5 oft unbekannte Vorteile bei einer Schwerbehinderung

Lesedauer 3 Minuten

Beschรคftigte mit einer anerkannten Schwerbehinderung (GdB โ‰ฅ 50) โ€“ und in vielen Punkten auch Gleichgestellte (GdB 30/40 mit Bescheid der Agentur fรผr Arbeit) โ€“ verfรผgen รผber besondere Schutzrechte im Arbeitsleben. Der รœberblick zeigt, was 2025 gilt, wo hรคufige Missverstรคndnisse liegen und wie Betroffene ihre Ansprรผche durchsetzen.

Besonderer Kรผndigungsschutz: ab wann er greift und was er bedeutet

Eine Kรผndigung gegenรผber schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschรคftigten ist grundsรคtzlich nur mit vorheriger Zustimmung des Integrations- bzw. Inklusionsamts wirksam. Der Schutz gilt erst nach sechs Monaten ununterbrochener Beschรคftigung im Betrieb.

Erfasst sind ordentliche, auรŸerordentliche und ร„nderungskรผndigungen; bei befristeten Vertrรคgen ist das Ablaufen der Befristung keine Kรผndigung, hier ist keine Zustimmung nรถtig.

Der Schutz greift auch, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist oder der Feststellungs-/Gleichstellungsantrag mindestens drei Wochen vor Zugang der Kรผndigung gestellt wurde und spรคter positiv beschieden wird. Arbeitgeber mรผssen vor einer Kรผndigung regelmรครŸig prรผfen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhรคltnisses durch Anpassungen mรถglich ist und frรผhzeitig Prรคventionsmรถglichkeiten (ยง 167 Abs. 1 SGB IX) nutzen.

Zusatzurlaub und Befreiung von Mehrarbeit: was genau zusteht

Schwerbehinderte Beschรคftigte (nicht: Gleichgestellte) erhalten eine zusรคtzliche Urlaubswoche pro Jahr, also 5 Arbeitstage bei der 5-Tage-Woche (ยง 208 SGB IX). Wird die Schwerbehinderteneigenschaft erst im laufenden Jahr festgestellt, entsteht der Anspruch anteilig je vollem Monat (Zwรถlftelung).

Ein Verfall kommt grundsรคtzlich nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber rechtzeitig รผber Urlaubsansprรผche und Fristen belehrt hat.

Von Mehrarbeit werden schwerbehinderte und gleichgestellte Beschรคftigte auf Verlangen freigestellt (ยง 207 SGB IX). โ€žMehrarbeitโ€œ meint Zeiten รผber 8 Stunden werktรคglich im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, nicht bloรŸ รœberstunden รผber der persรถnlichen Regelarbeitszeit.

Anspruch auf leidensgerechte Beschรคftigung: Anpassungen mit Zumutbarkeitsgrenze

Arbeitgeber mรผssen Arbeitsplรคtze, Arbeitsorganisation und ggf. Arbeitszeiten behinderungsgerecht ausgestalten, soweit dies erforderlich und zumutbar ist (ยง 164 Abs. 4 SGB IX). Dazu gehรถren technische Arbeitshilfen, Umsetzungen oder die Anpassung von Aufgaben.

Fรผr Umbauten und Hilfsmittel stehen Fรถrdermittel (z. B. Integrationsamt, Reha-Trรคger) zur Verfรผgung. In Betrieben mit Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist diese einzubeziehen; das verbessert erfahrungsgemรครŸ die Lรถsungssuche.

Teilzeit aus gesundheitlichen Grรผnden: wann der Anspruch besteht

Schwerbehinderte Menschen haben einen Rechtsanspruch auf Arbeitszeitverkรผrzung, wenn die kรผrzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist (ยง 164 Abs. 5 SGB IX). In der Praxis wird der Bedarf meist รคrztlich belegt. Der Anspruch steht unter dem Zumutbarkeitsvorbehalt โ€“ betriebliche Grรผnde kรถnnen ausnahmsweise entgegenstehen.

Gleichgestellte haben diesen besonderen SGB-IX-Anspruch nicht; sie kรถnnen jedoch รผber das allgemeine Teilzeitrecht (TzBfG) reduzieren, wenn dessen Voraussetzungen erfรผllt sind. Eine einseitige, formlose Arbeitszeitรคnderung โ€žab morgenโ€œ gibt es nicht โ€“ erforderlich ist eine beantragte und gewรคhrte Reduktion.

Frรผher in Rente: Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen

Wer einen GdB โ‰ฅ 50 hat und 35 Versicherungsjahre erfรผllt, kann die Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen beziehen. Fรผr Jahrgรคnge 1964 und jรผnger gilt: abschlagsfrei mit 65, frรผhestens mit 62 bei Abschlรคgen (max. 10,8 %). Fรผr Jahrgรคnge 1952โ€“1963 gelten stufenweise รœbergangsregeln. Gleichgestellte haben keinen Anspruch auf diese Rentenart.

Seit 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen fรผr vorgezogene Altersrenten aufgehoben; ein Zuverdienst ist grundsรคtzlich unbegrenzt mรถglich.

Beschรคftigungspflicht der Arbeitgeber und Ausgleichsabgabe 2024/2025

Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplรคtzen mรผssen mindestens 5 % davon mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Wird die Quote nicht erfรผllt, fรคllt eine Ausgleichsabgabe je unbesetztem Pflichtplatz und Monat an.
Fรผr das Erhebungsjahr 2024 (fรคllig zum 31. Mรคrz 2025) gelten 140 โ‚ฌ/245 โ‚ฌ/360 โ‚ฌ/720 โ‚ฌ je nach Erfรผllungsquote, die hรถchste Stufe (720 โ‚ฌ) betrifft Betriebe mit 0 % Beschรคftigung.

Fรผr das Erhebungsjahr 2025 (fรคllig zum 31. Mรคrz 2026) steigen die Sรคtze auf 155 โ‚ฌ/275 โ‚ฌ/405 โ‚ฌ/815 โ‚ฌ. Die Abgabe hebt die Beschรคftigungspflicht nicht auf; ein โ€žFreikaufโ€œ ist nicht mรถglich. Fรผr kleinere Arbeitgeber bestehen Sonderregeln.

Bewerbung und Offenlegung: Rechte im Verfahren

Grundsรคtzlich besteht keine Pflicht, eine Behinderung im Bewerbungsverfahren offenzulegen. Eine Offenbarung ist nur erforderlich, wenn Einschrรคnkungen die Eignung fรผr die konkrete Tรคtigkeit wesentlich betreffen. Ein generelles Fragerecht des Arbeitgebers existiert nicht; zulรคssig sind nur arbeitsplatzbezogene Fragen bei berechtigtem Interesse (z. B. Arbeitsschutz, zwingende Anforderungen).

Wichtig fรผr den รถffentlichen Dienst: Schwerbehinderte und Gleichgestellte, die die Mindestanforderungen erfรผllen, sind grundsรคtzlich zum Vorstellungsgesprรคch einzuladen (ยง 165 SGB IX). Dafรผr muss die Eigenschaft rechtzeitig in der Bewerbung erkennbar sein. Ausnahmen gelten nur bei offensichtlicher Nichteignung oder in besonderen Konstellationen (z. B. bestimmte kirchliche Arbeitgeber).

So setzen Beschรคftigte ihre Rechte praktisch durch

Im Arbeitsalltag bewรคhrt es sich, frรผhzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebs-/Personalrat und โ€“ bei Konflikten โ€“ das Integrationsamt einzubinden. Wer Anpassungen oder Teilzeit benรถtigt, sollte gezielt beantragen und medizinische Unterlagen beifรผgen.

Bei drohender Kรผndigung ist Zeit entscheidend: Antrรคge auf Feststellung der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung sollten mรถglichst vor Zugang der Kรผndigung gestellt werden; die Drei-Wochen-Marke ist hier regelmรครŸig ausschlaggebend. Kommt es zu Auseinandersetzungen, kรถnnen Prรคventions- oder BEM-Verfahren Lรถsungen erรถffnen und die Position im Verfahren vor dem Integrationsamt stรคrken.

Kurz zusammengefasst:
Kรผndigungsschutz nach 6 Monaten, Zusatzurlaub nur mit GdB โ‰ฅ 50, Mehrarbeit auf Verlangen abwรคhlbar (auch fรผr Gleichgestellte), Anpassungen mit Zumutbarkeitsgrenze, Teilzeit bei gesundheitlicher Notwendigkeit, Schwerbehindertenrente ab 62 (mit Abschlag) oder 65 (abschlagsfrei), keine Hinzuverdienstgrenzen fรผr vorgezogene Altersrenten seit 2023 und hรถhere Ausgleichsabgabe seit 2024/2025.