Besser Erwerbsminderungsrente statt Frührente mit Abzügen

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Krankengeld und Erwerbsminderung statt Frührente – Die bessere Alternative
Als langjährig Versicherte können Sie nach 35 Jahren Wartezeit bis zu vier Jahre früher in die Altersrente gehen. Dafür müssen Sie jedoch dauerhaft Abschläge leisten, 0,3 Prozent pro Monat vorzeitigem Ruhestands. Bei vier Jahren vorgezogener Rente sind dies satte 14,4 Prozent, die Sie weniger bekommen.

Erwerbsminderung statt Abschläge

Viele gehen frühzeitig in Rente, weil sie gesundheitlich nicht mehr die Leistung erbringen wie in jungen Jahren. Bei einer solchen Leistungsminderung ist der Bezug von Krankengeld und eine anschließende Erwerbsminderungsrente die weitaus bessere Alternative zu einer frühzeitigen Altersrente mit Abschlägen.

Was sind die Voraussetzungen?

Um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu haben, müssen Sie mindestens fünf Jahre Wartezeit bei der Rentenkasse nachweisen, und davon in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre durchgehend pflichtversichert gewesen sein.

Sie müssen gesundheitlich nur noch in der Lage sein, weniger als drei Stunden pro Tag zu arbeiten (volle Erwerbsminderung) beziehungsweise weniger als sechs Stunden pro Tag (teilweise Erwerbsminderung). Das gilt für jede Arbeit, und nicht nur für den von Ihnen ausgeübten Beruf. Diese Einschränkungen müssen zudem mindestens sechs Monate bestehen.

Erwerbsminderungsrentner werden immer älter

Martin Brussig vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen fand in einer Studie heraus, dass inzwischen die Hälfte derjenigen, die eine Erwerbsmidnerungsrente bewilligt bekommen, mindestens 58 Jahre alt. (https://www.uni-due.de/iaq/auem-report-info.php?nr=2025-01) Das sind wesentlich mehr, so Bussig, als vor 20 Jahren.

Als Gründe vermutet er die steigende Altersgrenze der regulären Rente und der eingeschränkte Zugang zur vorgezogenen Altersrente. Umgekehrt lässt sich indessen auch schließen, dass in der Vergangenheit viele ältere Arbeitnehmer keine Erwerbsmidnerungsrente bezogen, obwohl sie einen Anspruch darauf hatten.

Die Zahl hat sich kaum geändert, aber das Alter

Brussig wertete Daten von 2004 bis 2021 aus. Die Zahl derjenigen, die Erwerbsminderungsrente bewilligt bekamen, änderte sich in diesen Jahren kaum. Sie lag konstant zwischen 160.000 und 180.000 Menschen.

Doch das Alter der Neuzugänge änderte sich deutlich: 2004 waren lediglich 26 Prozent der Erwerbsminderungsrentner 58 Jahre oder älter. 2021 lag die Zahl jedoch bei 53 Prozent. Im Schnitt steig das Durchschnitssalter der neuen Erwerbsminderungsrentner um rund vier Jahre.

Erwerbsminderung als Altersübergang

Brussig schließt: „Inzwischen ist die Erwerbsminderungsrente ein integraler Bestandteil des Altersübergangs geworden – als Brücke zwischen Arbeitsleben und Rentenleben.“ Da das Renteneintrittsalter 2004 niedriger lag als heute, hätten Betroffene mit gesundheitlichen Problemen früher in die vorgezogene Altersrente gehen können.

Gesundheitliche Einschränkungen im Alter

Brussig sieht das höhere Durchschnittsalter der Erwerbsminderungsrentner auch als Zeichen dafür, dass die Leistung vieler Arbeitnehmer nicht mit dem Anheben des Rentenalters einhergeht.

Die Zahl derjenigen, deren Gesundheit nicht dem erhöhten Rentenalter entspricht, dürfte, ihm zufolge, deutlich über der derjenigen liegen, die eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Deshalb bräuchte es neuer Formen, um ältere Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen abzusichern.

Erwerbsminderung im Beruf ist entscheidend

Der Forscher schlägt vor, die Bedingungen für eine Erwerbsminderungsrente zu ändern. Nicht mehr die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt soll das Kriterium sein, sondern diejenige im langjährig ausgeübten Beruf.

Worauf sollten Sie achten?

Wenn Sie viele Jahre gearbeitet haben und merken, dass Sie nicht mehr die gleiche Leistung erbringen wie in jungem Alter, dann stellt sich die Frage, was Sie tun können. Erst einmal sollten Sie selbst prüfen und auch Angehörige wie Arbeitskollegen um eine ehrliche Einschätzung bitten, wie diese Ihre Leistungsfähigkeit einschätzen.

Haben Sie lediglich nicht mehr die „volle Power“, brauchen länger, um sich zu regenerieren und verbringen die Wochenenden auf dem Sofa statt mit Bergwanderungen? Dann stehen die Chancen schlecht, dass die Rentenkasse eine Erwerbsminderung anerkennt.

Wenn es finanziell keinen zu großen Verlust bedeutet und möglich ist, könnten Sie zum Beispiel über eine Stundenreduzierung nachdenken.

Waren Sie wegen gesundheitlicher Beschwerden jedoch regelmäßig und zunehmend häufiger krank geschrieben? Benötigen Sie Ihren gesetzlichen Urlaub als „Auszeit“, um noch arbeiten zu können?

Bezogen Sie Krankengeld, weil Ihre Einschränkungen länger als sechs Wochen anhielten? Nehmen Sie durchgehend Medikamente, um Ihre Arbeit ausüben zu können? Können Sie Tätigkeiten überhaupt nicht mehr, nur teilweise oder mit Schmerzen ausführen, die früher für Sie keine Probleme darstellten?

Verheimlichen Sie vielleicht sogar gegenüber Kollegen und Angehörigen, wie schlecht es Ihnen wirklich geht?

Dann sollten Sie einen Antrag auf Erwerbsminderung ins Auge fassen.

Reha vor Rente – So geht es weiter

Die Deutsche Rentenversicherung handelt nach dem Prinzip „Reha vor Rente“. Sie müssen sich also vor dem Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente erst einmal einer Maßnahme unterziehen, um die berufliche wie medizinische Rehabilitation wieder herzustellen. Erst wenn diese Reha nicht zur Besserung führt, prüft die Rentenversicherung Ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente.

Wie bereiten Sie sich vor?

Bevor Sie den Antrag stellten, sollten Sie sämtliche ärztlichen Befunde, medizinische Gutachten, Atteste und auch Berichte aus der Reha-Klinik sammeln. Achten Sie bei Ihren behandelnden Ärzten darauf, dass diese genau die Punkte formulieren, die für das Anerkennen einer Erwerbsminderung notwendig sind.

Aus den ärztlichen Befunden muss also klar hervorgehen, dass Sie weniger als drei bei einer vollen und weniger als sechs Stunden bei einer teilweisen Erwerbsminderung arbeiten können, und dass dies voraussichtlich dauerhaft so bleiben wird.

Was sind die Vorteile gegenüber einer vorgezogenen Altersrente?

Sie erhalten eine Erwerbsminderungsrente unabhängig vom Alter, um den Erwerbsverlust durch die geringere Arbeitszeit auszugleichen. Dabei gilt ein Besitzschutz. Ihre zukünftige Altersrente darf also nicht geringer ausfallen als Ihre Erwerbsminderungsrente.

Die vorzeitige Altersrente mit Abschlägen beruht hingegen auf Leistung und Gegenleistung. Für die Zeit bis zum Regelalter, die Sie keine Beiträge in die Rentenkasse einzahlen, müssen Sie ein Minus auf der Rente hinnehmen. Dies gilt bis zum Ende Ihres Lebens.

Eine Erwerbsminderungsrente ist hingegen nicht mit Abschlägen auf die folgende Altersrente verbunden. Im Gegenteil wird Ihnen eine Zurechnungszeit zugebilligt. Die Zeiten, in denen Sie Erwerbsminderungsrente beziehen, bewertet die Rentenversicherung also so, als hätten Sie in dieser Zeit Beiträge geleistet.