Bürgergeld: Anspruch auf Zuschuss statt Darlehen vom Jobcenter

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In den meisten Jobcentern ist nach wie vor die Meinung vorherrschend, dass für besondere Bedarfe, wie z.B. die Anschaffung einer Waschmaschine, nur Darlehen gewährt werden. Dabei hat sich die Rechtslage schon längst verändert. Wir erklären, wie Bürgergeld-Bezieher statt eines Darlehens vom Jobcenter einen Zuschuss erhalten können.

Erst am Wochenende hatten wir über ein Urteil berichtet, in dem ein Bürgergeld-Bezieher vor dem Sozialgericht Kiel einen Zuschuss statt eines Darlehens für eine Waschmaschine erstritten hatte. Aber warum hat das Gericht im Sinne des Klägers entschieden? Wir klären auf!

Härtefallregelung für einmalige Bedarfe

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte nämlich in einem Urteil aus dem Jahr 2014 festgestellt, dass die Regelsätze im Sozialgesetzbuch II (SGB II) kurz vor der Verfassungswidrigkeit stehen und dementsprechend Änderungen bezüglich besonderer Bedarfe gefordert.

Nach fast sieben Jahren hatte dann der Gesetzgeber endlich reagiert und mit der ab Januar 2021 geltenden Rechtslage eine Härtefallregelung für einmalige Bedarfe eingeführt. Diese Rechtslage hat sich auch durch die Einführung des Bürgergeldes nicht geändert und gilt demnach nach wie vor.

Diese gesetzliche Regelung sieht vor, dass bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf als Zuschuss anerkannt wird, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer Bedarf besteht und eine Darlehensgewährung nicht zumutbar ist (§ 21 Abs. 6 SGB II).

Die meisten Jobcenter sträuben sich jedoch und bieten lediglich ein Darlehen an, das dann aus den Bürgergeld-Regelleistungen zurückgezahlt werden muss. Zwar wurde der monatliche Rückzahlungsbetrag inzwischen auf 5 Prozent reduziert, dennoch haben Leistungsberechtigte häufig Anspruch auf einen Zuschuss statt eines Darlehens.

Zunächst ist daher immer zu prüfen, ob die Beträge im Regelbedarf ausreichen. Sind diese zu gering oder können sie nicht in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden, ist ein Verweis auf ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II unzulässig und die Jobcenter müssen die Leistungen zusätzlich als Zuschuss erbringen.

Waschmaschine nicht mit dem Regelbedarf ansparbar

Angenommen, es wird dringend eine Waschmaschine benötigt und das günstigste Modell eines bekannten Händlers kostet 223,23 € zuzüglich 29,99 € für den Transport, also insgesamt 253,32 €.

Im Regelbedarf sind aber nur 3,35 € pro Monat für alle Elektrogroßgeräte im Regelsatz enthalten, für eine Waschmaschine sind es ca. 0,40 € pro Monat. Multipliziert man diesen Betrag mit 12 Monaten, ergibt sich ein Jahresbetrag von 4,80 €. Bürgergeldbezieher müssten also 52,8 Jahre sparen, um genug Geld für eine Waschmaschine anzusparen.

Diese Zahl verdeutlicht die große Kluft zwischen dem durchschnittlichen Betrag im Regelbedarf und den tatsächlichen Anschaffungskosten (BVerfG AZ: 1 BvL10/12, Rn 120).

Aufgrund dieser erheblichen Differenz ist es somit unzumutbar, ein Darlehen gemäß § 24 Absatz 1 SGB II in Anspruch zu nehmen. Daher müssen die Anschaffungskosten für die Waschmaschine im Rahmen der Härtefallregelung gemäß § 21 Absatz 6 SGB II übernommen werden.

Wie genau sollen Leistungsbeziehende nun reagieren?

Bürgergeld-Bezieher sollten zunächst einen Antrag beim Jobcenter stellen. Dabei ist es wichtig, die Kosten genau zu beziffern und glaubhaft zu machen, z.B. durch Vorlage von Belegen oder einer Kostenkalkulation.

Außerdem sollte angegeben werden, bis wann das Jobcenter eine Entscheidung treffen muss. Denn in den meisten Fällen wird ein solcher Antrag dringend sein, weil zum Beispiel die Waschmaschine kaputt ist und Kinder im Haushalt leben. Das Jobcenter wird einen solchen Antrag dann genau prüfen.

Sind die Bedarfe nicht im Regelbedarf enthalten, müssen sie als Zuschuss übernommen werden. Sind die Bedarfe im Regelbedarf enthalten, ist zu prüfen, in welcher Höhe sie berücksichtigt werden und ob eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 SGB II zumutbar ist. Siehe das Rechenbeispiel bei der Waschmaschine.

Sind die Bedarfe im Regelbedarf nicht angemessen berücksichtigt, muss das Jobcenter die Leistung nach § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss zu erbringen. Die Frage der Zumutbarkeit eines Darlehens bedarf dann wiederum einer Einzelfallprüfung.

Jobcenter wird meistens ein Darlehen anbieten

Es ist aber wahrscheinlich, dass das Jobcenter nun den einmaligen Bedarf als “unabweisbaren Bedarf” nach § 24 Abs. 1 SGB II auf Darlehensbasis gewähren will und der Antragsteller das Darlehen aus den laufenden Regelleistungen zurückzahlen soll. Viele werden sich an dieser Stelle fragen, wie sie nun vorgehen müssen, um statt eines Darlehens einen Zuschuss zu erhalten.

  1. Das Darlehensangebot des Jobcenters sollte zunächst akzeptiert werden, da die meisten Antragstellenden dringend darauf angewiesen sein werden.

  2. Anschließend kann gegen die Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 und auch gegen die Aufrechnung des Darlehens Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch gegen die Aufrechnungsentscheidung hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung, so dass das Widerspruchsverfahren in Ruhe durchgeführt werden kann.

Zuschüsse müssen vor Gericht erstritten werden

Da die Bundesagentur für Arbeit bisher keine konkrete Weisung hierzu erteilt hat und auf ihren Internetseiten darauf hinweist, dass lediglich ein Darlehen “in manchen Fällen” gewährt wird, ist damit zu rechnen, dass es im Anschluss zu einem Rechtsstreit vor den Sozialgerichten kommt.

Hier stehen die Chancen jedoch recht gut, wie das oben erwähnte aktuelle Urteil zeigte. Leistungsberechtigte sollten aber unbedingt einen Fachanwalt für Sozialrecht mit der Klage beauftragen. Dieser kann auch Prozesskostenhilfe beantragen.

Was sind mögliche Härtefallbedarfe im Bürgergeld?

Neben den Bedarfen für Elektrogroßgeräte wie Waschmaschinen, Herd oder Kühlschrank umfasst die ab 2021 geltende Rechtslage weitere klassische Härtefallbedarfe für Bürgergeldbezieher. Dazu gehören beispielsweise

  • Computer,
  • Drucker,
  • Tastatur,
  • Maus und Software,
  • Brillen oder Kontaktlinsen bei medizinischer Indikation,
  • Kosten für Pässe und Passbeschaffung
  • Dolmetscher- und Übersetzerkosten bei Arztbesuchen
  • Geräte wie Waschmaschine, Kühlschrank, Herd
  • Behördenangelegenheiten und Schwangerschaft,
  • Kosten für Verfahrensbeistände,
  • Erziehungsberatungsstellen und die Ausländerbehörde

Ebenfalls nicht im Bürgergeld-Regelbedarf enthalten sind:

  • Kosten zur Beseitigung von Ungezieferbefall,
  • Dokumentenbeschaffung (wie Geburtsurkunden,
  • Heiratsfähigkeitsbescheinigungen oder Ehefähigkeitszeugnisse),
  • Kosten für Familienzusammenführung (einschließlich Visum- und Flugkosten),
  • Gebärdendolmetscherkosten bei Arztbesuchen und anderen Ämtern,
  • Kosten für notwendige Vorsorgeuntersuchungen,
  • Schuhe bei besonderen Fußproblemen,
  • Sportbekleidung für Kuren, Reha-Maßnahmen oder aus medizinischen Gründen,
  • Raumlüfter bei Allergien, Perücken bei Krebserkrankungen, Fernseher,
  • Spiralen aus besonderen Gründen sowie
  • Fahrtkosten zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Beerdigungen, Pflegeheimbesuchen oder bei Erkrankung eines Angehörigen.

Die Vorgehensweise auch bei diesen Bedarfen ist wie bei der Waschmaschine die gleiche.