Wer lรคnger arbeitsunfรคhig ist, rutscht nach der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber in das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse. Dieses Krankengeld ist jedoch zeitlich begrenzt: Bei derselben Krankheit sind es lรคngstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Wenn diese Hรถchstdauer erreicht ist, spricht man von โAussteuerungโ.
Spรคtestens dann stellt sich fรผr viele Betroffene die Frage, wie es weitergeht โ hรคufig mit Arbeitslosengeld I (ALG I), manchmal auch parallel zu Reha- oder Rentenverfahren.
Wichtig ist dabei ein Missverstรคndnis, das in Beratungen immer wieder auftaucht: Das Arbeitslosengeld wird nicht nach dem Krankengeldbetrag โweitergerechnetโ. Es folgt einer eigenen Berechnung โ und die beruht in erster Linie auf dem frรผheren beitragspflichtigen Arbeitsentgelt, also dem versicherten Brutto aus Beschรคftigung.
Inhaltsverzeichnis
ALG I ย hรคngt nicht vom Krankengeldbetrag abhรคngt
Krankengeld ist eine Entgeltersatzleistung. Es ersetzt Einkommen, ist aber kein Arbeitsentgelt aus Beschรคftigung. Fรผr die Berechnung von ALG I ist entscheidend, welches beitragspflichtige Arbeitsentgelt im maรgeblichen Zeitraum vor Beginn der Arbeitslosigkeit erzielt wurde.
Genau hier liegt die eigentliche Bruchstelle nach lรคngerer Krankheit: Wer รผber Monate kein Arbeitsentgelt mehr hatte, hat im โJahr vor der Arbeitslosigkeitโ unter Umstรคnden zu wenige Tage, die als Bemessungsgrundlage dienen. Dann schaut die Agentur fรผr Arbeit weiter zurรผck โ oder muss, wenn auch das nicht reicht, auf eine fiktive Bemessung ausweichen.
Anspruchsvoraussetzungen: Anwartschaftszeit, Rahmenfrist und die Rolle des Krankengeldes
Damit ALG I รผberhaupt gezahlt werden kann, muss die Anwartschaftszeit erfรผllt sein. Grob gesagt bedeutet das: In einem festgelegten Zeitraum vor dem Leistungsbeginn mรผssen mindestens zwรถlf Monate Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zusammenkommen. Dieser Zeitraum โ die Rahmenfrist โ umfasst heute 30 Monate.
Fรผr Menschen nach Krankengeld ist dabei eine gute Nachricht entscheidend: Zeiten des Krankengeldbezugs kรถnnen als Versicherungspflichtzeit in der Arbeitslosenversicherung zรคhlen.
Das stabilisiert den Zugang zu ALG I, selbst wenn die Beschรคftigung schon lรคnger ruht oder beendet ist. Fรผr die Hรถhe des spรคteren ALG I hilft das allerdings nicht automatisch, denn die Hรถhe hรคngt am Arbeitsentgelt, nicht an der bloรen Versicherungszeit.
Die Nahtlosigkeitsregelung: ALG I trotz fortdauernder Arbeitsunfรคhigkeit
Normalerweise setzt ALG I voraus, dass man dem Arbeitsmarkt zur Verfรผgung steht โ praktisch heiรt das: Man muss grundsรคtzlich in der Lage sein, eine versicherungspflichtige Beschรคftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche auszuรผben und bereit sein, jede zumutbare Arbeit aufzunehmen.
Nach Aussteuerung passt diese Normalannahme oft nicht zur Lebensrealitรคt: Viele sind weiter arbeitsunfรคhig, Reha- oder Rentenfragen laufen, die Erwerbsfรคhigkeit ist ungeklรคrt. Genau fรผr diese Zwischenlage existiert die Nahtlosigkeitsregelung.
Sie kann ermรถglichen, dass ALG I gezahlt wird, obwohl jemand wegen geminderter Leistungsfรคhigkeit aktuell nicht โnormal vermittelbarโ ist, solange bestimmte Voraussetzungen โ insbesondere die ungeklรคrte Erwerbsminderung und die Mitwirkung an der Klรคrung (Reha-/Rentenantrag, Begutachtungen) โ erfรผllt sind. Inhaltlich ist das hรคufig die entscheidende Regelung, der verhindert, dass nach dem Ende des Krankengeldes ein Loch entsteht.
Der Bemessungsrahmen: Wie weit die Arbeitsagentur fรผr die Berechnung zurรผckschaut
Ist der Anspruch dem Grunde nach geklรคrt, geht es an die Hรถhe. Dafรผr arbeitet das Recht mit zwei Begriffen, die leicht zu verwechseln sind: Bemessungsrahmen und Bemessungszeitraum.
Der Bemessungsrahmen ist das โZeitfensterโ, in dem รผberhaupt gesucht wird. Grundsรคtzlich betrรคgt er ein Jahr. Er wird aber auf zwei Jahre erweitert, wenn in dem Jahresfenster nicht mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt liegen.
Das ist nach lรคngerer Krankheit ein Standardfall, weil in Krankengeldphasen typischerweise kein Arbeitsentgelt gezahlt wird. Zusรคtzlich gibt es die Mรถglichkeit, den Zweijahresrahmen heranzuziehen, wenn es andernfalls zu einer unbilligen Hรคrte fรผhren wรผrde, etwa wenn das Entgelt im kรผrzeren Zeitraum auffรคllig niedrig war.
Der Bemessungszeitraum: Welche Tage wirklich zรคhlen โ und welche nicht
Innerhalb dieses Bemessungsrahmens wird der Bemessungszeitraum gebildet. Er besteht aus den Tagen, fรผr die tatsรคchlich Anspruch auf Arbeitsentgelt aus Beschรคftigung bestand. Daraus wird dann das durchschnittliche tรคgliche Bemessungsentgelt ermittelt.
Das fรผhrt in der Praxis zu einer typischen Konstellation: Wer nach fรผnf oder sechs Wochen Entgeltfortzahlung รผber viele Monate Krankengeld bezogen hat, bringt im letzten Jahr vor der Arbeitslosmeldung oft nur diese ersten Wochen als โEntgelt-Tageโ mit.
Das reicht fรผr die regulรคre Bemessung nicht aus. Dann wird der Rahmen auf zwei Jahre erweitert, um mehr Entgelt-Tage zu finden โ hรคufig ist das dann die Zeit vor Beginn der langen Arbeitsunfรคhigkeit.
Vom Brutto zum Zahlbetrag: Wie aus dem Bemessungsentgelt das ALG I wird
Die Berechnung verlรคuft in drei Rechenschritten, allerdings mit vielen Pauschalen und gesetzlichen Abzรผgen.
Zuerst wird das Bemessungsentgelt bestimmt. Das ist das durchschnittliche, auf den Tag heruntergerechnete beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt im Bemessungszeitraum. Dazu wird das im Bemessungszeitraum erzielte Entgelt durch die Zahl der Tage geteilt, fรผr die es gezahlt wurde.
Im zweiten Schritt wird daraus das Leistungsentgelt, vereinfacht gesagt ein pauschaliertes Netto. Dabei werden rechnerisch Lohnsteuer, gegebenenfalls Solidaritรคtszuschlag und ein pauschaler Sozialversicherungsabzug berรผcksichtigt. Das Ergebnis ist nicht identisch mit Ihrem tatsรคchlichen Netto auf der Gehaltsabrechnung; es ist eine gesetzliche Pauschalierung, die typisierte Abzรผge abbildet.
Im dritten Schritt wird der Leistungssatz angewendet. Der allgemeine Satz betrรคgt 60 Prozent des Leistungsentgelts. Der erhรถhte Satz betrรคgt 67 Prozent, wenn mindestens ein Kind im Sinne des Einkommensteuerrechts zu berรผcksichtigen ist.
So entsteht der tรคgliche Anspruch, aus dem dann die monatliche Auszahlung hochgerechnet wird. Genau wegen dieser Tageslogik wirken einzelne Wochen oder Monate mit Entgelt im Bemessungszeitraum unmittelbar auf die Durchschnittsbildung โ und damit auf die Hรถhe.
Deckel durch Beitragsbemessungsgrenze: Warum hohe Einkommen nicht unbegrenzt zรคhlen
Wie bei anderen Sozialversicherungsleistungen gibt es auch beim ALG I eine Obergrenze, weil nur Entgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig ist und damit in die Bemessung eingehen kann. Einkommen oberhalb dieser Grenze erhรถhen die Leistung nicht weiter, selbst wenn das tatsรคchliche Gehalt deutlich darรผber lag.
Fรผr 2025 liegt diese Grenze monatlich bei 8.050 Euro (bundeseinheitlich; die frรผhere Rechtskreistrennung ist entfallen). Wer mehr verdient hat, wird bei der Berechnungsgrundlage dennoch so behandelt, als lรคge das relevante Entgelt hรถchstens bei dieser Grenze.
Wenn es zu wenig Entgelt-Tage gibt: Fiktive Bemessung nach Qualifikationsniveau
Der neuralgische Punkt nach langer Krankheit ist oft nicht der Leistungssatz, sondern die Frage, ob genรผgend Bemessungszeitraum zustande kommt. Wenn selbst im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden kann, wird fiktiv bemessen.
โFiktivโ heiรt dabei nicht โwillkรผrlichโ, sondern gesetzlich typisiert: Dann wird ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das sich am Qualifikationsniveau orientiert. In der Praxis kann das erheblich niedriger ausfallen als das frรผhere reale Gehalt, vor allem bei Personen, die vorher gut verdient haben, aber รผber lรคngere Zeitrรคume keine entgeltpflichtigen Beschรคftigungstage mehr im Bemessungsrahmen haben.
Gerade bei sehr langen Krankheitsverlรคufen oder beim รbergang aus befristeten Beschรคftigungen in lรคngere Krankengeldphasen entscheidet dieser Mechanismus hรคufig รผber spรผrbare finanzielle Unterschiede.
Typische Konstellationen nach Krankengeld โ und was sie fรผr die Hรถhe bedeuten
Wer wรคhrend der Krankheit formal weiterhin in einem Arbeitsverhรคltnis steht, aber Entgeltfortzahlung und Krankengeld bereits ausgeschรถpft sind, erlebt die Berechnung oft als โRรผckgriff auf frรผherโ. Die Agentur fรผr Arbeit findet die relevanten Entgelt-Tage dann hรคufig in der Phase vor Beginn der lรคngeren Arbeitsunfรคhigkeit und berechnet daraus den Durchschnitt. Das kann vorteilhaft sein, wenn das frรผhere Entgelt stabil war.
Wer dagegen schon vor lรคngerer Zeit aus dem Job herausgefallen ist und danach lange Krankengeld bezogen hat, muss hรคufiger mit der fiktiven Bemessung rechnen, weil im maรgeblichen Rahmen nicht genรผgend Entgelt-Tage zusammenkommen.
Das betrifft auch Personen, die nach lรคngerer Krankheit nur noch sehr kurz gearbeitet haben und dann wieder ausfielen: Die wenigen Tage mit Entgelt kรถnnen den Durchschnitt stark verzerren, und zugleich kann es schwierig werden, die Mindesttage fรผr den Bemessungszeitraum zu erreichen.
Eine weitere Besonderheit betrifft Fรคlle, in denen nach der Erkrankung nur noch eine reduzierte Arbeitszeit angestrebt wird.
Hier kann die Frage, welche Bemessungsgrundlage rechtlich โvergleichbarโ ist, eine Rolle spielen; die Verwaltungspraxis wurde zuletzt anhand hรถchstrichterlicher Rechtsprechung konkretisiert. Das ist ein Feld, in dem eine individuelle Prรผfung sinnvoll sein kann, weil Teilzeit, gesundheitliche Einschrรคnkungen und neue Anspruchsentstehungen ineinandergreifen.
Ein Rechenbeispiel zur Orientierung โ ohne Anspruch auf Cent-Genauigkeit
Angenommen, jemand hatte vor der langen Erkrankung ein beitragspflichtiges Brutto von 3.000 Euro monatlich und dieses Entgelt ist auch im Bemessungszeitraum maรgeblich. Die Agentur ermittelt daraus ein durchschnittliches tรคgliches Bemessungsentgelt, bildet ein pauschaliertes Netto als Leistungsentgelt und wendet darauf 60 Prozent oder 67 Prozent an.
Der entscheidende Punkt ist nicht, ob das frรผhere Brutto โhochโ oder โniedrigโ war, sondern ob es im Bemessungszeitraum in ausreichender Zahl an Tagen รผberhaupt berรผcksichtigt werden kann.
Wer in der Zweijahresbetrachtung genรผgend Entgelt-Tage hat, bleibt typischerweise nรคher an der frรผheren Einkommensrealitรคt. Wer in die fiktive Bemessung fรคllt, kann trotz frรผher hohen Gehalts deutlich darunter landen.
Genau an dieser Stelle lohnt sich der Blick auf den Bescheid: Dort ist nachvollziehbar ausgewiesen, welcher Bemessungsrahmen zugrunde gelegt wurde, wie viele Tage Bemessungszeitraum berรผcksichtigt sind und ob fiktiv bemessen wurde. Das sind die Stellen, an denen sich eventuelle Fehler oder ungรผnstige Weichenstellungen erkennen lassen.
Fristen, Meldungen, Sperrzeit-Risiken: Warum Formalien am Ende Geld kosten kรถnnen
Die Berechnung nรผtzt nichts, wenn der Anspruch durch versรคumte Meldungen verzรถgert oder durch Sperrzeiten belastet wird. Auch nach langer Krankheit gilt: Wer weiร, dass ein Beschรคftigungsende oder ein Leistungswechsel ansteht, muss sich in der Regel frรผhzeitig arbeitsuchend melden, typischerweise drei Monate vorher, sonst innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis. Zusรคtzlich braucht es die Arbeitslosmeldung, spรคtestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit, damit die Leistung ab diesem Zeitpunkt laufen kann.
Bei Aussteuerung ist die Zeit oft eng, weil Krankenkassen den bevorstehenden Leistungsstopp ankรผndigen und parallel รคrztliche Bescheinigungen, Reha-Fragen und Arbeitsagentur-Termine zusammenfallen. In dieser Gemengelage ist es besonders wichtig, dass die Meldungen rechtzeitig erfolgen โ nicht, weil die Verwaltung das liebt, sondern weil jede Woche Verzรถgerung ganz real Geld bedeuten kann.
Krankenversicherungsschutz nach dem Krankengeld: Was sich durch ALG I รคndert
Viele Betroffene spรผren nach Aussteuerung neben der Einkommensfrage vor allem eine Sorge: Bleibt die Krankenversicherung bestehen? Beim Bezug von ALG I besteht grundsรคtzlich Krankenversicherungsschutz fort, die Beitrรคge werden im Regelfall รผber die Leistungsgewรคhrung abgesichert. Gerade in Nahtlosigkeitsfรคllen ist das ein praktischer Grund, warum der Weg zur Agentur fรผr Arbeit so wichtig ist, auch wenn man sich subjektiv nicht โarbeitsfรคhigโ fรผhlt.



