Bedarfsgemeinschaft im Bürgergeld – Jobcenter stuft oft falsch ein

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Nicht alle, die in einer Wohnung leben gehören zwingend zu einer Bedarfsgemeinschaft, es können auch zwei, drei oder mehr Bedarfsgemeinschaften sein. Die Abgrenzung ist für Bürgergeld-Leistungsberechtigte von großer Bedeutung.

Wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ist in vielen Bereichen des SGB II von Bedeutung. Das beginnt beim Regelbedarf, der Verteilung von Einkommen, geht weiter mit der Mietobergrenze und endet z.B. bei der Mitwirkung. Wer dazu gehört ist in §7 Abs 3+3a SGB II geregelt.

1. Erwerbsfähiger Leistungsberechtigter

Er ist Ausgangspunkt einer Bedarfsgemeinschaft (§7 Abs 3 Nr 1 SGB II). Wenn es im Haushalt keinen zwischen 15 Jahren und der Altersgrenze (§7a  SGB II) gibt, der nicht als erwerbsunfähig eingestuft wurde, gibt es keine Bürgergeld-Leistungen.

2. Partnerinnen und Partner (§7 Abs3 Nr3 SGB II)

  • Ehegatten/Lebenspartner wenn sie nicht dauernd getrennt leben
  • wenn sie eine Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft bilden (Details siehe unten)

Eine Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft wird vermutet wenn:

  • Partner mehr als 1 Jahr zusammenleben
  • Eltern ein gemeinsames Kind haben
  • gemeinsam Kinder/Angehörige im Haushalt versorgen
  • befugt sind über Einkommen/Vermögen des Partners zu verfügen

Anmerkungen:

  • Diese Vermutung kann widerlegt werden!
  • Partner, die kinderlos unter 1 Jahr zusammenleben, bilden keine BG, erst danach greift die gesetzliche Vermutung
  • Wenn ein Partner ein Kind hat, führt das beim Zusammenziehen nicht zwingend sofort zur BG

3. Kinder (§7 Abs3 Nr4 SGB II)

Kinder sind Teil der Bedarfsgemeinschaft bis zum 25. Geburtstag.
Außer:

  • sie sind verheiratet oder leben mit einem Partner zusammen
  • sie haben ein eigenes Kind
  • sie können ihren Bedarf mit eigenem Einkommen decken

Anmerkungen:

  • Kinder ab 25 Jahren gehören nie zur Bedarfsgemeinschaft
  • Kinder, die ihren Bedarf (nach SGB II) mit eigenem Einkommen oder anderen Leistungen decken können, gehören nicht zu Bedarfsgemeinschaft
  • Eltern, die mit eigenem Kind bei den Großeltern wohnen, bilden eine BG mit ihrem Kind, nicht mit den Großeltern
  • Kinder die mit Partner (im Sinne der Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft) bei ihren Eltern wohnen, bilden mit dem Partner und nicht mit den Eltern eine Bedarfsgemeinschaft
  • Kinder mit eigenem Einkommen, müssen nicht für Eltern und Geschwister einstehen, sie müssen aber ihren eigenen Lebensunterhalt finanzieren.

4. Kinder im Rahmen des Umgangsrechts

Eltern, deren Kinder im Rahmen des Umgangsrechts/Heimfahrten in der Jugendhilfe, bei ihnen zu Besuch kommen, gehören für die Zeit ihrer Anwesenheit zur Bedarfsgemeinschaft.

Sonderfälle

  • Geschwister, die ohne Eltern zusammenleben, bilden keine Bedarfsgemeinschaft
  • Stiefkinder gehören zur Bedarfsgemeinschaft. Folglich wird auch das Einkommen des Nicht-Elternteils bei ihnen angerechnet.

Beispiele

Beispiel 1

Eltern mit 2 Kindern (18J, Schüler; 25J Arbeitslos)
= 2 Bedarfsgemeinschaften
1. BG Eltern mit Kind 18J
2. BG Kind 25 Jahre
Grund: Kind über 25 Jahre §7 Abs 3 Nr4 SGB II

Beispiel 2

Unverheiratetes Paar, lebt seit 9 Monaten zusammen,
= 2 BGs
Grund: unter 1 Jahr zusammen lebend §7 Abs3a SGB II

Beispiel 3

Mutter mit Sohn (17 Jahre, Schreinerazubi)
= 2 BGs?
Grund: Sohn deckt mit Lohn, Kindergeld und evtl. Unterhalt seinen Bedarf

Beispiel 4

Eltern, 3 Kinder (15J Schüler,17J Schülerin mit Baby, 21J Verkäuferin)
= 3 BGs
Grund:
– Verkäuferin deckt ihren Bedarf
– Tochter(17) bildet mit ihrem Baby eine eigene BG, ist aber Teil der Haushaltsgemeinschaft
– Eltern verbleiben mit Kind(15) als BG

Beispiel 5

Trennung eines Ehepaars, 2 Kindern (9, 12), wohnen noch zusammen, sie sucht eine Wohnung um mit den Kindern auszuziehen.
= 2 BGs
Grund: dauerhafte Trennung der Eltern. Zuordnung der Kinder zur Mutter, da sie beim Auszug zu ihr gehören werden

Folgen mehrerer Bedarfsgemeinschaften

Leben Personen, die nicht zu einer BG gehören in einer Wohnung:

  • stellt sich die Frage nach einer Haushaltsgemeinschaft (nur bei Verwandten) mit Unterstützungsvermutung
  • Einkommen wird nur innerhalb der BG verteilt (Ausnahme Kindergeld – siehe hier )
  • wird der Regelbedarf anders bestimmt (höher)
  • die Mietobergrenze wird anders berechnet – siehe hier
  • gibt es für die anderen Personen keine Mitwirkungspflichten mehr (Ausnahme Verwandte)
  • Kinder können bei Bedarfsdeckung auch U25 leichter ausziehen
  • Bei temporärer Bedarfsgemeinschaft entsteht ein Anspruch auf Regelbedarfe der Kinder für diese Tage und ein höherer Anspruch bei den Kosten der Unterkunft
  •  jede BG muss bei Bedürftigkeit einen eigenen Antrag stellen

Rechtsgrundlagen

§7 Abs3+3a SGB II
Fachliche Weisungen zu §7 SGB II Randnummer 7.73+74: Kind mit eigenem Kind/Partner
BSG vom 7.11.2006 – B 7b AS 14/06 R – temporäre BG

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