2024 verhängten Jobcenter 63 Prozent mehr Sanktionen bei Bürgergeld-Beziehern als im Jahr zuvor, trotzdem waren nur 0,8 Prozent der leistungsberechtigten Erwerbsfähigen davon betroffen. In den meisten dieser Fälle ging es um nicht eingehaltene Termine. Die allerwenigsten lehnten ein Arbeitsangebot ab.
Wie werden Sanktionen begründet?
Bürgergeld-Bezieher verpflichten sich vertraglich zur Mitwirkung, um in Erwerbsarbeit zu kommen. Sie müssen also an Maßnahmen teilnehmen, sich auf Stellenvorschläge des Jobcenters bewerben und sich selbst um einen Job bemühen.
Sie verpflichten sich auch, Termine beim Jobcenter einzuhalten beziehungsweise rechtzeitig einen wichtigen Grund anzugeben, warum sie einen Termin nicht wahrnehmen können.
Die Jobcenter können Leistungen kürzen, wenn Leistungsbezieher diese Pflicht zur Mitwirkung nicht einhalten.
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Ausschlagen einer zumutbaren Arbeit
Die in Politik und Medien am breitesten debattierte dieser Pflichtverletzungen ist die wiederholte Ablehnung einer zumutbaren Arbeit. In diesen Fällen will die vermutliche zukünftige Bundesregierung sogar Totalsanktionen verhängen. Bereits die Ampelregierung sah dafür das Streichen des gesamten Regelsatzes vor.
Bei Bürgergeld-Beziehern unter 25 Jahren ist bei Sanktionen ein ergänzendes Coaching-Angebot vorgesehen. Dieses entwirft das Jobcenter dann in Absprache mit der örtlichen Jugendhilfe.
Chance zur Anhörung
Die Leistungskürzung beginnt mit dem Monat, in dem der Bescheid erfolgt. Leistungsbezieher müssen jedoch die Chance haben, angehört zu werden, bevor Sanktionen verhängt werden. Das Jobcenter muss die Betroffenen also auf die drohenden Kürzungen hinweisen. Die Leistungsberechtigten haben dann zwei Wochen Zeit, um Stellung zu beziehen.
Beispiel Leipzig
Ein gutes Beispiel, um sich konkrete Sanktionen anzusehen ist die Stadt Leipzig. Dort beziehen relativ viele Menschen Bürgergeld, im Januar 2025 waren es 39.491 Menschen. Bei diesen Zahlen lassen sich bei Sanktionen deutliche Tendenzen erkennen.
Der zuständige Wirtschaftsdezernent nannte, laut der Leiziger Zeitung, konkrete Zahlen von Sanktionen für die Stadt Leipzig: „Im Zeitraum Januar 2023 bis Juni 2024 wurden monatlich zwischen 28 und 718 Leistungsminderungen beschieden.
Damit bestanden Leistungsminderungen bei 0,3 % bis 1,6 % der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. In der Altersgruppe 15 – 24 Jahren betrug der Anteil im Durchschnitt 1,5 %, bei den 25 bis 50-jährigen 1,3 %, bei den über 50-jährigen 0,3 %.“ Die Quote entspricht damit im Schnitt ungefähr der für 2024 in Gesamtdeutschland.
Auch in Leipzig entfiel der Großteil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse laut Paragraf 32 des Sozialgesetzbuches II. Je nach Altersgruppe zwischen 61 Prozent und 98 Prozent.
Sanktionen wegen „Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“ erhielten zum Beispiel im Juni 2024 in Leipzig nur 14 Bürgergeld-Bezieher von 625 Sanktionierten insgesamt.
Die Leipziger Zeitung schreibt: „Das sind selbst unter den sanktionierten Personen nur 2 Prozent, gerechnet auf die 40.262 erwerbsfähigen Leistungsbezieher (ELB) im Juni waren das 0,035 Prozent.“
Der aufgeblasene „Totalverweigerer“
Die nackten Zahlen zeigen eindeutig: Die Debatte um „Totalverweigerer“, die angeblich Erwerbsarbeit generell ablehnen, aber trotzdem Bürgergeld beziehen wollen, bläst sprichwörtlich eine Mücke zum Elefanten auf. Oft geht sie auch direkt in blanke Unwahrheit über.
Denn der Hintergrund bei den allermeisten Pflichtverletzungen hat mit Arbeitsverweigerung nicht das geringste zu tun, sondern vermutlich mit Überforderung, Unorganisiertheit oder Vergesslichkeit.
Arbeitsverweigerung im Promillebereich
Die Zahl derjenigen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen ist unter erwerbsfähigen Bürgergeld-Berechtigten nicht im Prozent- , sondern im Promillebereich. Selbst unter denjenigen, die wegen einer Pflichtverletzung sanktioniert werden, handelt es sich um eine winzige Minderheit.