Das Leibniz-Institut für Wirtschafsforschung an der Universität München e.V. (ifo Institut) will ausgerechnet haben, dass durch die Änderungen in der Grundsicherung 172.000 Menschen mehr in Arbeit gebracht werden könnten – zu Lasten jedoch vor allem der alleinstehenden und kinderlosen Bürgergeldbezieher.
Grenzen des Hinzuverdienstes neu berechnen
Die Vertreter dieser Forderung, Dr. Maximilian Blömer, Lily Fischer und Professor Dr. Andreas Peichl behaupten, die Transferentzugsraten in der Grundsicherung würden die Betroffenen davon abhalten, mehr zu arbeiten. Dabei beziehen sie sich auf die Grenzen des Hinzuverdienstes beim Bürgergeld.
In der jetzigen Regelung bleiben 100 Euro, die Bürgergeld-Bezieher/innen hinzuverdienen, als Grundfreibetrag erhalten. Bei Zuverdienst ab 100 bis 520 Euro bleiben nur zu 20 Prozent anrechnungsfrei, Zuverdienste über 520 bis zu 1.000 Euro sind dann zu 30 Prozent anrechnungsfrei. Von 1.000 bis zu 1.200 Euro werden nur zehn Prozent nicht eingezogen.
Was schlägt das ifo Institut vor?
Das ifo Institut schlägt vor, geringen Zuverdienst voll anzurechnen und höheren Zuverdienst dafür weniger anzurechnen als bisher. So sollten Einnahmen von bis zu 360 Euro voll einbehalten werden.
Dafür würden bei Einnahmen ab 361 Euro 40 Prozent anrechnungsfrei. Das trifft vor allem Minijobber. Haushalte mit Kindern sollten 100 Euro anrechnungsfrei verdienen dürfen, bei ihnen sollten zwischen 101 und 360 Euro 80 Prozent angerechnet werden und über 360 Euro 60 Prozent. Letzteres wäre dasselbe wie bei Haushalten ohne Kinder.
Kein Wohngeld und kein Kinderzuschlag
Das ifo Institut schlägt außerdem vor, das Wohngeld und den Kinderzuschlag für Geringverdiener völlig abzuschaffen und in das Bürgergeld aufzunehmen, um das Gesamtsystem zu vereinfachen und zu vereinheitlichen.
Änderungen der Besteuerung
Bei der Besteuerung von Beziehern entsprechender Sozialleistungen möchte das Institut das Ehegattensplitting in ein realitätsgerechtes Splitting umwandeln. Kinderfreibetrag, Grundfreibetrag und Werbungskostenpauschale sollten deutlich angehoben werden, der Grundfreibetrag um 500 Euro und die Werbungskostenpauschale um 200 Euro.
Laut ifo Institut würden durch diese Maßnahmen die geleisteten Arbeitsstunden ohne Kosten für den Staat um 184.000 Vollzeitstellen steigen und 172.000 Menschen eine Beschäftigung aufnehmen.
Laut den Berechnungen des ifo Instituts würden die neuen Regelungen den meisten Bezieher von Bürgergeld mehr Geld bringen als ihnen derzeit zur Verfügung steht. So hätten Alleinstehende 100 Euro mehr, Alleinerziehende 251 Euro mehr und Paare mit Kindern sogar 634 Euro mehr. Paare ohne Kinder hätten dagegen Einbußen, nämlich 190 Euro. Ohne Kinder bekämen die Betroffenen 22 Euro weniger als heute, mit einem Kind 336 Euro mehr, mit zwei Kindern 752 Euro mehr und mit drei Kindern sogar 1.100 Euro mehr.
Minijobs – Hemmnis oder Einstieg in den Arbeitsmarkt
Kritisch zu sehen ist der volle Einzug des Verdienstes bei Minijobs unter 360 Euro. Gerade solche Kleinjobs sind für viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, eine Möglichkeit, wieder in den Arbeitsmarkt zu gelangen – und allzuoft die einzige Perspektive noch „mit einem Bein“ im Beruf zu bleiben. Faktisch werden gerade diese Menschen mit der vollen Anrechnung ihres Verdienstes sanktioniert.
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht, Sozialpolitik und Naturwissenschaften. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.