Die Erhöhung des Renteneintritts auf 67 Jahre wird mit der steigenden Lebenserwartung begründet. Zwar stieg die Lebenserwartung im Schnitt tatsächlich seit den 1960er Jahren um rund zehn Jahre an, doch die Kluft zwischen den jünger sterbenden Armen und den älter werdenden Wohlhabenden wird immer größer.
Alt werden und arm sein?
Bei den Individuen und auch bei den Regionen zeigen Studien sehr deutlich: Wer wenig verdient und eine niedrige Rente bekommt, der oder die stirbt im Schnitt Jahre vor denjenigen, die wohlhabend sind.
Starke regionale Unterschiede
Dies gilt auch regional. In den soziökonomisch benachteiligten Land- und Stadtkreisen Deutschlands, im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg, an den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, im Saarland oder im Ruhrgebiet liegt das Risiko, vorzeitig zu sterben weit höher als in begünstigen Regionen.
Die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Menschen im am stärksten und am wenigsten benachteiligsten Fünftel der Stadt- und Landkreise haben sich vergrößert (und nicht verkleinert).
Nicht “alle” werden älter
Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) fasst die Ergebnisse einer Studie zusammen: “Einkommen und soziale Situation wirken sich immer stärker auf die Lebenserwartung aus: Wer eine kleine Rente bekommt, stirbt im Schnitt fünf Jahre früher als sehr gut situierte Rentner.”
Das Max-Planck-Institut fasst zusammen, “dass die durchschnittliche Lebenserwartung zwar in allen Schichten steigt, bei Männern mit sehr niedrigen Renten aber wesentlich langsamer als bei besser gestellten Altersgenossen.”
Rente ab 67 wegen längerem Leben?
Die allgemeine Erhöhung der Regelaltersgrenze für den Renteneintritt schrittweise bis zum Alter von 67 Jahren wird mit der “zunehmenden Lebenserwartung” begründet.
Lesen Sie auch:
– Rente: Viele bekommen keine Rentenerhöhung
Die Ergebnisse des Max-Planck-Instituts zeigen eine extreme Ungerechtigkeit: Arme Rentner beziehen ihre Rente im Schnitt fünf Jahre weniger als gut situierte Rentner. Sie müssen aber trotzdem länger arbeiten, bevor sie in Rente gehen.
Die gesetzlichen Renten werden durch die Rentenbeiträge aller Versicherten finanziert. Unterm Strich heißt das. Wer wenig verdient, erhält nicht nur eine kleine Rente, er oder sie bezahlt auch noch die im Schnitt fünf zusätzlichen Jahre für die wohlhabenden Rentner.
Viele Jahre Unterschied
Das Robert-Koch-Instituts hatte 2017 in einer Studie festgestellt, dass arme Frauen acht Jahre kürzer leben als wohlhabende. Bei Männern liegt der Unterschied sogar bei elf Jahren. Arme Männer sterben im Schnitt mit 70,1 Jahren
Umverteilung von Arm zu Reich
Marcel Fratzscher vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin zufolge finanzieren im deutschen Rentensystem arme Menschen den Lebensabend reicher Menschen: „Die gesetzliche Rentenversicherung ist heute eine Umverteilung von arm zu reich, da ärmere Menschen eine deutlich geringere Lebenserwartung haben und daher auch weniger Rentenzahlungen erhalten.“
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht, Sozialpolitik und Naturwissenschaften. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.