtlich: „Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers […] persönlich erscheinen.“

Welche Mitwirkungspflichten gelten – und wo liegen ihre Grenzen?

Mitwirkung ist im Sozialrecht kein freiwilliger Akt, sondern eine Pflicht, die §§ 60–67 SGB I detailliert regeln. Wer den Aufforderungen nicht nachkommt, riskiert eine Versagung oder Entziehung der Leistung – allerdings erst, nachdem er oder sie ausdrücklich und schriftlich auf diese Konsequenzen hingewiesen wurde (§ 66 Abs. 3 SGB I).

Gleichzeitig zieht § 65 SGB I eine deutliche Grenze: Eine Mitwirkung darf nicht verlangt werden, wenn sie für den Betroffenen unzumutbar ist oder der Sachverhalt mit geringerem Aufwand von der Behörde selbst ermittelt werden könnte. Auch gesundheitliche Hinderungsgründe können als „wichtiger Grund“ anerkannt werden.

Muss die Rechtsfolgenbelehrung bestimmten Formvorschriften genügen?

Ja. Die Bundesagentur für Arbeit schreibt in ihren fachlichen Weisungen vor, dass vor jeder Versagung ein Mitwirkungsschreiben mit Fristsetzung und rechtssicherer Rechtsfolgenbelehrung stehen muss. Erst wenn diese Frist fruchtlos verstreicht, darf ein Entziehungs- oder Versagungsbescheid ergehen.

Enthält ein Schreiben lediglich einen Gesetzestext ohne konkrete Belehrung, kann seine Wirksamkeit zweifelhaft sein und ein Widerspruch eingelegt werden.

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Ist die angedrohte Leistungseinstellung rechtlich haltbar?

Ob ein Jobcenter Leistungen kürzen darf, entscheidet sich an zwei Kernfragen: Wird ein konkreter, leistungsrelevanter Sachverhalt tatsächlich durch das Fernbleiben „erheblich erschwert“ (§ 66 SGB I)? Und wurde vorher ordnungsgemäß belehrt?

Fehlt es an beiden Voraussetzungen, wäre eine sofortige Vollsanktion kaum gerichtsfest.

In der Praxis zwingt das jedoch häufig zu einem Widerspruchs- und notfalls Eilverfahrens-Marathon, während das Geld zunächst ausbleibt – ein Risiko, das viele Leistungsberechtigte trotz möglicher Erfolgsaussichten scheuen.

Gibt es Alternativen zum Gang ins Amt?

Wir raten, zunächst schriftlich um Konkretisierung des Sachverhalts zu bitten, gegebenenfalls medizinische Atteste vorzulegen oder einen Hausbesuch strikt auf die Identitätsfeststellung zu beschränken.

Die BA-Weisungen sehen ausdrücklich vor, dass vor einer Entziehung zunächst mildere Mittel – Erinnerungsschreiben, Hausbesuch oder Videotermin – auszuschöpfen sind.

Wer das Amt partout nicht betreten will, kann ferner per Vollmacht einen Bevollmächtigten schicken. Ob sich damit der gewünschte „Kontakt-Null-Plan“ durchhalten lässt, hängt letztlich vom langen Atem beider Seiten und von gerichtlichen Entscheidungen ab.

Seit März 2024 können Jobcenter bei „beharrlicher Arbeitsverweigerung“ erstmals wieder den gesamten Regelbedarf für zwei Monate kürzen – Unterkunft und Krankenversicherung bleiben jedoch unangetastet.

Parallel wird auf Bundesebene über eine monatliche Meldepflicht für bestimmte Leistungsgruppen diskutiert, um die „Integrationsbereitschaft“ stärker einzufordern.

Kritiker wie der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt sehen darin eine Rückkehr “zur Härte der alten Hartz-IV-Zeit”.

Fazit: Kooperation oder Konfrontation?

Rechtlich existiert ein schmaler Pfad, auf dem Leistungsberechtigte Persönlichkeitsrechte wahren und gleichzeitig ihre Existenz sichern können.

Praktisch ist die totale Verweigerung eine Hochrisikostrategie: Sie zwingt das Jobcenter, zum schärfsten Schwert zu greifen – der Leistungseinstellung –, und belastet die Betroffenen psychisch wie finanziell.
Ein gangbarer Kompromiss könnte darin liegen, die geforderten Informationen schriftlich anzuliefern, einen Beistand einzuschalten und das Jobcenter notfalls auf eine „verhältnismäßige“ Prüfung festzunageln.

Ob das gelingt, entscheidet jeder Einzelfall – und manchmal erst das Sozialgericht. In Zeiten verschärfter Meldeauflagen aber gilt mehr denn je: Wer Bürgergeld bezieht, kommt um ein Mindestmaß an Kooperation kaum herum, so unvollkommen das System auch sein mag.