Kinder mit Behinderung haben Recht auf Bildung
Sozialverband VdK stellt fest: Deutschland ist Schlusslicht in Europa
Der Sozialverband VdK kritisiert den geringen Anteil von Kindern mit Behinderung an Regelschulen. Anlässlich der morgigen Verabschiedung des Behindertenberichts der Bundesregierung fordert die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, ein klares Bekenntnis zu einem Schulsystem, in dem behinderte Kinder gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern lernen und jeder Schüler einen Abschluss erreichen kann.
Hintergrund ist, dass die Bundesregierung in dem vorliegenden Behindertenbericht einräumen muss, dass nur 15,7 Prozent aller Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Regelschule besuchen. 84,3 Prozent gehen in die Förderschule. "Beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern ist Deutschland Schlusslicht in Europa", betont Ulrike Mascher. Dabei sei zu beachten, dass in fast allen Bundesländern in Förderschulen im Gegensatz zu Regelschulen für Schüler gar keine Möglichkeit bestehe, den Hauptschulabschluss zu erwerben. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 77 Prozent verlassen die Förderschule ohne Hauptschulabschluss. Mascher: "Behinderte Kinder haben in Deutschland keine gleichwertigen Bildungschancen. Ihre Selbstbestimmung und Teilhabe wird dadurch erheblich eingeschränkt."
Dies steht in krassem Gegensatz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft getreten ist, wonach eine integrative Beschulung als Idealziel gesehen wird. In Artikel 24 dieses Übereinkommens erkennen die Vertragsstaaten das Recht auf Bildung von Menschen mit Behinderungen an und verpflichten sich ein – nach der verbindlichen englischen Wortfassung – "inklusives" Bildungssystem zu gewährleisten. Dabei müssen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund ihres Handicaps vom allgemeinen Bildungssystem und insbesondere vom obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden.
In ihrem Behindertenbericht sieht die Bundesregierung aufgrund der Fakten ebenfalls Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Art. 24 des Übereinkommens in Deutschland. "Ein Bekenntnis der Bundesregierung lediglich zu einer Ausweitung der gemeinsamen Bildungsangebote für behinderte Kinder wird aber dem Leitbild des Übereinkommens des gemeinsamen Lernens von behinderten und nicht behinderten Kindern nicht gerecht", sagt Mascher an dieser Stelle.
Zwar fordere der VdK nicht die kurzfristige Abschaffung aller Förderschulen. "Doch mit der schrittweisen Umsetzung eines inklusiven Schulkonzepts in allen Bundesländern mit dem klaren Vorrang des gemeinsamen Unterrichts muss das für das deutsche Schulsystem typische Trennen und Aussortieren überwunden werden. Die Schulträger vor Ort müssen in den Regelschulen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass behinderte Kinder gleichberechtigt am Unterricht teilnehmen können", fordert Mascher. Und in den Regelschulen müssten die notwendigen Förder-, Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten einschließlich einer barrierefreien Infrastruktur geschaffen werden. Mascher: "Die Bundesländer müssen sich verpflichten, hierzu die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen." (Michael Pausder, 14.07.2009)
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