Gleiche Krankheit mit Unterbrechung und wieder Krankengeld

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Wer wegen einer längeren Erkrankung Krankengeld bezieht und danach wieder arbeitet, hofft häufig auf einen sauberen Neustart. Doch sobald dieselben Beschwerden zurückkehren, beginnt das Rechnen: Zählt das als neuer Fall oder läuft alles wie vor weiter und man kann wieder Krankengeld beziehen?

Genau dann entstehen die meisten Missverständnisse – und leider auch manche Lücke, wenn Fristen, ärztliche Feststellungen oder Blockfristen falsch eingeschätzt werden.

Damit klar wird, wann nach einer Unterbrechung wieder Krankengeld fließt, muss man drei Dinge auseinanderhalten: die zeitliche Höchstdauer beim Krankengeld, die Bewertung „dieselbe Krankheit“ und die getrennten Regeln zur Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.

Krankengeld ist nicht Lohnfortzahlung – und beides wird oft verwechselt

In den ersten Wochen einer Arbeitsunfähigkeit zahlt bei Beschäftigten in aller Regel der Arbeitgeber das Gehalt weiter. Dieses Stadium nennt sich Entgeltfortzahlung. Erst danach kann Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse greifen – aber nur, wenn ein Anspruch besteht und die Arbeitsunfähigkeit sauber ärztlich festgestellt ist.

Genau diese Trennung ist wichtig, weil eine Unterbrechung – etwa einige Wochen Arbeit zwischen zwei Krankheitsphasen – bei der Entgeltfortzahlung anders wirken kann als beim Krankengeld. Für Betroffene sieht es nach außen oft gleich aus („ich war wieder da, dann wieder krank“), rechtlich wird aber getrennt gezählt und geprüft.

Die Blockfrist: Der Zeitrahmen, in dem dieselbe Krankheit „verbraucht“ wird

Das Krankengeld ist bei „derselben Krankheit“ gedeckelt: maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Dieser Dreijahreszeitraum wird in der Praxis als Blockfrist bezeichnet. Entscheidend ist dabei:

Die Blockfrist beginnt nicht neu, nur weil man zwischendurch wieder gearbeitet hat. Die Uhr läuft innerhalb des dreijährigen Rahmens weiter, und die bereits bezogenen Krankengeldzeiten werden angerechnet.

Das bedeutet: Wer innerhalb derselben Blockfrist erneut wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig wird, hat grundsätzlich nur noch den verbliebenen Rest bis zur Höchstdauer. Eine Unterbrechung kann das Gefühl eines Neubeginns erzeugen – die Blockfrist „vergisst“ sie aber nicht automatisch.

Was „Unterbrechung“ in der Praxis bedeuten kann – und warum das Ergebnis unterschiedlich ausfällt

Im Alltag verbergen sich hinter dem Wort Unterbrechung sehr verschiedene Situationen.

Manchmal ist es eine echte Gesundung mit Rückkehr in den Job. Dann endet das Krankengeld schlicht, weil keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorliegt. Kommt später dieselbe Krankheit wieder, stellt sich die Frage, ob noch Zeit im laufenden Blockfrist-Rahmen übrig ist oder ob bereits die Höchstdauer ausgeschöpft wurde.

Manchmal ist es nur eine organisatorische Unterbrechung, etwa eine Lücke in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dann kann Krankengeld nicht einfach „weiterlaufen“, selbst wenn man faktisch noch krank war. In solchen Fällen geht es weniger um „dieselbe Krankheit“ als um die formale Voraussetzung, dass die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig ärztlich festgestellt wird.

Und manchmal ist die Unterbrechung eine Mischlage: Man arbeitet kurz, bricht wieder ein, bekommt eine andere Diagnose – und plötzlich steht im Raum, ob eine neue Erkrankung vorliegt oder nur ein neues Etikett für denselben Verlauf.

„Dieselbe Krankheit“: Nicht das Etikett entscheidet, sondern das Krankheitsgeschehen

Der juristische Begriff „dieselbe Krankheit“ klingt simpel, ist aber in der Realität interpretierbar. Krankenkassen schauen nicht nur auf einen einzelnen Code oder eine Formulierung, sondern darauf, ob es um ein zusammenhängendes Krankheitsgeschehen geht.

Bei chronischen oder wiederkehrenden Leiden kann das bedeuten: Rückenschmerz ist nicht automatisch „neu“, wenn er nach zwei Monaten wiederkommt; eine Depression ist nicht automatisch „neu“, nur weil ein neuer Arzt einen anderen Schwerpunkt dokumentiert.

Umgekehrt kann eine neue Diagnose tatsächlich ein neuer Versicherungsfall sein, wenn sie medizinisch eigenständig ist und nicht bloß eine Folge oder Fortsetzung desselben Grundleidens.

Das sieht man typischerweise, wenn dazwischen eine echte Genesung lag und später ein klar abgrenzbares neues Krankheitsbild entsteht – oder wenn zwei Erkrankungen unabhängig nebeneinanderstehen.

Wichtig ist auch: Tritt während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlängert das die Höchstdauer beim Krankengeld nicht. Wer ohnehin krankgeschrieben ist, bekommt dadurch nicht automatisch zusätzliche Wochen obendrauf.

Der „Neustart“ beim Krankengeld: Wann nach drei Jahren und nach längerer Pause wieder ein voller Anspruch entstehen kann

Ein neuer Anspruch wegen derselben Krankheit ist nicht ausgeschlossen – aber an Bedingungen geknüpft. Nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums kann ein neuer Anspruch entstehen, wenn man zwischendurch mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig war und bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit wieder mit Krankengeldanspruch versichert ist.

Diese Voraussetzungen sollen sicherstellen, dass wirklich eine relevante Unterbrechung und eine erneute Anbindung an das System besteht, statt eines endlosen Durchlaufens derselben Krankheitskette.

In der Lebenswirklichkeit ist genau diese Passage der Punkt, an dem Menschen stolpern. Wer nach Aussteuerung länger krank bleibt, wer zwischenzeitlich in andere Leistungsbereiche rutscht oder wer formal nicht mehr „mit Anspruch auf Krankengeld“ abgesichert ist, erfüllt die Bedingungen nicht automatisch. Dann kann die Rückkehr derselben Krankheit trotz Zeitablauf dazu führen, dass kein neuer voller Krankengeldrahmen entsteht.

Arbeitgeber zahlt wieder sechs Wochen? Das ist ein eigener Prüfpfad

Parallel zum Krankengeld läuft die arbeitsrechtliche Frage: Muss der Arbeitgeber bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit wieder bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten?
Hier kennt das Gesetz eigene Fristen.

Ein neuer Anspruch kann entstehen, wenn man vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit zwölf Monate vergangen sind.

Das ist für Beschäftigte relevant, weil es darüber entscheidet, ob zunächst wieder Gehalt fließt oder ob man direkt in Krankengeld fällt.

Gerade bei kurzen Arbeitsphasen zwischen zwei Krankheitsabschnitten kommt es häufig zu der Konstellation, dass der Arbeitgeber nicht erneut zahlen muss und die Krankenkasse sofort wieder zuständig ist – allerdings nur, wenn der Krankengeldanspruch nicht bereits ausgeschöpft ist und die formalen Voraussetzungen eingehalten wurden.

Die heikle Seite der „Unterbrechung“: Lücken in der Bescheinigung und die Frage der rechtzeitigen Feststellung

Viele Betroffene denken bei Unterbrechung an „gesund und wieder krank“. Krankenkassen denken oft zuerst an etwas anderes: an Lücken in der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit.

Für den Fortbestand des Krankengeldes ist entscheidend, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende ärztlich festgestellt wird; Samstage zählen dabei nicht als Werktage.

Das ist eine scheinbar kleine Formalie mit großer Wirkung: Schon ein Tag ohne rechtzeitige Folgebescheinigung kann dazu führen, dass der Anspruch nicht nahtlos weiterläuft, sondern zumindest ruht – und in konfliktträchtigen Fällen sogar vollständig verloren geht, wenn weitere Voraussetzungen wegfallen.

“Die Rechtsprechung hat zwar anerkannt, dass Versicherte nicht an Praxisabläufen scheitern sollen, wenn sie alles Zumutbare getan haben, um rechtzeitig eine Feststellung zu bekommen. Trotzdem bleibt das ein Risiko, weil im Streitfall nachweisbar sein muss, dass man rechtzeitig vorstellig werden wollte und nicht bloß „zu spät dran“ war. In der Praxis hilft es, Termine früh zu organisieren und im Zweifel noch vor Ablauf der Bescheinigung Kontakt zur Praxis aufzunehmen”, rät Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt von “Gegen-Hartz”.

Ruhen statt Ende: Wenn Krankengeld vorübergehend nicht gezahlt wird

Manchmal ist das Krankengeld nicht „weg“, sondern ruht. Das passiert insbesondere dann, wenn parallel beitragspflichtiges Arbeitsentgelt fließt – typischerweise während der Entgeltfortzahlung. Auch andere Ruhenstatbestände können eine Rolle spielen.

Das ist für Betroffene deshalb bedeutsam, weil ein Ruhen nicht automatisch bedeutet, dass die Blockfrist-Logik ausgelöscht wird oder dass spätere Zahlungen wieder bei null beginnen. Im Gegenteil: Häufig bleibt die zeitliche Systematik im Hintergrund bestehen, während nur die Auszahlung zeitweise stoppt.

Wenn das Krankengeld ausgeschöpft ist: Aussteuerung und die Anschlussfragen

Ist die Höchstdauer erreicht, spricht man umgangssprachlich von Aussteuerung. Dann endet die Krankengeldzahlung, obwohl die Krankheit andauern kann. Spätestens an dieser Stelle wird die Frage „gleiche Krankheit mit Unterbrechung“ existenziell, weil viele hoffen, über eine kurze Arbeitsphase wieder in einen neuen Anspruch zu kommen.

In der Übergangsphase kommt je nach Lage Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung in Betracht, bis über Reha oder Erwerbsminderungsrente entschieden ist.

Welche Route passt, hängt stark vom Gesundheitszustand, vom Arbeitsverhältnis und von sozialmedizinischen Einschätzungen ab. Wichtig ist: “Wer absehen kann, dass Krankengeld ausläuft, sollte frühzeitig die Anschlussoptionen klären, um keine Zahlungslücke zu riskieren”, so Anhalt.

Häufige Streitpunkte – und wie man sie sachlich angeht

Konflikte entstehen oft an denselben Stellen: Die Krankenkasse ordnet eine erneute Arbeitsunfähigkeit der „gleichen Krankheit“ zu, Betroffene sehen eine neue Erkrankung. Oder die Betroffenen halten eine kurze Arbeitsphase für einen Neustart, die Kasse rechnet sie nur als Unterbrechung innerhalb derselben Blockfrist. Oder es gibt Ärger wegen einer vermeintlichen Lücke in der ärztlichen Feststellung.

In solchen Situationen lohnt sich ein nüchterner Blick auf die Aktenlage. Krankenkassen können die bisher angerechneten Zeiten nachvollziehbar aufschlüsseln; Betroffene haben ein Interesse daran, diese Berechnung schriftlich zu bekommen und auf Plausibilität zu prüfen.

Wenn die Einordnung „dieselbe Krankheit“ problematisch erscheint, ist eine medizinisch schlüssige Abgrenzung wichtig, nicht ein bloßer Widerspruch aus dem Bauch heraus. Auch der Weg über ein Widerspruchsverfahren ist möglich, wenn Bescheide aus Sicht der Betroffenen falsch sind.

Fragen und Antworten

Beginnt nach einer Arbeitsphase ein neuer Krankengeldanspruch, wenn dieselbe Krankheit zurückkommt?
Antwort: Nicht automatisch. Wenn es sich um dieselbe Krankheit handelt, wird in der Regel innerhalb der laufenden Blockfrist weitergerechnet. Dann gibt es keinen kompletten Neustart, sondern nur noch den verbleibenden Rest bis zur maximalen Krankengeldzeit. Ein neuer voller Anspruch kann erst unter bestimmten Voraussetzungen entstehen, etwa wenn ein neuer Dreijahreszeitraum beginnt und dazwischen eine ausreichend lange Phase ohne Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit lag.

Was bedeutet „dieselbe Krankheit“ überhaupt – reicht ein anderer Diagnose-Text für einen neuen Fall?
Antwort: Ein anderer Wortlaut oder ein anderer Diagnosecode führt nicht zwingend zu einem neuen Fall. Krankenkassen und ggf. später auch Gerichte schauen darauf, ob medizinisch ein zusammenhängendes Krankheitsgeschehen vorliegt. Gerade bei chronischen oder wiederkehrenden Beschwerden kann eine erneute Krankschreibung trotz neuer Formulierung als Fortsetzung derselben Krankheit gewertet werden.

Zahlt der Arbeitgeber nach einer Unterbrechung wieder die sechs Wochen Entgeltfortzahlung?
Antwort: Das hängt von den gesetzlichen Voraussetzungen ab. Bei derselben Krankheit entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht bei jeder Rückkehr in den Job.

Von großer Wichtigkeit sind insbesondere bestimmte Zeitabstände: War man lange genug nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig, kann die Entgeltfortzahlung wieder aufleben. Andernfalls kann es passieren, dass der Arbeitgeber nicht erneut zahlen muss und stattdessen (sofern die Voraussetzungen erfüllt sind) die Krankenkasse mit Krankengeld einsteigt.

Was passiert, wenn zwischen zwei Krankschreibungen eine Lücke entsteht, weil die Folgebescheinigung zu spät ausgestellt wurde?
Antwort: Dann kann es kritisch werden. Für Krankengeld ist wichtig, dass die Arbeitsunfähigkeit lückenlos ärztlich festgestellt wird. Bei einer zeitlichen Lücke kann die Krankenkasse die Zahlung unterbrechen oder den Anspruch für den Zeitraum ablehnen.

In der Praxis ist deshalb entscheidend, dass die Folgebescheinigung rechtzeitig erfolgt und die Termine so gelegt werden, dass kein „Loch“ zwischen dem Ende der Bescheinigung und der nächsten Feststellung entsteht.

Was, wenn die 78 Wochen Krankengeld wegen derselben Krankheit ausgeschöpft sind und man später wieder krank wird?
Antwort: Ist die Höchstdauer ausgeschöpft, endet das Krankengeld trotz fortbestehender Erkrankung häufig mit der sogenannten Aussteuerung. Ein späterer erneuter Anspruch wegen derselben Krankheit entsteht nicht automatisch durch eine kurze Arbeitsphase.

Dann geht es darum, ob die Voraussetzungen für einen neuen Krankengeldrahmen erfüllt sind und welche Anschlussleistungen in Betracht kommen, etwa Arbeitslosengeld in besonderen Konstellationen oder Leistungen im Reha- und Rentenbereich – abhängig von der individuellen Situation.

Fazit: Unterbrechung ist nicht gleich Neubeginn

Eine Unterbrechung zwischen zwei Krankheitsphasen kann vieles sein: echte Genesung, kurze Stabilisierung, organisatorische Lücke oder bloß ein Wechsel der Diagnoseformulierung.

Für das Krankengeld ist entscheidend, ob es sich um dieselbe Krankheit innerhalb derselben Blockfrist handelt und ob die formalen Anforderungen an die ärztliche Feststellung eingehalten wurden. Ein Neubeginn entsteht nicht automatisch durch ein paar Wochen Arbeit, sondern folgt klaren gesetzlichen Bedingungen.

Wer die Logik der Blockfrist kennt, die Unterscheidung zwischen Krankengeld und Entgeltfortzahlung sauber zieht und die Bescheinigungen ohne Brüche organisiert, reduziert das Risiko unangenehmer Überraschungen erheblich – gerade dann, wenn eine Erkrankung in Wellen verläuft.

Quellen:
Sozialgesetzbuch V (SGB V) § 48 „Dauer des Krankengeldes“.
Sozialgesetzbuch V (SGB V) § 46 „Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld“.
Sozialgesetzbuch V (SGB V) § 49 „Ruhen des Krankengeldes“.
Dr. Utz Anhalt im Interview.